Kapitel 12

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Ich hatte mir alle möglichen Beleidigungen für Yuhkai in den letzten 60 Minuten der Doppelstunde ausgedacht und war jede von ihnen mehrfach in Gedanken durchgegangen. Er hatte auch noch am Anfang den Schneid gehabt, mich anzugrinsen. Der Typ hatte wirklich gegrinst. Nur schien er nicht einmal zu wissen oder zu merken, wer ich eigentlich war. Liam hatte er erkannt. Warum dann nicht auch mich? Aber das allerschlimmsten an der ganzen Sache war, dass meine Gedanken immer wieder dazu über gingen, seine Schönheit und seinen absolut attraktiven Körper zu bewundern. Und dafür hasste ich mich. Ich wollte ihn nicht mögen und schon gar nicht als attraktiv empfinden. Aber dieses Gesicht.... es schtrahlte merkwürdiger Weise Wärme aus, auch etwas gerissenes und schelmisches, während seine gesamte Körperhaltung Kälte und tödliche Präzision ausstrahlte. Es passte einfach nicht zusammen. Trotzdem änderte es nichts an der Tatsache, dass er ein riesen großes Arschloch war, ein Idiot, ein Dummkopf... Aaahhhhh!, schrie ich innerlich und war kurz davor, mir die Haare aus zu reißen. Der Typ machte mich wahnsinnig. Ich schloss die Augen und begann meine wirren Gedanken zu ordnen. Wieso setzte dieser Typ mein gesamtes rationales Denken aus und vereinnahmt alle meine Gedanken? Mir gefiel diese Wirkung auf mich überhaupt nicht. Ganz und gar nicht. Ich hätte am liebsten wie ein trotziges Kleinkind die Arme vor der Brust verschränkt und Yuhkai zu Tode gestarrt, aber ich hatte keine Lust meine Reaktion Jake oder meinem Bruder zu erklären. Oh Himmel, Liam! Er würde sich mit Yuhkai wie damals prächtig verstehen und amüsieren....

Die Schulklingel ertönte und Mrs. Primson beendete den Unterricht. Ich hatte noch nie so schnell meine Sachen zusammen gepackt und war nach draußen gestürmt, wie jetzt und ohne mich umzudrehen, wusste ich, dass Jake mir folgte. Ich stürmte zu meinem Spint, um die Bücher zu tauschen. Der Lykaner lehnte sich nur mit verschränkten Armen an die Spinte und sah mich abwartend an. Ich starrte gefühlt glühende Löchet in die Rückwand meines Fachs und doch dämpfte es meine Wut absolut nicht. Auch das tiefe Ein- und Ausatmen brachte erst nach einigen Minuten meinen Puls wieder unter Kontrolle.
"Abgeregt?", hörte ich Jake fragen und obwohl sich seine Miene nicht rührte, hörte ich seine Belustigung darin.
"Nein.", antwortete ich und starrte weiter in den Spint. "Ich frage mich nur die ganze Zeit, was ich falsch gemacht habe, dass mich das Universum im Endeffekt jetzt so bestraft." Ich seufzte. Jetzt zu verbittern würde mir viel zu früh Falten im Gesicht bescheren und darauf konnte ich gut verzichten. Außerdem hatte ich keine Lust, dass Yuhkai - auch wenn er davon keine Ahnung hatte - gewann und mir so mein Tag, meine Woche, gar mein Leben ruinierte. Ich knallte die Spinttür zu.
"Es ist nur.... dieser... er. Urgh! Er bringt mich zur Weißglut ohne das er überhaupt etwas tut. Er tut sogar so, als würde er mich nicht mal kennen. Pff!" Mit vor Verzweiflung geschlossenen Augen lehnte ich meine Stirn an die kühle Tür. "Ich hör mich verbittert an oder?"
"Ja, tust du.", antwortete Jake und obwohl ich ja selbst wusste, dass ich mich so anhörte, warf ich ihm einen verärgerten Blick zu. Das einzig Gute an diesem Tag war, dass ich noch ein klein wenig Hoffnung in mir trug, dass Yuhkai nicht in jedem meiner Kurse war. Wenigstens in dem Sinne konnte mir die Mondgöttin entgegen kommen oder?

Jake und ich kamen nur den Bruchteil einer Minute vor dem nächsten Unterrichtsklingeln im Klassenzimmer an, doch als ich zu unseren Plätzen sah, wäre ich am liebsten wieder herausgerannt. Die Mondgöttin hatte wirklich einen sehr schlechten Sinn für Humor. Yuhkai saßit den beiden anderen Lykanern und einer weiter Lykanerin an den Tischen vor uns. Ich biss die Zähne fest zusammen, um den wieder aufsteigenden Ärger zu verdrängen. Doch als ich mich nicht rührte, rollte Jake nur mit den Augen und zog mich durch die Tischreihen nach hinten zu unseren Plätzen. Oh wie gerne hätte ich Yuhkai dieses freche, selbstgefällige Grinsen aus dem Gesicht geschlagen.
"Hör auf!", knurrte Jake mir ins Ohr und drückte mich auf meinen Stuhl. Ich schnaubte, aber kam Jakes Aufforderung nach und zwang mich dazu, mich zu entspannen. So gut das eben ging. Ungewöhnlicherweise war unser Lehrer noch nicht eingetroffen, weswegen sich die meisten noch immer angeregt unterhielten, aber immer im Augenwinkel die Neuen noch im Blick. Ich schlug meinen Block auf und versuchte mich zwanghaft auf etwas anderes zu konzentrieren, als auf den Lykaner direkt vor mir. Wie mir jetzt erst auffiel, hatte er die klobige Motorradjacke ausgezogen und saß jetzt mit einem Bon Jovi Tour Shirt da. Immerhin hat er einen guten Musikgeschmack, dachte ich.

Wolfsblut - ProphezeiungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt