Kapitel 26

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Yuhkai

Hinter ihren Worten steckte viel mehr, als das sie zugeben wollte. Und es traf sie. In mir wand sich alles. Mein innerer Wolf wollte Erklärungen. Wollte wissen, was sie so sehr beschäftigte. Mir war bewusst gewesen, dass früher nicht gerade der netteste zu ihr gewesen war, aber anscheinend hatte ich sie tief verletzt. Ihre Worte auf diesem Schulhof hatten wie Gift geschmeckt. Mein Wolf hatte gewimmert und sich geweigert das Gesagte zu akzeptieren. Ich hatte gespürt, dass sich ein Großteil ihrer Wut auf mich übertragen hatte, weil sie in diesem Moment ein Ventil gebraucht hatte, aber dass ich ihr Sexleben zerstört hatte, traf sie am meisten. Der Zorn und die Verzweiflung, die in ihrer Stimme mitgeschwungen hatten, zeigten, dass es wahr war. Ich war seit Dienstag ständig dabei zu überlegen, was ich getan hatte. Was so schlimm war, dass sie diese körperlichen Erfahrungen nicht genoss. Aber ich kam nicht dahinter. Ich wollte, dass sie mit mir sprach und mir die Wahrheit sagte. Doch sie jetzt zu bedrängen würde sie weiter von mir entfernen.
„Es tut mir leid. Wirklich!"
Es war das einzige, dass mir gerade einfiel und merkwürdiger Weise auch das ehrlichste. Asteria schüttelte nur mit dem Kopf und winkte ab. Ich musterte ihr Gesicht, in Feder Hoffnung eine Gefühlsregung zu sehen, die mir zeigte, dass sie meinen Worten glaubte. Aber ich erkannte nichts. Wir beide waren nicht mehr die Kinder, die wir früher einmal gewesen waren. Alles war nun anders und wir beide mussten erst einmal herausfinden, wie wir damit umzugehen hatten.

Wir bogen um das nächste Regal und ich konnte gerade so noch stoppen, bevor der Einkaufswagen sie traf. Ein männlicher Lykanergeruch stieg mir in die Nase und ich hätte am liebsten gewürgt. Erik. Der Sohn des Alphas. Er musterte seine Freundin, doch das Lächeln was er ihr versuchte zu schenken, erstarb als er mich sah. Seine Gesichtszüge wurden ernst und härteten sich. Ich grinste ihn herausfordernd an, doch in der nächsten Sekunde ging er auf Asteria zu und küsste sie. Ich rang mir jegliche Selbstbeherrschung ab, um meine Überraschung und den Schock in mir zu behalten. Es machte mich wütend, dass er Asteria dafür verwendete, um mich in meine Schranken zu Weisen. Mir zu zeigen, wer das Sagen hatte und vor allem, wem sie gehörte. Erik fühlte sich in seiner Dominanz und vor allem in seiner Männlichkeit von mir so bedroht, dass er keinen Anderen weg fand, als diesen hier. Oh ja, ich konnte diesen Kerl nicht ausstehen! Er war nichts weiter, als ein kleiner verbitterter Junge, der krampfhaft versuchte, Daddys Aufmerksamkeit zu bekommen und sich nach Macht sehnte. Lächerlich. Erik war kein Alpha und würde nie einer sein. Aber das sollte er selbst herausfinden und ein winzig kleiner Teil in mir, wollte dabei sein, wenn es eines Tages soweit sein würde. Vielleicht sogar mit einer Tüte Popcorn...

Als die beiden sich voneinander lösten, sah Asteria alles andere als glücklich aus. Ihr Blick glitt zu mir und Unbehagen stand darin. Greifbar und nah. Ich zwang mich das Knurren in meiner Kehle zu unterdrücken und sah stattdessen wieder Erik an. Irgendetwas an seinem Gesicht störte mich und weckte in mir das Gefühl, ihm eine verpassen zu müssen. Er war gutaussehend, keine Frage. Vielleicht für einige sogar attraktiv. Aber es war die Arroganz und sein Verhalten, die ihn zu einem Arsch machten. Er war Lykaner und wie ich herausgefunden hatte, schon seit Jahren mit Asteria zusammen. Trotzdem wirkte sie nicht so, als würde sie sich wohlfühlen und schlimmer war dabei, dass er es nicht einmal zu bemerken schien. Und ich kam nicht umher, mich zu fragen, wie die Beziehung der Beiden überhaupt hatte beginnen können. Ich kannte Asteria seit unserer Kindheit und obwohl wir uns in den letzten Jahren stark verändert hatten, konnte ich mit Sicherheit sagen, dass sie ihn nicht für seinen Titel als zukünftigen Alpha, als festen Freund gewählt hatte.
„Yuhkai", grüßte Erik mich während er lässig den Arm um ihre Taille legte. Langsam drehte ich den Kopf zu ihm. Jeder Muskel meines Körpers war angespannt. Doch ich zwang mich zu Kontrolle und Ruhe. Er musterte mich abschätzend, als überlegte er, was er als Nächstes sagen sollte, sprach dann jedoch lieber mit seiner Freundin. „Unser Filmabend ist ja ausgefallen. Wie wäre es wenn du morgen Abend einfach vorbei kommst und wir das nachholen?"
Asteria blickte zu ihm hoch und schien zu überlegen.
„Ja. Tut mir leid deswegen...", erwiderte sie und lächelte ihn zaghaft an. Aber dieses Lächeln erreichte ihre Augen nicht. Niemand konnte mit einreden, dass sie sich wohl fühlte. Nicht in der Weise, in der ihr Körper auf ihn reagierte. „Aber ich dachte Samstage wären für die Jungs reserviert?"
„Ja. Aber wir treffen uns schon gegen Mittags. Die sind also am Abend wieder weg. Außerdem sind meine Eltern im Rudelhaus beschäftigt. Bedeutet also: wir haben sturmfrei." War das wirklich sein Ernst? Ich stieß ein trockenes Lachen aus.
Lass es Yuhkai, hörte ich Ria plötzlich sagen. Ich war überrascht, dass sie bewusst ihre Gedanken an mich gerichtet hatte. Als Antwort knirschten ich mit dem Kiefer und stieß den Wagen ein Stück weiter. Diese lächerliche Show der beiden wollte ich nicht länger mit ansehen. Trotzdem hörte ich mich jedes Wort, welches sie miteinander wechselten.
„Ich freu mich darauf!"
„Gut", antwortete der Lykaner. „Ich muss weiter. Wir sehen uns morgen."

„Egal was du sagen willst, lass es einfach", warnte sie und griff nach dem Einkaufswagen, nachdem sie die Distanz zu mir aufgeholt hatte.
„Keine Ahnung was du meinst." Lüge. Eine simple Lüge.
„Ach ja? Der Ausdruck auf deinem Gesicht sagt etwas anderes." Ihre Laune war mit einem Mal schlechter und sie bemühte sich mir nicht in die Augen zu sehen, während sie die letzten Posten auf ihrer Liste in den Wagen tat. Schön, sollte sie ihre Laune ruhig an mir auslassen, anstatt an ihrem Freund.
„Vielleicht, aber was auch immer ich davon halte, ist egal. Letztendlich geht es mich nichts an und interessiert mich auch nicht sonderlich." Die hielt inne. Der erste Teil entsprach der Wahrheit. Sie und Erik führten die Beziehung und was zwischen den beiden war, ging niemand anderen etwas an. Das es mich allerdings nicht interessierte, war jedoch etwas gelogen. Immerhin hatte ich mir eine sehr schnell eine sehr starke Meinung über diese Beziehung gebildet. Und etwas sagte mir, dass ihr das vollkommen bewusst war.
„Lügner. Aber du hast recht. Es geht dich nichts an!"
Damit hatte sich dieses Gespräch erledigt. Sie wechselte kein einziges Wort mehr mit mir. Weder an der Kasse, noch auf dem Weg zum Auto. Und ich hasste es. Selbst ihr schlechte Laune und ihre biestigen Worte waren besser, als dieses Schweigen...

Wolfsblut - ProphezeiungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt