Kapitel 33

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Yuhkai

Der Tag war die reinste Katastrophe gewesen. Während dem Unterricht war es für mich fast unmöglich gewesen, mich nicht nach Ria umzusehen und das Gefühl, mit ihr noch einmal zu reden zu unterdrücken. Ich musste ihr Zeit und Raum geben und auch meiner selbst zu gute. Irgendwie hatte ich das Gefühl, sollten wir alles überstürzen, würde es unser beider Untergang sein. Doch als ich sah, dass sie zum Mittag nicht in der Schulcafeteria war, wurde ich stutzig. Ich hatte sie nach dem Unterricht zusammen mit den anderen dort hin gehen sehen. Also wohin war sie verschwunden? Selbst als meine Leute und ich uns zu Liam und seinen Freunden gesetzt hatten, konnte mir niemand von ihnen sagen, wo sie war. Sie war einfach gegangen. Ich versuchte mir zwar einzureden, dass es besser war, aber ich kam nicht darum innerlich mit meinem Wolf zu kämpfen. Er wollte sie suchen, sich entschuldigen, sie umarmen. Bei der Mondgöttin... Ich steckte knietief in der Scheiße...
Der Gong ertönte und langsam erhoben sich die Schüler der Greystone High, um wieder zu ihren Unterrichtsfächern zu gehen. Auch Liam, Lee und die anderen standen auf. Nur Miles blieb bei Ella zurück. Er sah seine Mate abwartend an. Sie war voller Energie und ein echter Wirbelwind, was ihren Charakter anging und ihre kleine Körpergröße machte sie mit ihrem Selbstbewusstsein und ihrer Angriffslust wieder wett. Doch jetzt war irgendetwas anders. Sie mit einem Mal mitten in ihrer Bewegung stehen geblieben und Miles wäre fast in die hineingelaufen. Ich zog die Augenbrauen etwas zusammen. Ella sah von ihrem Smartphone auf und blickte mich direkt an. Sie sah überhaupt nicht mehr füglich aus. Etwas, dass in der Nachricht stand, die sie erhalten hatte, beunruhigte sie. Der junge Lykaner neben ihr spähte über ihre Schulter, um ebenfalls die Nachricht zu lesen und plötzlich wurde mir klar, dass das Folgende, nicht gut werden würde.
„Was", fragte ich so kurz angebunden wie möglich. Die beiden warfen sich einen Blick zu, bevor Miles es wagte, einen Schritt auf mich zu zu gehen und genau in diesem Moment, schlug mein innerer Wolf Alarm.
„Du kannst dich noch an Elisabeth erinner", wollte er wissen und ich nickte. Mir war unklar, was Jakes Mate nun damit zu tun hatte, aber egal. „Sie und Ella haben den Theaterkurs zusammen und sie hat Ella gerade eine Nachricht geschickt. Sie wollte wissen, wo du bist. Es scheint dringend zu sein." Während Miles sprach tippte die sonst so aufgeweckte Lykanerin auf dem Handydisplay herum. Die Cantine war so gut wie leer. Nur das Personal, welches das Essen ausgab war noch anwesend. Ein langes Vibrieren in meiner Hosentasche unterbrach seine weiteren Erklärungen. Jake rief mich an. Vor einigen Tagen hatten wir alle die Nummern ausgetauscht und waren uns einig gewesen, dass wir in Anbetracht der Umstände - die Angriffe auf die Rudel - es besser war, miteinander in Kontakt zu bleiben. Und diese Überlegung schien sich gerade bezahlt zu machen.

„Ja?"
„Wir brauchen deine Hilfe", ertönte zitternd die Stimme von Jakes Mate. „Sie... sie ist komisch geworden und dann verschwunden. Ich hab keine Ahnung wohin sie ist und Jake... Ich brauch Hilfe."
Verschwunden? Wer? Was? Und was zur Hölle war mit dem Lykaner? Was ging hier vor sich?
„Wo seid ihr", fragte ich und war schon auf dem Weg, während sie mir mitteilte, dass sie noch immer in der Bibliothek waren. Ich rief Miles über die Schulter nur noch zu, dass die anderen die Handys im Blick haben sollten. Seine Antwort wartete ich nicht einmal mehr ab. Ich rannte schon fast die Flure zu der Schulbibliothek entlang. Was war, wenn Ria damit gemeint gewesen war? Aber warum sollte sie abhauen und vor allem, wohin? In meinem Kopf wütete ein Wirrwarr aus Gedanken und mein Wolf war mehr als unruhig. Ich erreichte die Türen der Schulbibliothek und stürmte gerade Wegs hinein. Hier war es verdammt kalt und ich hätte schwören können zu sehen, wie suche eine feine Eisschicht auf dem Boden entlang zog. Und dann hörte ich sie. Elisabeth stützte mit aller Kraft Jake, der halb auf ihr hing und .... Scheiße aussah. Er hatte gekämpft und man sah ihm an, dass es ein schwerer Kampf gewesen war. Er hatte überall Kratzer, getrocknetes Blut und Blutergüsse. Ich zischte als er endlich aufsah. Es sah wirklich schlimm aus.
„Verdamm", rief ich aus, als seine Beine drohten zusammen zu sacken. „Jake, was ist hier verdammt nochmal los?" Er ließ sich schwerfällig und vor schmerzen stöhnend auf einen der Holzstühle neben dem Ausgabepult fallen. Elisa sah ihn besorgt an.
„Ist nicht so wichtig. Aber Ria", etwas änderte sich in seiner Stimme. „Sie ist auf 180 und auf dem Weg zu Erik. Ich wollte ihr nach, aber ich... Du musst sie aufhalten. Bitte!" Mehr brauchte ich nicht und schon war ich halb verschwunden. Doch Elisa lief mir nach und schrie durch den Flur nach mir. Nur ganz knapp war es mir möglich, anzuhalten und kurz zu warten.
„Sie ist nicht sie selbst", meinte sie und sah über die Schulter zurück zur Bibliothek. „Als Jake ihr erzählt hatte, was passiert war, hat sie sich... verändert."
Ich sah sie verwirrt an.
„Was meinst du mit verändert?"
„Sie wurde plötzlich ganz still und abwesend. Dann haben sich ihre Augen verändert und wurden silbern. Wie flüssiges Silber. Und es wurde verdammt kalt in der Bibliothek. Ich weiß nicht, wie ihr zueinander steht oder was da zwischen euch ist. Ich bin nur ein Mensch und bekomme diese lykanischen Dinge nicht so mit, wie ihr, aber das war nicht normal. Also sei vorsichtig!"
„Wie kann das sein", fragte ich. Das war doch nicht Ria. Wie konnte das sein? Doch plötzlich fiel mir wieder ein, dass etwas ähnliches passiert war, als Bree sich vor einigen Wochen auf Ria gestürzt hatte. Die Wunde an ihrer Schulter war unglaublich schnell geheilt und dort, wo sie auf dem Boden gelegen hatte, war für einen winzigen Moment eine feine Eisschicht zu sehen gewesen. Und als Jake abgedreht war, war sie ebenfalls abgedriftet und ihre Haut war kalt wie Eis geworden. „Ich finde sie, aber behaltet das alles erstmal für euch."

Wolfsblut - ProphezeiungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt