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Vier Jahre später

Dani

Diese verdammte Veranstaltung, macht mich wahnsinnig. Wir haben einfach zu wenig Leute. Und die wichtigen Positionen würde ich schon gerne mit eigenen Leuten besetzen und nicht mit Mitarbeitern einer Sicherheitsfirma. Ich ließ meinen Kopf auf den Schreibtisch fallen. Autsch... das war heftiger als geplant. Muss diese dämliche Veranstaltung ausgerechnet bei uns stattfinden? Hätte sie nicht in Sams Stadt sein können? Und wieder schlich sich Sam in meine Gedanken. Jetzt bin ich doppelt genervt. Aber mit den Jahren wurden meine Gedanken an sie immer seltener. Die ersten zwei Jahre war sie täglich präsent. Ich konnte keine andere Frau an mich ran lassen. Selbst wenn ich eine Frau nur ansah, hatte ich das Gefühl, ich würde Sam betrügen. Dann wurde Julia in unser Team versetzt. Anfangs würdigte ich ihr keinen Blick. Ich verstand, was Sam damals fühlte, als ich in ihr Team kam. Aber Julia war hartnäckig. Sie ließ keine Gelegenheit aus, um mir zu zeigen, dass sie mich wollte. Und irgendwann gab ich nach. Sie ist eine tolle Frau. Liebevoll, aufmerksam, zärtlich, klug, attraktiv... nur um ein paar Dinge aufzuzählen. Nun ja... und dann kam was kommen musste. Sie fragte mich, ob ich sie heiraten will. Und ich sagte ja. Warum auch immer. Vielleicht, weil ich enfach nicht alleine sein wollte. Ich mag sie. Vielleicht liebe ich sie auch. Auf die ein oder andere Weise. Aber an die Gefühle zu Sam, kommt sie nicht ran. Ich weiß, dass es sehr unfair von mir ist. Und jetzt komme ich aus dieser Situation nicht mehr raus. Manchmal glaube ich, sie weiß es. Aber trotzdem behandelt sie mich, als wäre ich die einzige Frau auf dieser Welt. Für sie bin ich das vielleicht sogar. Oftmals habe ich ein schlechtes Gewissen. Aber wenn ich sehe, wie glücklich sie mit mir ist, denke ich mir, dass es ok so ist, wie es ist. Wenn ich schon nicht glücklich sein kann, kann ich vielleicht jemand anderen glücklich machen.
Wie auf Kommando klopfte es an meiner Tür und Julia kam rein. "Hallo, Schatz." begrüsste sie mich, kam um meinen Schreibtisch herum und gab mir einen Kuss. Dann sah sie auf die Unterlagen auf meinem Schreibtisch. "Also... Schatz. Ich weiß ja nicht nicht, wie gut du damals in der Schule in Mathe warst, aber neun Zugänge können nicht von sechs Leuten abgedeckt werden. Egal wie oft du auf die Unterlagen starrst." Sie grinste mich frech an. "Vielleicht solltest du doch..." "Nein!" antwortete ich sofort. Ich wusste was sie vorschlagen wollte. Sie wollte eine Anfrage an Sams Team, mit der Bitte um Unterstützung, schicken. Ich hatte ihr zwar von Sam erzählt, aber möglicherweise die ein oder andere Sache weggelassen. Ich wollte einfach keine alten Wunden aufreißen. Weder bei Sam, noch bei mir. Außerdem bin ich ein Feigling. Ich war damals einer und heute bin ich es immer noch, wenn es um Sam geht.
Ich hatte sie damals sehr verletzt. Ich wusste das. Sie hatte damals auch direkt meine Nummer blockiert. Sie wollte nichts mehr mit mir zu tun haben. Und ich konnte es verstehen. Ich habe Scheiße gebaut und jetzt musste ich mit den Konsequenzen leben.
"Sei doch nicht so stur, Schatzi." Ich hasste es, wenn sie Schatzi sagte. Das wusste sie auch. Und trotzdem ließ sie es nicht bleiben. Ich seufzte. "Ok... Selbst wenn ich eine Anfrage schicken würde, sie würden nicht kommen. Ich habe das Team damals im Stich gelassen. Ich bin einfach gegangen ohne mich zu verabschieden. Sie hassen mich." "Ich glaube nicht, dass sie dich hassen. Es ist damals einfach nur blöd gelaufen. Aber nach vier Jahren, sollten sie sich beruhigt haben." "Vier Jahre, drei Monate und 16 Tage" murmelte ich. "Siehste... das ist schon eine halbe Ewigkeit. Also... stell die Anfrage und dann mach Feierabend und komm nach Hause. Es ist Freitag. Wir kriegen heute Besuch von meiner Schwester. Sie hat wohl noch ein paar Fragen, wegen unsere Hochzeit." Ich nickte nur. Wenn es nach mir gegangen wäre, hätte das Standesamt mit den wichtigsten Menschen gereicht. Aber Julia wollte eine 'richtige' Hochzeit. Also stimmte ich zu, sagte ihr aber auch, dass ich mit der Planung nichts weiter zu tun haben wollte.
"Ich warte unten im Auto auf dich. Beeil dich." Dann war sie auch schon verschwunden.
Ich starrte auf meinen Monitor. "Ach Scheiß drauf" murmelte ich und verfasste eine offizielle Anfrage. Mit zittriger Hand, schickte ich sie ab. Dann fuhr ich den PC runter, packte meine Sachen zusammen und begab mich zum Auto, in dem Julia schon wartete. "Hast du sie abgeschickt?" Ich nickte nur. "Sehr schön, dann lerne ich endlich mal diese ominöse Sam kennen." Mein Kopf schnellte in ihre Richtung. "Ist das dein Ernst? Sollte ich diese Anfrage schicken, weil du meine Ex kennenlernen willst?" fragte ich sie mit einem gefährlichen Unterton in der Stimme. Sie zog den Kopf ein.
"Naja... du kannst mir nicht verdenken, dass ich die Frau kennenlernen will, die dir das Herz gebrochen hat. Die dich daran hindert wieder bedingungslos zu lieben."
"Nicht sie hat mir das Herz gebrochen, sondern ich ihr. Und jetzt raus aus meinem Auto. Du kannst dich alleine mit deiner Schwester treffen. Ich fahre zu meiner Wohnung. Und am besten lässt du mich das ganze Wochenende in Ruhe." Ich versuchte meine Wut zu unterdrücken, konnte aber nicht verhindern, dass sie trotzdem ihren Weg in meine Stimme fand. Julia blieb einfach sitzen. "RAUS HIER!" schrie ich sie an. Es war das erste Mal, dass ich ihr gegenüber die Stimme erhob. Mit einem entsetzten Gesichtsausdruck stieg sie aus. Sie hatte die Tür noch nicht richtig geschlossen, da fuhr ich auch schon los.
In meiner Wohnung angekommen, ging ich direkt in die Küche und goss mir ein Glas Wein ein. Dann ging ich in mein Wohnzimmer, setzte mich auf meine Couch und von da an war meine Selbstbeherrschung vorbei. Ich fing an zu weinen. Ich hatte schon lange nicht mehr geweint. Ich hatte schon lange keine Gefühle mehr zugelassen. Aber jetzt hatte ich keine Kontrolle mehr. Mir wurde gerade alles zuviel. Als ich anfing mich ein wenig zu beruhigen, nahm ich mein Handy und suchte mit zittrigen Fingern Carmen in meiner Kontaktliste. Als ich sie gefunden hatte, drückte ich auf wählen und wartete, bis sie abnahm. "Hey, Süsse" hörte ich ihre Stimme. "Hey..." schluchzte ich ins Handy. "Was ist passiert?" fragte sie mich sofort mit einer beunruhigten Stimme. Ich schluchzte noch mal. Dann erzählte ich ihr alles. Immer wieder wurde ich von meinem eigenen schniefen unterbrochen. Carmen hörte mir einfach nur zu. Wie sie es immer tat. Als ich am Ende angekommen war, hörte ich sie scharf die Luft einziehen. "Dieses egoistische Miststück. Warum willst du sie nochmal heiraten?" Ich ging auf die Frage gar nicht ein. Ich kannte Carmens Meinung. Sie mochte Julia nicht. Sie meinte nach Sam wäre mein Niveau ins bodenlose gesunken.
"Was soll ich machen?" schluchzte ich wieder. "Außer diese dumme Kuh in den Wind schießen?" antwortete sie trocken. Ich musste grinsen. "Ja... außer das." "Lass einfach alles auf dich zukommen. Wer weiß, ob Sam überhaupt die Anfrage annimmt. Und selbst wenn... es sind vier Jahre vergangen. So nachtragend kann keine Frau sein." "Vier Jahre, drei Monate und 16 Tage" murmelte ich. "Du hast den Schmerz in ihren Augen nicht gesehen." antwortete ich. Allein der Gedanke daran, tat mir weh. Aber das verriet ich Carmen jetzt nicht. "Wenn sie nicht damit klar kommt, wird sie nicht auftauchen. Wir reden hier schließlich von Sam. Sie ist eine starke Frau." Der ich trotzdem das Herz gebrochen habe, dachte ich. Aber Carmen hatte recht. Wahrscheinlich machte ich mir viel zu viele Gedanken. Sam würde die Anfrage sowieso ablehnen. Also... warum machte ich mir so einen Kopf. Vielleicht, weil ich mir insgeheim wünschte sie würde herkommen? Weil ich sie gerne wiedersehen würde? Weil auch wenn sie über mich hinweg ist, ich es noch lange nicht bin? Und selbst wenn sie herkommen würde, was dann?

Versprich Mir, Dich Nicht Aufzugeben (Teil 2) Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt