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Sam

Als ich den Vorraum betrat, fiel mein Blick direkt auf sie. Dani. Wie hatte ich sie vermisst. Aber es war egal. Uns gab es nicht mehr. Ich verzog keine Mine, sondern sah sie nur am, als ich auf sie zu ging. "Hey." sagte ich nur, nahm sie in den Arm und gab ihr einen Kuss auf die Stirn. Dann ließ ich sie auch schon wieder los und widmete mich ihrem Team. Ich stellte mich vor und gab jedem einzelnen die Hand. Ihre Verlobte sah mich mit einem Blick an, mit dem sie versuchte mich wohl zu töten... oder wenigstens einzuschüchtern. Funktionierte beides nicht. Als ich ihr die Hand gab, versuchte sie noch ihren stärksten Griff an mir anzuwenden, aber auch das ließ mich kalt. Sie sollte mal mehr Krafttraining machen. Meine Oma drückt ja fester zu. Aber ich behielt meine Gedanken für mich. Ich wollte hier niemanden provozieren. Ich war hier um Dani zu helfen. Vielleicht auch, weil ich sehen wollte, ob es ihr gut geht. Aber offiziell natürlich um ihr zu helfen.
Ich stellte mich zu meinem Team. Dani führte uns in den schon vorbereiteten Besprechungsraum. Ich setzte mich ihr gegenüber. Neben ihr, saß natürlich Julia, die Danis Hand wohl nehmen wollte, was Dani sofort unterband. Diese Situation rief ein leichtes Schmunzeln in mir hervor.
Offensichtlich verunsicherte ich diese Julia. Unnötig. Dani hatte sich vor langer Zeit gegen mich entschieden.
Ich beobachtete diese Besprechung. Mein Team stellte Fragen. Danis Team antwortete. Ich saß nur da und beobachtete die Situation. Das Ganze interessierte nicht. Mich interessierten die Menschen in Danis Team. Dieser Sven zu Beispiel. Ein Frauenheld wie er im Buche steht. Immer wieder suchte er den Blickkontakt mit mir. Er war das Gegenstück zu Lukas. Nur denke ich, das er öfter mal die Grenzen überschritt. Etwas, das ich Lukas schon lange ausgetrieben hatte. Job ist Job, Privat ist Privat. Diesen Sven musste ich im Auge behalten. Dann gab es noch Dennis. Er war der IT- Nerd in diesem Team. Der Junge hatte was drauf. Rafi und er tauschten sich intensiv aus und es war ein Gespräch auf Augenhöhe. Als nächstes kam Christian. Er war das Gegenstück zu Stevie. Ruhig und besonnen. Er strahlte eine Ruhe aus, die man spüren konnte. Der letzte Mann im Team war Oliver. Er war die rechte Hand von Dani. Ein Taktiker. Gut. Julia. Gutaussehende Frau. Dani hat Geschmack. Julia wirkt sehr selbstsicher. Es sei denn es geht um Dani. Da kann man ihre Unsicherheit spüren. Sie sollte das mal abstellen. Das ist mit Sicherheit etwas, was Dani nicht gefällt. Aber gut. Ist nicht mein Drama. Ich beobachtete noch eine Weile die regen Unterhaltungen. Immer wieder erwischte ich Dani, wie sie versuchte mich unauffällig anzusehen. Und jedesmal folgte der Todesblick von Julia. Mir wurde langsam langweilig. Ich hatte die Information die ich brauchte. Eine grobe Einschätzung von Danis Team. Der Rest konnte eigentlich erstmal ohne mich besprochen werden. Ich stand auf und sofort sahen mich sechs Personen fragend an. Mein Team reagierte auf mich nicht. Sie kannten das schon von mir. Ich schob meinen Stuhl an den Tisch. Ich sah zu Danis Team. "Mir ist langweilig. Ich geh mir jetzt noch ein wenig die Stadt ansehen." Dann drehte ich mich um und ging. Ich brauchte jetzt frische Luft und Ruhe. Ich musste jetzt erstmal alle Informationen verarbeiten und sortieren. Und das ging weder in Danis Gegenwart, noch bei den Diskussionen die geführt wurden. Ich rief mir ein Taxi und fuhr zum Hafen. Eine Weile spazierte ich am Hafen entlang und ließ meine Gedanken einfach fließen. Dani hatte ein gutes Team. Damit konnte man arbeiten. Dani. So lange hatte ich gebraucht um meine Gefühle für sie zu unterdrücken. Sie in den hintersten Winkel meines Herzens zu begraben. Und ein Blick in ihre Augen  reichte um alles wieder hervorzurufen. Vielleicht war es ein Fehler hierher zu kommen. Aber vielleicht würde der Schmerz endlich vergehen, wenn ich sie mit ihrer Verlobten sehen würde. Das sie glücklich ist. Das sie den Schmerz, der sie damals quälte, hinter sich gelassen hatte. Ich hoffte, dass meine Anwesenheit keine alten Wunden aufreißen würde. Liebte ich sie? Ja. Wollte ich, dass sie glücklich ist? Ja. Und da beides offensichtlich nicht zusammen passte, musste ich meine Gefühle unterdrücken. Ist doch eigentlich ganz einfach. Ich kam an einem Eiscafe an. Ich setze mich an einen der Tisch. Ich genoß die warme Sonne. Als die Kellnerin kam, bestellte ich mir einen Kaffee. Ich beobachtete das treiben im Hafen. Containerschiffe fuhren ein und aus. Hafenrundfahrten wurden angeboten. Je nach Uhrzeit, eine große, die auch durch die Speicherstadt ging oder eine kleine. Ich genoß es, hier zu sitzen und dem bunten Treiben zuzusehen. Hamburg hatte schon seinen eigenen Zauber.
Während ich so vor mich hin träumte,
stellte sich mir jemand in die Sonne.
Ich sah hoch und direkt in mir sehr bekannte, grüne Augen. "Du stehst mir in der Sonne." "Ach ehrlich?" antwortete sie nur. Ich winkte die Kellnerin zu mit. "Noch einen Kaffee und einen Cappuccino, bitte." sagte ich. "Setz dich. Ich kriege sonst einen Krampf im Nacken." Dani seufzte kurz auf, setzte sich dann aber brav hin. "Wie hast du mich gefunden?" fragte ich sie neugierig. "Ich kenne dich? Ich hab mir überlegt, wo ich hingehen würde. Und dann habe ich dein GPS- Signal verfolgen lassen." grinste sie mich frech an. "Ok... illegal, aber clever." schmunzelte ich. Die Kellnerin brachte uns unsere Getränke. "Warum bist du hier?" fragte Dani mich. "Mir gefällt die Aussicht und der Kaffee ist auch ziemlich gut." antwortete ich ihr. Sie schüttelte den Kopf. "Das meine ich nicht und das weißt du auch." "Du wolltest meine Hilfe."

Versprich Mir, Dich Nicht Aufzugeben (Teil 2) Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt