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Dani

Ich quälte mich aus meinem Bett. Montag. Ich hatte die Nacht so gut wie nicht geschlafen. Dementsprechend sah ich auch aus. Aber während der schlaflosen Stunden, hatte ich mir zumindestens schon mal mein Outfit für heute zurecht gelegt. Eine schwarze Hose, eine schicke, beige farbende Bluse. Ein paar flache schwarze Schuhe und fertig war mein Montags Outfit. Ich musste mich zusammen reißen, mich nicht aufzubrezeln. Ich hatte ein Haufen Kleider in der Hand. Von unschuldig bis verrucht sexy. Aber... erstens wusste ich noch überhaupt nicht, ob sie kommt und zweitens wären die meisten Kleider unangebracht für die Arbeit gewesen. Ach ja... ein drittens gab es natürlich auch noch.... ich bin verlobt!!! Es wäre also unangemessen mich für Sam so aufzubrezeln. Also entschied ich mich für was einfaches.
Ich ging mit einem mulmigen Gefühl zur Arbeit. Ich versuchte mich auf die Absage, die mich erwartete, vorzubereiten. Trotzdem konnte ich die Hoffnung, Sam vielleicht doch wieder zu sehen nicht vollständig unterdrücken. Ich bin extra etwas früher los, um mich notfalls noch sammeln zu können. In meinem Büro angekommen, setzte ich mich an meinen Schreibtisch und fuhr den Laptop hoch. Sofort sprang mir die Nachricht ins Auge, die mir anzeigte, dass ich eine neue Mail bekommen hatte. Mit zittriger Hand öffnete ich diese Mail. "Sehr geehrte Frau Siebert, vielen Dank für ihre Anfrage. Gerne unterstützen mein Team und ich Sie bei Ihrer Veranstaltung. Wir werden am Montag, so um die Mittagszeit, bei Ihnen eintreffen und dann das weitere Vorgehen persönlich besprechen.
Mir freundlichen Grüßen
Samantha Karsten"
Ich glaubte es nicht. Sam hat zu gesagt. Ich las die Mail bestimmt noch ein dutzend Mal. Nur um sicher zu gehen, das ich mich nicht verlesen hatte. Sam würde heute herkommen. Ich würde sie heute wiedersehen. Nach vier Jahren, drei Monaten und 18 Tagen. Atmen, Dani. Vergiss nicht zu atmen. Ich war aufgeregt und musste jetzt mit irgendjemanden reden. Ich nahm mein Handy und rief Carmen an. Mir war egal, wieviel Uhr es gerade ist. Ich brauchte sie jetzt.
Ein raues "Hallo" drang an mein Ohr. "Sie hat zugesagt." flüsterte ich, weil meine Stimme gerade versagte. "Wer? Die Queen? Oder Ruby Rose?" "Verarsch mich nicht." Jetzt war meine Stimme wieder da. "Sam. Nach vier Jahren... " Carmen unterbrach mich. "Drei Monaten und ein paar Zerquetschte... jaja... ich weiß." Ich konnte die Belustigung in ihrer Stimme hören. "Was soll ich jetzt machen?" fragte ich nervös. "Trenn dich von deiner nervigen Verlobten und brenn mit Sam durch..." "Carmen!!! Hör auf dich über mich lustig zu machen und hilf mir lieber."
"Was soll ich machen? Mich zu dir beamen und Händchen halten?" fragt sie und ich konnte an ihrer Stimme hören, dass sie diese Situation sehr amüsant findet. Und sowas schimpft sich beste Freundin. "Ich weiß nicht, was ich machen soll. Ich bin gerade völlig überfordert." sagte ich leise. "Ich weiß, Süsse. Normalerweise würde ich dir ja den Rat geben, sie dir in Unterwäsche vorzustellen..." "CARMEN!!!" sie kicherte nur als Antwort. "Du bist mir gerade echt keine Hilfe." "Ok... Spass beiseite. Lass das Treffen einfach auf dich zukommen. Du wirst das schon meistern. Und ich glaube nicht, dass Sam irgendwas machen wird, das dich verletzen würde. Wenn sie das gewollt hätte, hätte sie genug Zeit dafür gehabt. Sie kommt, weil DU sie um Hilfe gebeten hast. Vergiss das nicht. Sie hätte dir eine Absage schicken können. Aber sie hat sich dazu entschieden, dir zu helfen. Also..  hör auf dich verrückt zu machen." "Danke." flüsterte ich. "Nicht dafür. Und wenn alle Stricke reißen, denk an sie Unterwäsche- Nummer." kicherte sie. Ich stöhnte nur genervt auf. "Ich glaube, wir beenden das Gespräch jetzt lieber, bevor du noch mehr so tolle Ratschläge von dir gibst." sagte ich gespielt genervt. "Hab dich lieb, Süsse. Und mach dich nicht so verrückt." "Ich dich auch. Und danke nochmal fürs runterholen." Dann legte ich auf. Bevor sie noch eine ihrer Weisheiten loswerden konnte. Ich las noch ein paarmal die Mail. Dann klappte ich den Laptop zu und holte mir erstmal einen Kaffee. Ich würde noch einiges vorbereiten müssen, bevor Sam und ihr Team hier auftauchen würden. Ich druckte sämtliche Unterlagen aus und sortierte sie in Mappen ein. Für jeden eine. Dann ging ich in unseren Besprechungsraum und verteilte sie. Irgenwann war auch mein Team vollständig anwesend. Ich informierte sie über unseren Besuch. Jetzt war ich nicht mehr die einzige, die aufgeregt war. "Ist das dein Ernst? Die berühmte Samantha Karsten kommt her und hilft uns? Sie ist eine Heldin." schwärmte Sven. Er war sozusagen mein Lukas im Team. Ein Womanizer, wie er im Buche steht. Nur mit dem Unterschied, daß er manchmal  Grenzen überschritt und ich ihn dann zurück pfeifen musste. Ich seufzte genervt auf. Jep... sie zierte ein paar Wochenlang die Titelseiten, diverser Zeitungen, als sie und ihr Team einen Anschlag auf einen hohen Politiker verhindert hatten. Nicht, das ich jeden Artikel gelesen hätte und mir jedes Foto von ihr stundenlang angesehen hätte. Vielleicht habe ich auch ab und zu im Internet nach ihr recherchiert. Sie gehörte zu den Top 3 der begehrtesten lesbischen Singlefrauen. Es gab sehr viele Berichte, in denen Frauen von ihr schwärmten. Irgendwann tat ich mir die Schwärmereien dieser fremden Frauen nicht mehr an. Zumal mir bewusst wurde, dass jede einzelne von ihnen, mehr Chancen hatte, mit ihr zusammen zu kommen als ich. Ich hatte meine Chance... und hatte es vermasselt. Das war auch der Zeitpunkt, als ich Julia nach gab. Ich fühlte mich einfach nur noch einsam und leer und ich wollte, dass jemand diese Leere in mir füllte. Auch die anderen waren völlig aus dem Häuschen. Außer Julia natürlich. Aber ich hatte jetzt keinen Nerv, mich um ihre Befindlichkeiten zu kümmern. Das musste warten. Ich wollte uns schon als ein professionelles Team präsentieren. Also gab es Verhaltensregeln. Ich wollte verhindern, daß sich mein Team wie Teenie- Fans verhält und im schlimmsten Fall noch in Ohnmacht fällt, wenn Sam auftaucht. Obwohl mich der Gedanke schon schmunzeln ließ. Vier erwachsene Männer, die kreischen wie kleine Mädchen. Aber... Nein! Das kann ich nicht gebrauchen. Also... gingen wir alles nochmal durch. Bis wir alles auswendig konnten. Wir wollen ins ja nicht blamieren. Irgendwann sagte Sven, sie sind da. Vermutlich hatte ihm das Mädchen vom Empfang eine Nachricht geschickt. Er war echt gut vernetzt. Ich atmete noch mal durch. Dann stand ich auf und ging in den Vorraum. Mein Team folgte mir. Und so warteten wir auf unseren hohen Besuch. Der erste, der durch die Tür kam, war Tommy. Gefolgt von Lukas, Markus, Rafi und zum Schluss Stevie. Dann fiel die Tür zu. Ich spürte die Enttäuschung. Sam hatte wohl nur ihr Team geschickt. Aber was habe ich auch erwartet. Die Jungs kamen vor mir zum stehen. Keiner von ihnen verzog eine Miene. Tommy trat als erstes einen Schritt auf mich zu. Ich streckte ihm die Hand entgegen. Er nahm meine Hand,fing an zu grinsen und zog mich in eine Umarmung. "So kommst du uns nicht davon, du treulose Tomate." sagte er und drückte mich fast zu Tode. Die anderen folgten seinem Beispiel und umarmten mich herzlich. Ich musste mich zusammen reißen um nicht vor Rührung zu weinen. Immer wieder sah ich zur Tür. Ich beantwortete die vielen Fragen, die auf mich einprasselten und stellte die Teams aneinander vor. Plötzlich hörte ich, wie die Tür aufging und bevor ich sie sah, spürte ich ihre Anwesenheit. Ich sah zur Tür. Und da stand sie. Und raubte mir den Atem. Verdammt, Dani. Atmen. Sie sah mich und kam auf mich zu. Sie fixierte mich mit ihrem Blick. Kurz vor mir blieb sie stehen. Dann nahm sie mich in den Arm und gab mir einen Kuss auf die Stirn. Das ganze dauerte nur Sekunden. Ich hörte, wie Julia scharf die Luft ein zog. Das wird bestimmt noch ein Nachspiel haben. Aber das war mir gerade egal. Ich war damit beschäftigt, meine Gefühle zu sortieren. Nachdem Sam mich losgelassen hatte, widmete sie sich meinem Team. "Ich bin Samantha Karsten. Aber nennt mich bitte Sam." Sie ging zu jedem einzelnen hin und gab ihnen die Hand. Als sie bei Julia ankam, wurde es interessant. Ich machte mich bereit, einzugreifen. "Ich bin Julia. Danis Verlobte." stellte Julia sich vor. Ich konnte die unterschwellige Warnung in ihrer Stimme wahrnehmen. Sam beeindruckte das nicht. Sie sah sie mit einem neutralen Gesichtsausdruck an. Sie zeigte keine Regung. "Freut mich Sie kennenzulernen, Julia."
Dann drehte sie sich um und stellte sich neben ihr Team. Sie wusste es, schoss es mir durch den Kopf. Sie wusste, dass ich verlobt bin und ist trotzdem hergekommen um mir zu helfen. Denke, dass ist der Beweis,  das sie über mich hinweg ist. Bei dem Gedanken zog sich schmerzhaft mein Herz zusammen. Es tat weh. Aber das war es doch, was ich wollte... oder etwa nicht? Ich war verwirrt. Ich musste meine Gefühle in den Griff bekommen. Es war vorbei. Und zwar, weil ich gegangen bin. Also ist Selbstmitleid unangebracht. Ich räusperte mich. "Lasst uns in den Besprechungsraum gehen und über den Auftrag reden." Sam nickte und ich ging vor Richtung Besprechungsraum.

Versprich Mir, Dich Nicht Aufzugeben (Teil 2) Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt