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Sam

Ich spazierte ein wenig durch die Straßen. Ich musste nachdenken. Irgendwas stimmt mit dieser Julia nicht. Ihr ganzer Wutausbruch wirkte nicht echt. Es war merkwürdig. Sie schrie, sie griff mich verbal an und wirkte trotzdem kontrolliert. Als hätte sie eine Rolle gespielt. Es fehlten die Gefühle, die so ein Ausbruch begleiten sollten. Ich nahm mein Handy und rief unseren Teampsychologen an. "Hallo Sam, ist irgendwas passiert?" Ich musste bei der Begrüßung schmunzeln. "Nein, Doc... alles in Ordnung... ich habe nur deine sexy Telefonstimme vermisst." Ich hörte ihn am anderen Ende lachen. "Ok, Sam... was willst du?" fragte er und ich konnte ein schmunzeln in seiner Stimme hören.
"Ich brauche dich für ein Brainstorming." antwortete ich. "Ich erzähl dir, was mir an einer Person aufgefallen ist und dann brauche ich deine fachliche Meinung." "Kenne ich die Person?" "Nein." "Ok... dann leg los." Ich erzählte ihm alles, was ich beobachtet habe. Geduldig hörte er zu. Ab und zu stellte er Zwischenfragen und dadurch wurde das Bild immer klarer. Als ich fertig war, kam von ihm nur ein "Hmm..."
Er räusperte sich kurz. "Ok, Sam... ich kann natürlich keine 100% Diagnose stellen, ohne die Person gesehen umd mit ihr gesprochen zu haben. Aber von deinen Beobachtungen ausgehend, würde ich sagen, das die Person auf jeden Fall soziopatische Tendenzen aufweist. Wenn nicht sogar Psychopatische... und bevor du fragst, das erste ist angerlernt, das zweite angeboren. Aber beides kann sehr gefährlich sein, je nachdem wie ausgeprägt es ist. Also... wenn die Person es auf dich abgesehen hat, solltest du sehr vorsichtig sein. Und falls dir noch was auffällt, sag mir Bescheid. Je mehr ich weiß, desto zuverlässiger ist das Profil." "Ok, Doc... ich werd mich melden." Dann legte ich auf. Ich sah mich kurz um und stellte fest, dass ich fast meinen Ausgangspunkt wieder erreicht hatte. Ich wollte gerade über die Strasse, als ich im Augenwinkel sah, dass ein Auto auf mich zu raste. In letzter Sekunde konnte ich mich mit einem Sprung in Sicherheit bringen. Landete aber sehr ungünstig und schlug mit dem Kopf irgendwo gegen. Kurz wurde mir schwarz vor Augen. Ich konnte mich aber bei Bewusstsein halten. Um mich herum hörte ich Stimmen. Ein paar Leute waren zu mir gerannt um nach mir zu sehen. Irgendeiner rief: "wir brauchen einen Krankenwagen!" "Nein... sagte ich und stand auf. "Mir geht's gut." "Sie bluten." sagte eine Frau neben mir. Ich ignorierte sie.
"Hat jemand gesehen, was passiert ist? Den Fahrer gesehen? Sich das Kennzeichen gemerkt?" fragte ich. "Es war ein schwarzer Audi A3. Mit einheimischen Kennzeichen. Aber ich konnte mir das nicht merken. Es ging einfach alles zu schnell." antwortete ein junger Mann. Ich nickte. Bereute es aber sofort wieder. Himmel... ich glaube mein Kopf explodiert. Ich schloss kurz die Augen. Dann wendete ich mich an den jungen Mann. Ich nahm kurz seine Personalien auf. Befragte noch die anderen Anwesenden und verteilte meine Visitenkarten, falls noch jemandem etwas einfallen würde. Ein ältere Herr sah mich nachdenklich an. "Etwas ist merkwürdig. Der Fahrer machte keine Anstalten zu bremsen. So als wollte er Sie überfahren." Mir wurde kurz schlecht. Ich verdrängte die aufkommende Übelkeit aber sofort. Stattdessen bedankte ich mich bei allen und ging zurück ins Büro. Lukas sah mich als erstes. "Sam! Verdammt... was ist passiert?" Rief er durch den ganzen Raum und kam auf mich zu. Alle redeten gleichzeitig auf mich ein. Ich bekam kaum mit, dass mich jemand an die Hand nahm und mich hinter sich her zog. Ich wurde auf eine kleine Couch gedrückt. "Sitzen bleiben." knurrte Dani mich an. "Ich bin gleich wieder da." Dann verließ sie ihr Büro. Ich schloss meine Augen. Wie gerne würde ich jetzt schlafen. Aber da kam Dani schon wieder zurück, mit einem Erste Hilfe Koffer. Sie hockte sich vor mich hin und betrachtete meine Wunde an der Stirn. "Das ist nix... nur ein Kratzer... " fing ich an. "Halt die Klappe, Sam." fauchte sie mich an und fing an meine Wunde zu versorgen. Ich konnte nicht anders, als sie dabei zu beobachten. Sie sah so süss aus, während sie konzentriert meine Wunde versorgte. Einmal zischte ich kurz auf. Offene Wunde und Desinfektionsmittel sind keine angenehme Kombination. "Sorry..." murmelte Dani. Kurz sah sie mir in die Augen. Widmete sich aber dann wieder dem Kratzer auf meiner Stirn.
Als sie fertig war, begutachtete sie noch mal kurz ihr Werk. "Bin ich jetzt für den Rest meines Lebens entstellt?" fragte ich sie mit einem frechen Grinsen im Gesicht. "Ja." war ihre Antwort. Mein Gesichtsausdruck musste mir entgleist sein, denn Dani fing an zu lachen. "Seit wann bist du so eitel?" "War ich schon immer. Von nix kommt nix." antwortete ich mit einem Schulterzucken. "Ahja..." sagte sie nur und setzte sich neben mich. "Erzählst du mir, was passiert ist?" "Ich wollte die Strasse überqueren, ein schwarzer Audi A3 hat mich wohl übersehen, ich konnte noch aus dem Weg springen, das wars..." So ungefähr, dachte ich. Dani wurde blass. Ich sah sie an. "Stimmt was nicht?" fragte ich sie. "Julia fährt so einen Wagen." Überraschung. Ich ließ mir nichts anmerken, weil ich diesen Verdacht schon hatte. "Ist bestimmt nur ein Zufall." versuchte ich sie zu beruhigen. Dani sprang auf. "Klar... Zufall... kurz nachdem ich die Verlobung gelöst habe, wirst du fast von einem Wagen überfahren, der auf Julias passt." Wütend lief sie auf und ab. "Du hast was?" fragte ich. Ich war mir nicht sicher, ob ich wirklich richtig gehört habe, oder ob ich mir den Kopf doch zu hart angeschlagen hatte und jetzt Stimmen höre. Dani blieb stehen und sah mich ernst an. "Ich habe die Verlobung gelöst." Ich stand auf, ging zu ihr und nahm ihre Hand, an der vor kurzem noch ein Ring war. Leicht strich ich über die jetzt nackte Stelle. Dann ließ ich sie wieder los. Ich legte meine Hand an ihre Wange und sah ihr tief in die Augen. "Mach dir keine Sorgen. Ich kann auf mich aufpassen." sagte ich. Sie legte ihre Hand auf meine. "Versprichst du mir, dass dir nichts passiert?" fragte sie mich mit zittriger Stimme. Ich lächelte. "Ja... mir wird nichts passieren." Ich gab ihr noch einen Kuss auf die Stirn und wollte mich von ihr lösen, als Dani ihre Hand in meinen Nacken legte und mich näher an sich heran zog. Ich spürte schon ihren Atem auf meinen Lippen. Ich schloss die Augen und wollte die letzten Zentimeter überwinden. Da klopfte es an der Tür. Dani stieß einen Seufzer aus und trat einen Schritt zurück. Wer auch immer gerade geklopft hat, er spielt mit seinem Leben. Ich setzte mich wieder aufs Sofa. "Ja!" Auch Dani wirkte gerade so, als wollte sie dem Störenfried den Kopf abreißen. Ich grinste und als sie noch mal kurz in meine Richtung sah, zwinkerte ich ihr zu und zauberte eine leichte Röte in ihr Gesicht. Wie ich das vermisst habe.

Versprich Mir, Dich Nicht Aufzugeben (Teil 2) Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt