Kapitel 130 - Ein Rätsel? - Teil 1

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„Hah...", seufzte Alucard. „Du hast es sofort bemerkt, was?"

„Na ja, immerhin haben wir hier wohl gerade einen Großteil eines Weißgold-Sets gefunden", sagte Bahe schmunzelnd und zuckte mit den Schultern. „Und du bleibst nahezu teilnahmslos. Das du die ganze Zeit auf die Spektralmäntel starrst, hilft auch nicht gerade, wenn deine Gedanken ein Geheimnis bleiben sollten."

Alucard blinzelte kurz verblüfft und schüttelte dann gequält lächelnd den Kopf. „Das es so offensichtlich war... Scheinbar habe ich mich für einen Moment vergessen."

„Also?", hakte Bahe weiter nach.

„Die Spektralmäntel sind die erste Spur, seitdem ich den Tipp von der Schattenwanderergilde bezüglich deines Schlüssels bekommen habe", antwortete Alucard.

„Nichts für ungut, Alucard, aber ich kann dir überhaupt nicht folgen", warf Feiying ein.

„Jep, Boss", meinte auch Stallion. „Sprich mal Klartext."

„Er will in die Unterwelt oder vielleicht sogar ins Reich der Toten?", äußerte Bahe seine Vermutung.

„He...", grinste Alucard und fragte. „Hast du es dir nur anhand der Fähigkeiten der Spektralmäntel zusammengereimt?"

„Na ja... die sind vielleicht der deutlichste Hinweis... Es liegt eher an den vielen kleinen Details, wie zum Beispiel die Tatsache, dass du den Weg zu einem Ort suchst, der bislang noch nicht erreichbar ist", erläuterte Bahe. „Außerdem ist da noch dieses Dungeon an sich und der Buff von der Monsterameisenkönigin."

„Das schnalle ich nicht", mischte sich Stallion ein. „Was hat der Buff mit der Unterwelt zu tun?"

„Die hundert Punkte Willenskraft haben mich stutzig gemacht", erklärte Bahe. „Ich meine Widerstandskraft und physische Konstitution schön und gut, die stärken deine Verteidigung und so weiter, aber wieso Willenskraft? Und vor allem so viel? Wenn mir eins bisher aufgefallen ist, dann die Tatsache, dass die sekundären Charakterattribute viel schwerer zu verbessern sind, als die rein körperlichen wie Kraft oder Co."

„Wenn wir also schon so einen enormen Buff bekommen", führte Bahe weiter aus. „Dann müssen die hundert Punkte in Willenskraft auch einen guten Grund haben. Was kann uns trotz enormer HP-Zahlen und starker körperlicher Verteidigung immer noch gefährlich werden?"

„Angriffe auf den Geist und die Seele...", sagte Feiying und nickte verstehend.

„Genau", stimmte Bahe seinem Freund zu. „Und welche Kreaturen verbindet man wohl am ehesten mit solchen Fähigkeiten?"

„Geister, untote Zauberer wie Lichs und Dämonen...", echote Stallion Unheil ahnend und blickte sich instinktiv in der Dunkelheit um.

„Und dann überlegt doch mal, wie wurde dieses Dungeon betitelt? Die letzte Ruhestätte der Grenzbewahrer", erklärte Bahe und betonte besonders das letzte Wort. „In der Nachricht der Grenzbewahrer am Anfang des Dungeon wurde von mehreren Ebenen gesprochen, wo kann es mehrere Ebenen geben, wenn nicht unter der Erde? Und welche Grenze wird bewahrt, dass der Schwierigkeitsgrad bis hin zu S reichen wird? Alles zusammen deutet halt einfach sehr in eine ganz bestimmte Richtung..."

„Untote...", murmelte Stallion resigniert. „Leute, ich bin dafür, dass wir uns ganz schnell vom Acker machen..."

„Bist du dir da sicher?", fragte Feiying belustigt.

„Hä? Wieso?", fragte Stallion verwirrt.

„Weil ich genau da hin will", antwortete Alucard an Feiyings Stelle und verschränkte seine Arme vor der Brust. „Und du wolltest doch weiterhin von mir bezahlt werden oder?"

„Ähm... ich... äh...", gab Stallion kalt erwischt von sich.

Bahe, Feiying und Alucard sahen sich kurz an und lachten laut los.

„Das man Stallion mal sprachlos sieht", konnte Bahe sich einen Kommentar nicht verkneifen.

„Sehr witzig...", murrte Stallion, schien insgeheim aber froh zu sein, dass sein Boss das Thema Bezahlung gerade nicht weiterverfolgte.

„Aber mal im Ernst, Alucard", begann Feiying. „Wir haben jetzt so lange zusammen gearbeitet, ist es nicht langsam mal an der Zeit, dass du uns verrätst, was du so dringend in der Unterwelt willst?"

Bahe beobachtete Alucard aufmerksam, als Feiying das Geheimnis ihres Mitstreiters ansprach. Es war offensichtlich, dass er mit sich rang, ehe er schlussendlich sagte: „Ich denke drüber nach. Lasst uns jetzt erst mal weitermachen."

Feiying zuckte nur die Schultern und fragte: „Wollen wir dann noch mehr Teile aus dem Chitinpanzer der Monsterameisenkönigin herausbrechen?"

„Ich bin dabei!", sagte Stallion sofort begeistert, nun da es wieder um Geld ging.

„Solange wir das ganze Zeug auch schleppen können", sagte Bahe, der nichts dagegen hatte.

„Ist gut", nickte auch Alucard, ehe sie sich zusammen daran machten weitere Platten aus der Chitinpanzerung der Monsterameise herauszuarbeiten.

Eine halbe Stunde später machten sie sich mit ihrer Beute auf den Weg zum hinteren Teil der Höhle. Ihre Spielzeit wurde allmählich knapp und sie alle wollten noch wissen, was sich im Bereich hinter der früheren Barriere der Monsterameisenkönigin wohl verbarg. Alucard hatte in früheren Kämpfen schon mal versucht in den Gang vorzudringen, aber die Ameisenkönigin hatte ihm jedes Mal den Weg abgeschnitten.

Insofern hofften sie, dass sich hier vielleicht noch ein finaler Schatz befand.

„Boar, sind diese Dinger auf Dauer schwer", regte Stallion sich auf, als sie am gigantischen Steintor ankamen und ließ die Chitinpanzerbruchstücke zu Boden fallen. Das Aufeinanderprallen der Chitinplatten hallte unnatürlich laut die Höhle, so dass sie sich alle instinktiv duckten und ihre Umgebung überprüften.

„Wie wäre es, wenn du etwas leiser bist?", zischte Alucard wenig später.

„Sorry...", murmelte Stallion tatsächlich mit schlechten Gewissen, der sich seiner Rolle ausnahmsweise einmal bewusst war.

Feiying ging als einziger richtiger Nahkämpfer mit seiner Streitaxt voraus und Bahe folgte ihm mit seinem magischen Bogen, um ihm gegebenenfalls Rückendeckung geben zu können. Zweihundert Mana vibrierten bereits pulsierend im Schaft des Bogens, genug um Schaden anrichten zu können, aber ohne ihn zu sehr in seiner Konzentration einzuschränken.

Alucard lief zu Bahes Linken, um ihre Flanken abzusichern und Stallion bildete als Packesel das Schlusslicht. Da er über keinen einzigen Pfeil mehr verfügte, hatte er die Rolle nur zu gern angenommen. Neben den Chitinbruchstücken trug er für den Notfall auch noch den nicht bestimmbaren Speer von Gigantos Schwarm mit sich, aber wie sie alle wussten, war das Artefakt ohne eine erfolgreiche Identifizierung nicht mehr als ein recht robuster Speer des Ranges Gewöhnlich. Dafür hatte Bahe es extra im Vorfeld organisiert, dass sich Balu und seine Elementare immer ganz hinten orientierten. Auch wenn Balu zurzeit recht träge war, weil er sich am Kadaver der Monsterameisenkönigin satt gefressen hatte.

Insgeheim hofften sie alle, dass sich vor ihnen keine neuen Schwierigkeiten ergaben.

Schritt für Schritt pirschten sie sich voran, stets darauf bedacht so wenig Geräusche wie möglich zu machen. Auch wenn sie sich nicht sicher waren, ob es nach Stallions Aussetzer von gerade eben überhaupt noch etwas brachte.



Teil 1/1!

RiBBoN

Die Legende vom Elementflüsterer - Band 3Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt