Die Nacht war kurz gewesen, aber das störte mich nicht. Ich wollte etwas von Nantes sehen, auch wenn die Zeit natürlich nicht ausreichte, da es abends zurück nach Kerlouan ging, dennoch wollte ich es auskosten und mir zumindest einen Teil der Stadt ansehen. Mit Valerié rechnete ich nicht, da sie mir gegen fünf Uhr morgens eine Nachricht geschickt hatte, das sie auf ihrem Zimmer war und ich mir keine Sorgen zu machen brauchte. Demnach fiel auch mein Frühstuck kurz und bündig aus, schmierte mir nur schnell zwei Croissants mit Butter und Marmelade für unterwegs und trank schnell einen Milchkaffee bevor ich mich schon Richtung Innenstadt aufmachte.
Zuerst führte mich mein Weg zum Schloss.
Das Schloss der Herzöge der Bretagne (Château des Ducs de Bretagne in Frankreich) ist immer noch das wichtigste historische Denkmal Nantes und eine der wichtigsten touristischen Attraktionen. Diese Festung lag im historischen Zentrum der Stadt und war mit einer Standtmauer aus dem 15. Jahrhundert und mehreren Gebäuden aus dem 14. bis 18. Jahrhundert ausgestattet. Seit 1862 unter Denkmalschutz stehend, wurden die Gebäude während der deutschen Besatzung während des Zweiten Weltkriegs als herzogliche Residenzen, Sitze der Gouverneure oder Kasernen und sogar als Bunker genutzt. Das Schloss ging 1915 in den Besitz der Stadt Nantes über, und nach fünfzehn Jahren Restaurierung ist es heute ein Muss in der Stadt. Dazu diese einmalige Architektur... ich war wie verzaubert und hätte noch Stunden hier verbringen können, aber ich wollte mehr sehen...Ein weiteres historisches Denkmal von Nantes war Die Kathedrale von St. Peter und St. Paul von Nantes.
Der Bau des Doms dauerte mehr als 500 Jahre und sie ist ungefähr so groß wie die Kathedrale Notre-Dame in Paris. Die weiße Steinfassade war von 2 massiven Türmen umgeben, mit Terrassen, von denen man einen Blick über die Stadt hatte. Innen konnte man das Grab von Franz II., dem letzten Herzog der Bretagne besuchen, sowie die Krypten: eine romanische Krypta, die die Schätze des Doms beherbergte, und eine weitere mit einer Ausstellung, die seine Geschichte nachzeichnete. Ein weiteres Merkmal des Doms ist die große Pfeifenorgel. Allerdings wollte ich mir dieses Bauwerk zum krönenden Abschluss ansehen, bevor es für mich hieß, nach Hause zu fahren, somit entschied ich mich erst, den Im Herzen von Nantes, nur wenige hundert Meter vom Château des Ducs de Bretagne und der Kathedrale entfernten Jardin des Plantes zu besuchen.
Mit fast 7 Hektar Grün gehörte dieser große botanische Garten zu den 4 größten Frankreichs. Von Frühjahr bis in den Spätherbst konnte man hier bis zu 50.000 Blumen bewundern,, die zu jeder Jahreszeit gepflanzt wurden, oder durch die 800 Quadratmeter Gewächshäuser spazieren, wo immer alles blühte. Im Anschluss besuchte ich die Insel Versailles („L'île de Versailles"). Auf einer Fläche von 1,7 Hektar wurde die ehemals von Gerbern und Schreinern bewohnte künstliche Insel in einen japanischen Garten verwandelt.Die Felsenformen, Wasserfälle und Vegetation erzeugten die typische Zen-Atmosphäre japanischer Landschaften. Im Herzen der Insel entdeckte ich sogar ein traditionelles Teehaus, das „Maison de l'Erdre", in dem Ausstellungen über die Fauna und Flora des Flusses stattfanden.Inzwischen war es schon früher Nachmittag, und so holte ich mir schnell einen Coffee to Go und schlenderte durch die schmalen Gassen zurück zum Dom, den ich noch besichtigen wollte. Zudem hatte sich Valerié gemeldet und wir wollten noch gemeinsam was Essen vor der Rückfahrt, also musste ich mich leider etwas sputen. Auf dem Platz vor dem Dom herrschte wieder ein reges Treiben. Sofort sah ich wieder den alten VW Bus von Tag zuvor, sowie die Mönche und die jungen Männer, die ihr Musikequipment wieder auf die aufgebaute Bühne hieften und alles verkabelten. Zu gern hätte ich später das Konzert in Ruhe besucht, allerdings blieb mir wohl kaum die Zeit dazu... und so betrat ich endlich den Dom.
Erfürchtig stand ich im Eingang der Kathedrale und lies meinen Blick schweifen. Ich liebte Kirchen, Dome, sowie Kathedralen seit meiner Kindheit an. Vielleicht war das auch ein Grund gewesen, warum ich Architektur schließlich studierte. Ich wahr regelrecht fasziniert von den alten Bauweisen, das ich nicht bemerkte, wie plötzlich jemand neben mir stand, während ich hoch zur Decke sah....
„Die Kathedrale von Nantes gehört nicht zu den bekanntesten ihrer Bauart in Frankreich, wusstest du das?", erschrocken fuhr ich zusammen und starrte neben mich, woher ich die Stimme wahrgenommen hatte. „Dies hängt zum einen damit zusammen, dass sie deutlich außerhalb des klassischen Kathedralen-Gebietes liegt (Île de France, Picardie, Champagne), und zum zweiten daran, dass sie in einer Zeit entstanden ist, welche auch innerhalb der Kunstgeschichte wenig beachtet wird, der französischen Spätgotik, dem Flamboyant-Stil." „Hast du Wikipedia auswendig gelern?!", was besseres fuel mir nicht ein, und ich starrte ihn weiter ungläubig an, während er jedoch unbeirrt weiter sprach. „Dennoch ist das Bauwerk in mehrerer Hinsicht beachtenswert und zählt zu den besten Werken dieser Zeit. Die Kathedrale von Nantes besitzt das nach den Kathedralen von Amiens, Beauvais und Metz höchste Gewölbe in Frankreich." Ich war im falschen Film... woher wusste er das so genau? War er hiesiger Fremdenführer? Machte er das beruflich? War er vielleicht selber Architekt oder hatte architektonische Bauweise studiert? Und warum erzählte er mir das alles? „Wie heißt du, wenn ich fragen darf?", fragte er ganz unverblümt und lächelte mich an. Was war mit dem unscheinbaren, in sich gekehrten und schüchternen jungen Mann von gestern passiert, das er mich so unerschrocken und unverblümt ansprach, fragte ich mich. „Hat's dir die Sprache verschlagen? Ich mein, imposant ist die Kathedrale alle mal, da gebe ich dir recht!" „Ähm nein... aber... kennen wir uns, das du mich hier einfach so anquatschst? Dazu noch auf Deutsch... wie kommst du darauf?" „Patrick... ich heiße Patrick... nein, wirklich kennen tun wir uns nicht... aber du warst gestern beim Konzert, und später hast du mich angerempelt... und eben... ich hab dich gesehen, wie du in die Kathedrale gegangen bist, ich dachte, das muss Schicksal sein... und zu deiner Frage, warum Deutsch und nicht französisch?! Du hast einen deutschen Reiseführer in der Hand... da war es naheliegend. Wir können uns aber auch auf Französisch oder Englisch unterhalten, wenn du magst. Alternativ kann ich dir noch Spanisch und Holländisch anbieten..." „Wieviele Sprachen sprichst du?!" „Das verrate ich dir, wenn du mir endlich deinen Namen verrätst..." „Du bist ein komischer Kauz!" „Mag sein... manchmal... verrätst du mir ihn dennoch?" Ich gab mich geschlagen, den ein strahlte eine unnatürliche Sympathie auf mich aus, das ich gar nicht anders konnte. „Anique..." „Wow... das ist ein schöner Name... noch nie gehört... kommt er aus Frankreich?" „Eher aus den Niederlanden... mijn vader is nederlands. Hij studeerde in Duitsland en ontmoette toen mijn moeder ...", ich wollte wissen, ob er mich tatsächlich verstand. „Dus je moeder is Duits ... Ik heb een paar jaar in Amsterdam gewoond met mijn broers en zussen en mijn Paoa ..." Erstaunt sah ich ihn an. „Damit haste wohl nicht gerechnet... aber nicht schlimm... magst du noch was über die Kathedrale wissen?" Ich konnte nur nicken und folgte ihm durch den Dom. „Formal greift die Architektur der Kathedrale Makroformen der klassischen Gotik der Île de France auf, führt sie aber in Formen der Spätgotik aus. Die stark profilierten Dienste gehen nahtlos, in die sehr tiefen Gewölberippen über, siehst du? Hier kannst du das erkennen... und an den mehrfach geschwungenen Sockeln münden sie in ein komplexes System von einzelnen und hierarchisch gegliederten Basen.Was aber erstaunlich ist, ist das die in der Nachgotik ( ca. 16. und 17. Jahrhundert) entstandenen Teile ordnen sich der gotischen Makrostruktur unter, sich ihr anordnen und genau anpassen, dies sieht man insbesondere an den Südfassaden-Fenstern, komm ich Zeugs dir!", schon zog er mich hinter sich her und deutete auf das große unübersehbare Fenster. „Insgesamt ist der gewaltige Innenraum der Kathedrale ein sehr gutes Ensemble spät- und nachgotischer Architektur in Frankreich, insbesondere seit der ambitionierten Vollendung im 19. Jahrhundert und der grundlegenden Restaurierung in den siebziger und achtziger Jahren, die den Raum groß, harmonisch proportioniert und licht erscheinen lässt. Die Kathedrale von Nantes mit ihrer Baugeschichte relativiert außerdem die gängige Unterscheidung zwischen richtiger Gotik und falscher Neugotik." „Hast du das auswendig gelernt oder woher weißt du das alles?!" „Sorry... ich Quatsch dich mit dem Kram voll... ist bestimmt langweilig für dich, oder? Ich dachte..." „Nein Patrick... auf gar keinen Fall. Ich bin eher positiv überrascht. Ich kenne sonst kaum jemanden, der sich für die Architektur von Kirchen und Kathedralen interessiert... ich dachte schon als kleines Kind, ich bin ein Alien, da ich immer so fasziniert von den Bauten war..." „Really?! Ich liebe es auch... und in Verbindung mit meinem Glauben... Anique... darf ich dir noch was ganz spezielles zeigen?" Ich folgte Patrick nach draußen. „Schau mal... Außergewöhnlich an der Fassade ist die Außenkanzel, die zur Predigt zu einer auf dem Vorplatz versammelten Menge angebracht wurde. Heute Abend... da darf ich dort das Konzert eröffnen... kommst du auch?" „Es tut mir leid... so gern ich würde... ich muss heut Abend wieder zurück... eigentlich bin ich jetzt schon zu spät... ich wollte mit meiner Freundin noch was essen gehen und anschließend geht es heim..." Patrick senkte seinem Blick und ich spürte deutlich, das er wohl enttäuscht war. „Na dann... gute Heimfahrt.", er vergrub seine Hände plötzlich tief in seinen Hosentaschen, drehte sich weg und marschierte geradewegs zurück zur Bühne.
Sichtlich irritiert sah ich ihn nach. Auch wenn ich keinerlei Interesse pflegte, irgendetwas hatte Patrick an sich, was mich faszinierte. Vielleicht lag es an dem außergewöhnlichen Interesse, was wir beide pflegten... der Liebe zur Architektur, die anscheinend bei ihm genauso präsent wahr, wie bei mir... aber es half ja nichts... ich musste weiter. Valerié wartete auf mich, und Hunger hatte ich auch.
Ich schaute nochmal in seine Richtung, und prompt trafen sich unsere Blicke. Ich versuchte mich an einem Lächeln, doch traurig senkte er seinen Blick und verschwand hinter der Bühne.
Was hatte er erwartet? Das ich ihm direkt um den Hals falle? Mit Nichten...zumal unterschiedlicher vom Typ her, hätten wir nicht seien können... er eher speziell... altmodisch... etwas nerdi und ich? Ein mix aus trendy, sportlich schick...
„Anique! Da bist du ja... du, ich hab da vorne ein kleines Thai Restaurant entdeckt.., Lust?" „Klar, warum nicht?!", ich hackte mich bei meiner Freundin ein und schaute dennoch nochmal kurz zurück.
„Annniiiquuueee!" „Bitte was?!" „Wo bist du denn mit deinen Gedanken?" „Ich... ja... also..." „Sollen wir uns eine gemischte Platte gemeinsam bestellen? Und eine Karaffe Wasser?" „Ja... ok..." „Anique? Wirklich alles in Ordnung?" „Ja natürlich, was sollte denn nicht in Ordnung sein?!" „Ja das frag ich dich. Du bist Abwesend... auch schon auf dem Weg hier her... du hast dich immer wieder umgesehen..." „Mach dir keine Sorgen. Es ist wirklich nichts... aber... konnten wir vielleicht nach dem Essen uns doch noch das Konzert ansehen? Ich weiß, wir wollten nach dem Essen fahren, damit es nicht so spät wird..." „Warum willst du dir unbedingt das blöde Konzert ansehen? Ich mein, ich könnte es ja verstehen, wenn dort ein paar sexy Typen auftreten würden, oder richtige Stars, wie die Backstreet Boys... aber doch nicht so kirchliche Trottel..." „Valerié! Jetzt übertreibst du! Ich fand die Musik gestern echt nicht schlecht... und..." „Und was? Du druckst die ganze Zeit schon so rum... steckt da vielleicht was ganz anderes hinter?..... dein Blick sagt doch schon alles! Wer ist er? Wie heißt er? Wie sieht er aus? Komm schon! Und wo hast du ihn kennengelernt?!" „Wenn ich dir das sage... können wir dann zum Konzert?" „Ja! Ich muss doch sehen, ob er was fur dich ist!" „Vorab... es geht überhaupt nicht in die Richtung, wohin gerade deine Gedanken wandern... und viel kann ich dir auch nicht sagen... Er heißt Patrick... scheint in unserem Alter zu sein und ist eher unscheinbar... kennengelernt ist etwas übertrieben... gestern als ich zurück zum Hotel bin, hab ich aus Versehen fast umgerannt... mehr als ein Blick war da nicht uns vorhin stand er im Dom plötzlich neben mir und erzählte einfach drauf los... von der Architektur etc... so als ob er ein wandelndes Lexikon wäre... naja und er hat nachher einen Auftritt... Patrick hat mich gefragt, ob ich komme... es scheint gut ihn heut was besonderes zu sein. Ich hab abgelehnt... mit der Begründung, das wir heim fahren..." „Aber jetzt willst du doch hin..." „Schon... ja irgendwie...er war traurig, vielleicht eher enttäuscht, als ich sagte, ich kann nicht und ist gegangen... und obwohl ich ihn nicht kenne, tat es mir sofort leid... sein Blick sagte soviel..." „Dann lass uns hin! Die eine Stunde... aber du fährst dafür zurück! Die letzte Nacht war schon kurz!" „Alkes klar! Und danke..."Als wir vom Essen kamen war der Platz vor dem Dom und der Bühne wieder genauso gefüllt wie am Tag zuvor. Noch hatte das Konzert nicht begonnen und Valerié versuchte uns irgendwie durch die Menschenmassen nach vorne an die Bühne zu befôrdern. „Lass... es ist zu voll..." „Anique, aber hinten sieht Patrick dich nicht!" „Stimmt schon, aber wenn wir uns seitlich stellen, von hier..." „Wie will er das denn schaffen? Seit wann kann man um die Ecke sehen?!" „Ganz einfach... weil er von dort oben beginnt!", dabei deutete ich auf die außen gelegene Kanzel am Dom.
Die ersten Akkorde erklangen und erwartungsvoll sah ich hinauf zur Kanzel. Und da war er... erfurchtig blickte er herunter auf die Menschen, bevor er sofort begann sie zu begrüßen und zu singen. „Hast du was zu schreiben? Stift Zettel?" „Ja warum... irgendwo..." „Ja jetzt mach schon..." „Was hast du vor?" „Patrick deine Nummer geben, oder wie willst du sonst mit ihm in Kontakt treten?! Das Konzert geht bis Mitternacht... du hattest dich nicht vor bis zum Ende hier zu warten oder?.... Doch hattest du! Puhhh sei nicht sauer... ne das ist mir zu lang! Ich schreib jetzt deine Nummer auf, und wenn er von da oben runter kommt, drückst du ihm den Zettel in die Hand!" „Und wer fragt mich, ob ich das überhaupt will?!" „Dann sag mir, warum du sonst hier hin wolltest, wenn nicht wegen Patrick?!" „Ich weiß es nicht... er ist anders..."„Wie bin ich denn?!" Plötzlich stand er so einfach zwischen Valerié und mir und lächelte mich an. „Ich freu mich, das du doch gekommen bist... wenn du mitkommst, könnt ihr euch seitlich der Bühne hinstellen..." „Ähmmm danke nein... wir wollten gerade fahren! Viel Spaß noch!" „Valerié? Was soll das denn? Gib mir mal den Zettel!... hier... wir müssen leider los... aber wenn du magst... kannst dich ja melden... bis bald..." Ich konnte Patrick nur noch ein Lächeln schenken, was er aber genauso erwiderte und dann auf den Zettel mit meiner Nummer blickte und noch mehr strahlte, als mich Valerié schon hinter sich her zog und wir in der Menge verschwanden.
„Valerié... was sollte das denn gerade?!" „Anique ernsthaft? Hast du dir den Typen mal angeschaut?! Ist das dein Beuteschema? Mit allem Respekt, aber von Dir hätte ich weiß Gott mehr Geschmack erwartet...!" „Warum? Weil er kein Aufreißer ist? Kein Latino? Weil er Architektur vorzieht und auf christliche Musik steht?! Steig ein! Ich fahr!"
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Dämonen der Vergangenheit
FanfictionEinen Fehler durch eine Lüge zu ersetzen heißt, ein Loch mit einem Flecken zu überdecken. Diese Weisheit stammt zwar nicht von mir, denn meine Fehler hatte ich selbst gemacht.... Vor allem den einen... Wenn ich eines gelernt hatte, dann das... Verg...