Dämonen der Vergangenheit

27.

Ich war müde, kaputt, erschöpft, aber schlafen konnte ich trotzdem nicht. Ich wälzte mich nur von der einen auf die andere Seite, hatte unruhige Beine, zudem klingelte unten in einer Tour mein Handy, sodass ich genervt aufgab. Gähnend watschelte ich regelrecht die Treppen runter, erstmal Richtung Küche um mir eine Kanne Kaffee zu kochen. Mein Plan war, wenn ich eh schon nicht schlafen konnte, dann könnte ich auch arbeiten.
Während die Kaffeemaschine lief, schnappte ich mir mein Handy, um mal nachzusehen, wer so penetrant dauernd anrief. Eigentlich hätte ich es mir ja denken können... Patrick...
13 verpasste Anrufe
1 Mailbox
2 WhatsApp
Alle von Patrick. Zuerst wollte ich es ignorieren, aber meine Neugier siegte dann doch, und egal war er mir ja nun auch nicht...

Mailbox
„Hey Ani... it's me... I only wanted to know how you are and... ich mach mir Sorgen um dich... du kannst mit mir über alles reden, wirklich... and if you are still pissed, I've gone... auch das verstehe ich... Call me back... please..."

Danach öffnete ich seine WhatsApp Nachrichten...

Liebe Ani,
Ich war gerade bei dir, also bei deiner Schwester... aber du warst nicht da, und wo du bist, wollte sie mir auch nicht sagen... ich wollte kurz mit dir reden, und das persönlich... falls ich gestern irgendwas gesagt oder getan hab, was dich verletzt hat, dann tut es mir von Herzen leid. Oder falls ich alte Wunden geöffnet habe, dann auch das.
Ich wollte dir auch sagen, wie wunderschön es war, dir so nahe gewesen zu sein... auch wenn das jetzt kitschig und auch etwas albern vielleicht klingt... und ich dafür mit Sicherheit in die Hölle kommen werde, aber das war... nein das ist es mir wert... As I told you... I don't regret it and hope, you see it the same way, I do...
Ich werde die kommende Woche in London sein, wegen dem Album, aber danach hab ich zwei freie Tage... ich würde dich gern sehen... kannst du das zeitlich einrichten? Du kannst zu mir nach München kommen... oder ich zu dir... wenn du mir sagst, wo ich dich finde...
Falls nicht... dann kannst du mir das auch ehrlich sagen... aber bitte flüchte nicht wieder...
Love Paddy...

Mein Herz wurde schwer... seine Nachricht traf genau mitten rein. Wenn er nur wüsste... im Grunde wollte ich ihn auch sehen, aber ich wusste auch, das uns das nicht weiter bringen würde. Ich wusste unabhängig von meinem Geheimnis was ich in mir trug, das es das Ganze nur noch mehr verkomplizieren würde. Ich hatte die Vertrautheit genauso gespürt wie er, ich hatte mich sofort wieder in seinen Armen geborgen gefühlt. Sein warmer und liebevoller Blick, der.... „Fuck fuck fuck!", schrie ich laut heraus. Patrick hatte es wieder mal innerhalb weniger Stunden geschafft, mein komplettes Leben erneut auf den Kopf zu stellen. Ich war ein Mensch, der Struktur in seinem Leben brauchte, sowie liebte... und er schaffte es in wenigen Minuten ein heilloses Chaos zu hinterlassen. Mein Blick ging zu Erics und meinem Hochzeitsbild... mein Gefühl was ich dabei empfand war ernüchternd, wie erschreckend zu gleich. Ich empfand nichts, außer das es mir leid tat, ihn verletzt zu haben... aber sonst?! Nichts... er sah gut aus... war groß, muskulös, dunkles dichtes Haar, Bart... heutzutage würde man Hipster mit Buisnesslook sagen... er war ein Teddybär vom Gemüt. War sanft und liebevoll... und ein Workaholic. Urlaube oder unternehmen zu zweit gab es schon lange nicht mehr. Die Karriere stand im Vordergrund. Natürlich war mir meine Arbeit genauso wichtig, dennoch vergaß ich mich privat nicht. Ich traf mich mit Freunden, ging ins Kino, ins Theater, was essen... und Urlaub? Alleine machte das keinen Spaß, also fuhr ich wenn zu meiner Familie nach Deutschland... gereist war ich ewig nicht mehr... zuletzt war ich mit Valerié in Spanien gewesen. Das war aber auch bereits 6 Jahre her... und während sie am Strand tagsüber lag, schaute ich mir die Sehenswürdigkeiten an... abends unternahmen wir dann immer alles zusammen. Es war ein schöner Urlaub, aber auch der letzte zusammen... Vor Ort hatte sie Mathieu kennengelernt und die beiden hatten sich verliebt... Ja... Valerié hatte sich verliebt... Mathieu kam aus Marseille, zog aber vor drei Jahren hierher. Inzwischen hatten die beiden sogar geheiratet und waren stolze Eltern meines Patenkindes Luis... und hielt mit seinen 18 Monaten seine Eltern und gelegentlich mich als seine Patentante genug auf trab... Valerié hatte ihr Glück endlich gefunden und ich gönnte es ihr von Herzen.
Plötzlich kam der Satz meiner Schwester mir in Erinnerung. „Das Leben ist zu kurz für irgendwann..." Oma und sie hatten recht...