🔸Sebastian🔸
Die Verabschiedung von Noel...war das aller schwerste...Es tat ihm genauso sehr weh wie mir, er machte sich genauso sehr Sorgen wie ich und er teilte sogar meine Angst. Ich...Ich würde ihn wahrscheinlich nie wieder sehen...Nie...Niemals wieder. Sobald ich bei Mr. Baranow in dieser Anstallt wieder wäre, hatte ich keine Ahnung über meine weitere Zukunft, alles wäre Unsicher und ich wüsste nicht, wie mein Leben weiter aussehen würde...
Noel fühlte sich in meinen Armen so warm und groß an. Er hatte wieder ein wenig an Gewicht zugelegt...nachdem er hier war und Caleb ihn durch die Hölle geschickt hatte, war er nurnoch ein dünnes Skellet gewesen, Haut und Knochen. Doch jetzt sah man seine Knochen kaum noch, seine Wangen waren wieder leicht rund und sahen unglaublich knuffig aus. Er war wahrscheinlich wieder bei deinem Normalgewicht, denn er hatte sogar mehr auf den Rippen als ich...was aber dank Caleb überhaupt nicht schwer war...
Ich war jedoch einfach nur froh, dass es zeigte, dass es Noel halbwegs gut ging und Mike schien sich wirklich gut um ihn zu kümmern.
Selbst diesen umarmte ich kurz und bedankte mich für alles. Sein Griff um mich war fest, aber bedacht, er wollte mir nicht weh tun, aber mich trotzdem fest halten. Seine Hände lagen an meiner Talie und hielten mich nahe an ihn. "Caleb hat dir einige falsche Dinge angetan...mach dir keine Sorgen...sie werden dich dort annehmen, keiner wird dich umbringen. Alles wird wieder besser werden, irgendwann auf jeden Fall, okay?" Er machte eine kurze Pause und strich mir beruhigend über den Rücken, da ich wieder komplett am Heulen war. Wäre sein fester Griff nicht um mich gewesen, hätten meine Beine wohl nachgegeben und ich wäre zu Boden gefallen.
"Und zu Weihnachten diesen Jahren machen sie eine Show, da werde ich mit Noel hinkommen, damit du ihn immerhin da noch einmal sehen kannst, okay? Es wird kein Abschied für immer sein." flüsterte er leise zuende, woraufhin in mir wirklich Hoffnung war. Mike sprach warm und sanft, man merkte, dass in ihm noch Mensch war, anders als bei Caleb. Er hatte ihn ja sogar gerade angeschrien...
"B-Bitte...Pass e-einfach auf Noel a-auf" wisperte ich leise zurück und musste mich beherrschen nicht zu laut zu schluchzten. "E-Er hat es gut bei d-dir u-und du kümmerst d-dich gut um ihn...B-Bitte hör damit n-nicht auf. E-Er braucht d-dich!" flehte ich ihn nun an. Ich konnte für Noel nun nichts mehr tun...es stand außerhalb meiner Macht...Ich könnte einzig und allein Master Mike darum bitten...
Dieser nickte und strich mir noch einmal über den Rücken, ehe er sich von mir löste und ich schon in die nächste Umarmung von Noel gezogen wurde. Er wollte es einfach auch nicht wahrhaben...genauso wie ich...Und ich verstand so gut, was er damit meinte und wie er sich fühlte...Ich wollte ihn auch nicht gehen lassen...doch Caleb stand hinter mir und zog mich irgendwann zurück...Er wollte bald losfahren, wahrscheinlich sobald die beiden auch nur weg waren...
Mike gab Noel Halt und so verabschiedeten wir uns...Ich heulte Rotz und Wasser und musste mir die ganze Zeit vor Augen halten, was Mike mir versprochen hatte. Es wäre kein Abschied auf Lebenszeit...nur bis Weihnachten...Seine Worte machten mir Hoffnung und gaben mir das bisschen Kraft, welches mich auf den Beinen hielt.
Und dann schloss sich die Tür...die beiden waren weg...Ich rannte sofort zum Fenster und blickte hinaus, nur um zu sehen, dass Noel langsam ins Auto stieg und sich dort auf dem Sitz zusammenkauerte und heulte. Mike strich ihm noch einmal sanft durch die Haare und gab ihm einen Kuss auf die Wange, ehe er schnell und Auto herum ging und selbst einstieg.
Länger konnte ich nicht zuschauen, da Caleb mich an den Haaren zu sich zog. Mit meinen roten und angeschwollenen Augen sah ich zu ihm hoch. Er...Er hatte wirklich absolut kein Mitgefühl oder gar Verständnis...er konnte nicht nachvollziehen, warum es mir gerade so schlecht ging...und warum es für mich so schrecklich war, mich von den beiden zu verabschieden...
"Wir gehen auch." seufzte er genervt und schuckte mich leicht in Richtung der Ankleide. Ich nickte und zog zögerlich und mit zittrigen Fingern meine Schuhe an. Das war gerade das letzte Mal, das ich hier sitzen und meine Schuhe anziehen würde...Ich würde nie wieder in meinem Zimmer unten schlafen müssen...Ich würde nie wieder in Calebs Bett weinen und leiden müssen...Ich würde nie wieder am Esstisch ihm beim Essen zuschauen müssen, weil er mein Essen nicht mochte...
Eigentlich waren das ja gute Sachen...aber sobald ich raus in den Garten schaute...kamen ganz andere Erinnerungen hoch. Ich würde nie wieder mit Noel auf der Hollywoodschaukel sitzen...oder nie wieder mit allen im Pool schwimmen...Ich würde nie wieder am Gartentisch frisches Obst essen...Ich würde nie wieder dort auf der Veranda liegen und in den Himmel schauen...Ich würde das was hier nie wieder sehen...
Ich war so in Gedanken gewesen, dass ich garnicht bemerkt hatte, wie wir mittlerweile draußen, vor der Tür waren und Caleb diese gerade schon abschloss. Er trug eine dunkelblaue Mappe unter seinem Arm und hatte relativ schicke Klamotten an, ein schwarzes Hemd und eine genauso dunkle Anzugshose. Ein leises Seufzte, gefolgt von einem Wimmern und Schluchtzen verließ meine Lippen, als ich ebenfalls zum Auto lief.
Noch ein letztes Mal blickte ich auf das Haus...Ich würde es nie wieder sehen...Ich würde hier nie wieder sein...Die schlechten...aber auch die schönen Dinge würde ich nicht mehr erleben...Zumindest die Erinnerungen blieben mir...und die könnte mir auch keiner nehmen.
Instinktiv lief ich zum Kofferraum und stellte mich vor diesen. Caleb ließ mich nie anders mitfahren...ich saß meistens im Kofferraum...Dort hatte er so eine Art extra Sitz bzw. er hatte irgendwann Mal einen Gurt angebracht, damit es mich nicht immer komplett hin und her schleuderte....Doch er schüttelte den Kopf und deutete auf den Beifahrersitz.
So lief ich dort hin und stieg schnell ein. Meine Tränen verschwommen so sehr meine Sicht, dass ich es kaum schaffte den Gurt zu schließen. Der Motor wurde gestartet und wir rollten langsam los. Ich verkniff mir mein Schluchzten und Heulen so gut es ging, doch als ich Calebs Hand auf meinem Oberschenkel fühlte klammerte ich mich beinahe an diese. Auch wenn er ein Monster und ein Arschloch war...ich war über ein Jahr bei ihm...und habe so viel Zeit mit ihm verbracht...und neben ihm war gerade niemand da, der mir ansatzweise eine emotionale Stütze sein konnte...
Und wir hatten auch ein paar wenige schöne Momente...Ein paar kleine schöne Erinnerungen an Caleb würden vielleicht wirklich zurück bleiben. Der eine warme Sommertag, wo wir nur zu zweit in den Pool gegangen sind und er relativ viel mit mir geredet hatte. Er hatte mir erzählt, wie der Pool und die Veranda und alles gebaut worden ist und wir stolz er darauf ist, sich sowas leisten zu können. Das war eine der langen Unterhaltungen gewesen, welche unglaublich selten waren. Die meisten Worte, die er mit mir gewechselt hatte waren immer Kritik an mir...oder Drohungen..
Deshalb war das richtig schön gewesen! Vor allem weil es ein komplett neutrales Thema auch war. Er hatte in dem Moment sogar wie ein ganz normaler Mensch geklangen, die Dominanz und das Bedrohliche in seiner Stimme war ein wenig gewichen.
Er konzentrierte sich aufs Fahren und ließ seine Hand wo sie war. Nur ab und an zum Schalten nahm er sie weg. Ich saß zum ersten Mal hier vorne und schaute so auf die Straße hinaus. Die Bäume, Autos und der Himmel, alles war da und ich konnte so viel beobachten...doch irgendwann schlief ich ein...mein Kopf lehnte an die Scheibe, meine Beine waren angezogen auf dem Sitz und meine Jacke hatte ich als Decke benutzt. So verbrachte ich meine letzten Stunden bei Caleb schlafend. Das viele Weinen und Leiden hatte mich wohl einfach zu sehr ermüdet...
🔸Upload: 27.12.2021🔸
🔸1350 Wörter🔸
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Alone | Adventskalender | Shadowuniversum
Teen FictionWie überlebt man die Isolation als Extrovert? Wie schweigt man eine Ewigkeit lang? Wie überlebt man ohne Aufmerksamkeit? Was ist man alles bereit für ein wenig Zuneigung zu tun? 🔸🔸🔸 Sebastians Geschichte - Sidestory zu Double Checkmate - Adve...