🔸Sebastian🔸
Diesmal löste ich mich bewusst schneller aus meiner Starre und tappste schnell zu meinem Bett. Ich wollte unter meine Decke und hoffte einfach, dass die Nacht nicht allzu kalt werden würde. Ein leises "Hallo." verließ auch diesmal meine Lippen. Ich wollte immernoch nicht unhöflich sein...ich war einfach nur unglaublich unsicher und hatte Angst verletzt zu werden.
So legte ich mich wie gestern in mein Bett, mit dem Rücken zu ihm, dem Gesicht zur Wand, die Decke bis hoch ans Kinn und angewinkelten Beinen. Wieder spürte ich seinen Blick auf mir und wieder raschelte es. Dann räusperte er sich einmal und ich wiederstand dem Drang mich zu ihm umzudrehen.
"Warum redest du nicht mit mir?" fragte er dann gerade heraus und sofort gefror mir das Blut in den Adern. Er sagte garkein Hallo? Garkein Smalltalk oder so? "Die meisten sind abends froh, wenn sie aufs Zimmer kommen und in Ruhe mit ihrem Zimmernachbarn reden können. Oder auch in der Hofzeit, die meisten freuen sich über das bisschen Kontakt was wir untereinander haben können. So muss man das nicht alleine durchstehen und eine feste Umarmung tut den meisten wirklich gut."
Redete...Redete er jetzt mit sich selbst? So wie ich es immer bei Caleb getan hatte? Oder wollte er mir ein schlechtes Gewissen machen? "Eigentlich wollte ich dich in der Hofzeit schon ansprechen aber du hast so durch den Wind gewirkt...nach dem ersten Mittagsunterricht sind das die meisten...und wie es scheint hast du ja sogar ne Strafe bekommen..." sagte er und klang wirklich mitleidig...Fast so, als würde er wirklich Mitleid mit mir haben und mit mir fühlen.
Er machte eine kurze Pause und seufzte einmal leise. "Wenn du allgemein nicht reden willst musst du das sagen...ich will dich nicht belästigen oder nerven...aber du wirkst so verstellt und angespannt...so als wärst das garnicht du...Das sieht jeder von außen. Und deshalb mach ich mir einfach nur Sorgen um dich...Wenn du nicht mit mir reden willst...dann ist das auch okay. Ich wollte dir einfach nur sagen, dass wir hier auch untereinander füreinander da sind. So wird die Zeit hier einfacher." flüsterte er zuende und eine kleine Träne verließ meine Augen.
Ich schüttelte minimal den Kopf und schluckte die weiteren Tränen herunter. "I-Ich...will e-einfach...nicht verletzt werden..." wisperte ich leise und krallte mich in meine Decke. Seine Worte waren so warm und strahlten Verständnis aus...Sie ließen mich entspannen und wohl fühlen. Er machte sich wirklich Sorgen um mich...und das obwohl er mich nichtmal kannte...und obwohl ich nur zwei Wörter bis jetzt mit ihm gesprochen hatte...
Wieder raschelte es und kurz darauf hörte ich Schritte. Dann senkte sich meine Matratze und ich spürte einen Körper neben mir. Sofort drehte ich mich verwirrt und teilweise panisch um. Neben mir lag der andere Junge, seine Decke war über uns beiden und er lächelte mich freundlich an.
Dann streckte er langsam seine Arme aus und legte sie vorsichtig um mich. "Eine feste Umarmung tut den meisten gut." wiederholte er nochmal leise und somit lies ich die Berührung tatsächlich zu. Seine Hände waren warm und strichen beruhigend über meinen Rücken. Er zog mich nahe an sich, sodass unsere Beine leicht ineinander verschränkt waren.
Er war ganz warm...ich hörte seine Atmung und seinen Herzschlag...es war ganz beruhigen...und ab da war es um mich geschehen...Ich umamrte ihn auch fest und begon zuerst leise, dann immer lauter zu heulen...Wie konnte ein Mensch nur so Recht haben? Ich ließ all den Frust und das Leid, was ich die ganzen letzten Tage, Wochen oder gar Monate erlebt hatte raus und weinte mich an deiner Schulter so richtig aus. Und es tat unglaublich gut. Danach...fühlte ich mich tatsächlich besser und noch mehr Last war von meinen Schultern gefallen...
"Du hast Recht..." schniefte ich leise woraufhin er kichern musste. "Nicht immer aber manchmal." witzelte er zurück. Ich brachte garkeinen Abstand zwischen uns, er war so warm und das war so angenehm. "Dir muss ja richtig kalt sein...mit so wenigen Klamotten ist das aber auch nach nachvollziehbar." seufzte er und rieb weiter über meinen Rücken.
Ich drückte mich nahe an ihn. So lange...so lange wurde ich von niemand anderem außer Noel in den Arm genommen...und die letzten Wochen...fast schon Monate waren ja die pure Qual für ihn. Da hatte ich eher versucht für ihn da zu sein und nicht ihn auch noch mit Bedenken und Sorgen zu nerven...Dank Caleb hatte er ja auch schon eine schreckliche Zeit gehabt...
"Wie heißt du 45?" fragte er dann leise, während er die Decken auf uns beiden richtig hin legte. Nun lagen wir unter zwei Decken, kuschelnd, in meinem Bett und es wurde langsam angenehm warm. Die eisige Kälte verschwand aus meinem Körper und somit auch die Sorge wieder krank zu werden, so wie letzten Winter. Hier würde das bestimmt anders ablaufen, sie hatten ja sogar einen Arzt, aber trotzdem wollte ich lieber einfach gesund bleiben.
Aber...Aber er fragte nach meinem Namen? Wir hatten doch extra die Nummern...? Durfte ich ihm überhaupt meinen Namen verraten? "D-Die Nummern?" fragte ich einfach nur kurz und verwirrt und hoffte, dass er verstand worauf ich hinaus wollte. Irgendwie brachte ich kaum einen ganzen Satz zustande. Seine Ausstrahlung war so ruhig und warm. Er war sehr mitfühlend und vorsichtig, besaß viel Empathie und achtete auf seine Wortwahl. Allgemein würde ich sogar sagen, dass er wahrscheinlich extrovertierter als ich war...aber mittlerweile war das ja auch kein großes Wunder mehr...zumindest nach allem, was ich erlebt hatte...
Er schmunzelte und fing an mir ein wenig durch die Haare zu streichen. Das ganze erinnerte mich an Mike und Noel und automatisch fühlte ich mich traurig aber gleichzeitig wohler. Noel liebte es, wenn Mike das tat...und Mike machte es, weil er wusste, dass es Noel gefiel. Zum ersten Mal spürte ich nun auch das, was Noel als so angenehm empfand und ich musste schon zugeben, dass es entspannend und angenehm war.
"Die Nummern haben die Wächter und Mr. Baranow schon vor einiger Zeit eingeführt. Draußen, also auf dem Hof oder sonst wo, sprechen wir uns auch nur damit an. Aber wenn wir alleine sind, benutzten wir heimlich unsere normalen Namen oder wir erzählen sie zumindest einander. Ein wenig Kontakt aufbauen, es ist ein Zeichen des Vertrauens, wenn man jemand anderem hier seinen Namen verrät. Weil wenn ich dir meinen verrate bedeutet das, dass ich dir soweit vertraue, dass du es den Wächtern nicht sagst oder im falschen Umfeld verwendest, da wir sonst beide bestraft werden." erklärte er ruhig.
So war das also. Klar...die Wächter konnten einem etwas vorschreiben...aber meinen eigenen Namen würde ich wohl nicht vergessen...Die Nummer war schön, so musste ich nicht jedem meinen Namen sagen, so war hier alles ein wenig anonymer, aber niemals würde ich dadurch meinen eigenen Namen vergessen...
Aber...vertraute ich ihm so weit? Und auch andersherum gefragt, vertraute er mir denn soweit? Ich kannte ihn doch kaum und wusste ja nicht einmal, ob er eine Art Ausreißer hier war und sich vielleicht immer gegen die Wächter auflehnte. Und wie könnte er mir denn vertrauen, so wie ich gerade mit diesen wenigen Klamotten, also ersichtlich bestraft, vor ihm lag. Er wusste offensichtlich, dass ich bestraft wurde und somit etwas falsch gemacht habe...aber er sprach das Thema trotzdem an?
Kurz überlegte, dann wurde ich mir aber der Situation bewusster. Er hatte sich um mich gekümmert, er hatte den Kontakt aufgebaut, er hatte mich in den Arm genommen, er streichelte gerade über meinen Rücken, er kam mit seiner Decke in mein Bett um mich zu wärmen. Alles ging von ihm aus. Ich sollte ihm unglaublich dankbar sein. Das war ich auch, jedoch schwang ein großer Hauch Unsicherheit mit dabei...und ich wusste nicht so genau, ob ich mich überhaupt auf ihn einlassen wollte...Immerhin...Immerhin wollte ich doch nicht wieder verletzt werden...so wie die letzten Male.
"Ich fang einfach Mal an, du musst mir deinen auch nicht verraten. Mach einfach das, womit du dich wohl fühlst." Seine Hand hielt in meinen Haaren kurz inne und ich sah verwirrt, nein eher neugierig, in sein Gesicht. "Ich bin Bartosz."
🔸Upload: 04.01.20222🔸
🔸1373 Wörter🔸
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Alone | Adventskalender | Shadowuniversum
Novela JuvenilWie überlebt man die Isolation als Extrovert? Wie schweigt man eine Ewigkeit lang? Wie überlebt man ohne Aufmerksamkeit? Was ist man alles bereit für ein wenig Zuneigung zu tun? 🔸🔸🔸 Sebastians Geschichte - Sidestory zu Double Checkmate - Adve...