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🔸Sebastian🔸

Eine kleine Träne kullerte aus meinem Auge und ich stand zögerlich wieder auf. Die Kraft in meinen Beinen war weg und mein Blick war starr auf den Mann vor mir gerichtet. Er trug einen langen Mantel, dunkle Stiefel und hatte einen Schal über den Arm hängen. Seine Augen wirkten freundlich, sein Lächeln war höflich und hatte markante Wangenknochen. Unter seiner Jacke trug er ein Hemd und eine Krawatte. Seine Gürtelschnalle war Silber und leicht pompös. Und er hatte keine Latte...immerhin etwas Gutes...

Ich sank meinen Blick sofort, als ich bemerkte, dass ich ihn anstartte. Der Wächter machte eine Leine an meinem Halsband fest und führte mich zur Tür. "Natürlich. Wollen Sie in zur Ihrer eigenen Sicherheit noch einmal genauer inspizieren?" fragte der Wächter nach, woraufhin der Mann nur den Kopf schüttelte. "Ich vertraue auf Ihre Unterlagen, ansonsten werde ich selbst einen Weg finden damit umzugehen." erklärte er mit seinem höflichen und freundlichen Lächeln, während ihm meine Leine überreicht wurde.

Panik machte sich in mir breit. Die Taubheit wich aus meinen Glieder und alle Emotionen kamen geladener zurück, als je zuvor. Ich...Ich war gekauft...und er würde mich direkt mitnehmen...Mein Leben würde sich wieder ändern...Ich wäre wieder ein Sexobjekt, ein Lustobjekt, ein Befriedigungsobjekt...bald wäre ich nichts anderes als dad mehr...Das konnte ich nicht, das wollte ich nicht! Ich hatte mich doch endlich hier eingelebt! Hatte Freunde, war halbwegs glücklich und fühlte mich wohl!

Panisch blickte ich mich im Flur um und suchte nach einem Weg. Ich war gekauft...ich würde hier wieder weg müssen...Damit hatte ich doch irgendwann rechnen müssen...doch die anderen konnten sich verabschieden, warum durfte ich das nicht?! Es sollte nicht so wie beim letzten Mal sein! Ich wollte nicht einfach jemanden ohne eine Erklärung zurück lassen! Ich war doch selbst dann immer am Boden zerstört, wenn das passiert war...

Hinter der Ecke kam eine Zwischentür, die musste der Wächter dann aufschließen. Dann wären wir auf dem Hof...das bedeutet...dies war meine letzte Chance. Ich würde mich geschlagen geben, ich würde die Beziehung mit meinem neuen Master komplett von Anfang an versauen, ich würde mir wohl eine Strafe einhandeln...Aber im Moment hatte ich die tausend schönen Momente mit Bartosz, Cedric und den anderen im Kopf. Nur ein letztes Mal...

Ich wollte sie noch ein letztes Mal sehen und mich verabschieden...Es sollte nicht so, wie mit Noel enden. Nicht mit leeren Versprechen in der Luft...nicht mit einem ewigen aufwiedersehen...nicht mit unnötiger Hoffnung...nicht mit Schmerz...Ich brauchte das! Nur so könnte ich abschließen damit, mit hier und mit ihnen. Anders könnte ich sie nicht gehen lassen! Niemals!

Und so zögerte ich keinen Moment als ich an der Tür die beiden nach draußen schuckte, meinen zukünftigen Master auf den Wächter, dann die Tür hinter mir zu zog und das kleine Schloss, so eine Kette, die man in einen Riegel einschieben konnte, schloss. Dann nahm ich die Beine in die Hand und rannte. Am nächsten war Bartosz...doch er war im Unterricht...in dem anderen Unterricht. Heute gab es wohl eine allgemeine Übung für die, die noch jungfräulich waren. Doch jetzt war es egal.

Meine Füße trugen mich automatisch und ehe ich mich versah stand ich schwer atmend im Türrahmen. Mein Blick glitt durch den Raum und suchte ängstlich nach Bartosz. Ich hatte nicht viel Zeit, wir hatten nicht viel Zeit. Hinter mir hatte ich schon Schreie gehört und auch der Lehrer würde uns nicht so einfach seinen Unterricht stören lassen.

So rannte ich mich großen Schritten zu ihm und warf mich in seine Arme, mit so einem Schwung und einer Kraft, dass wir gemeinsam zu Boden fielen. Sein Blick war verwirrt, doch er drückte mich fest an sich. Ich klammerte mich um ihn und drückte meinen Kopf in seine Halsbeuge. Aus meinen Augen flossen die Tränen und leise flüsterte ich ihm zu. "Ich wurde verkauft." Mehr Worte brauchte ich nicht sagen, er verstand, war los war und warum ich so mitgenommen war.

Er strich über meinen Rücken und ich spürte, wie meine Schulter nun ebenfalls feucht wurde. "Danke für die Zeit Sebastian..." flüsterte er zurück. "Danke..." Wiederholte er sich. Mein Herz fühlte sich schwer wie Blei und ich wollte in diesem Moment am liebsten die Zeit anhalten. Hinter uns hörte ich die Wächter und auch der Lehrer schien langsam im Bild zu sein. Wir hatten nicht mehr lange Zeit...

"Ich bin dir so dankbar für alles was du getan hast." schluchzte ich leise. "Dass du mich nicht allein gelassen hast und dass du mir immer zur Seite standest..." Ich musste kurz abbrechen und mich sammeln. Nun spürte ich Hände an meinem Rücken und meinen Armen. Sie versuchten uns zu lösen, doch ich krallte mich dadurch nurnoch mehr an ihn. "Ich will keine Versprechen geben...das hier wird der Abschied sein." flüsterte ich und klang wahrscheinlich annäherungsweise so hoffnungslos, wie nachdem ich von Noels Tod erfahren hatte.

Er nickte und klammerte sich nun auch an mich, damit wir wenigstens noch zwei Sekunden länger hatten. "Richtest du meine Worte bitte auch den anderen aus?" schluchzte ich noch, als sie es schafften uns voneinander los zu reisen. Der Wächter hielt mit schmerzhaft am Arm fest, sein Ellenbogen blutete und ich hatte mit meiner Aktion wohl doch ein wenig mehr Schaden angerichtet, als ich eigentlich wollte.

Sein Blick war grimmig und seine Hand landete direkt zwei Mal auf meiner Wange und einmal in meiner Magengrube. Ich hab wimmernde Laute von mir...doch solche Sachen hatte ich bei Caleb täglich erleben müssen...es war also nichts neues. Obwohl die Zeit bei ihm langsam eine Weile her war und ich so ziemlich damit abgeschlossen hätte, vergleichte ich die meisten Strafen und Ereignisse mit der Zeit dort.

Hinter dem Wächter wurde Bartosz vom Lehrer angeschrien und bekam auch eine Backpfeife. Ich sah noch, wie er vorne über das Knie des Lehrers gelegt wurde, als ich aus dem Raum gezogen wurde. Unsere Blicke trafen sich noch einmal und eine Träne floß aus meinem Auge. Blicke sagten wirklich mehr als tausend Worte.

Vor der Tür bekam ich eine Standpauke und nochmal ein paar weitere Backpfeifen. Der Wächter war sauer und wütend und sowas hatte es hier noch nie gegeben...Er nahm meine Leine wieder, nur um mich dann gewaltsam am Arm mit zu ziehen.

Doch nun war diese Gewalt garnicht mehr nötig, jetzt lief ich wieder brav mit. Ich hatte mich verabschiedet, wenn auch nur kurz und stressig, aber ich hatte mich verabschiedet. Und das war am wichtigsten für mich gewesen. Nun war auch ein wenig die Aufregung weg. Sie wich zwar nur der Angst, doch sie war weg.

Ich hatte keine Ahnung, was mein neuer Master nun mit mir tun würde...oder wofür er mich gekauft hatte...oder sonst was. Eine Strafe würde ich definitiv bekommen...da war ich mir sicher...

Es ging geradewegs in das Büro von Mr. Baranow oder eben das Verkaufszimmer. Dieser saß hinter seinem Schreibtisch und sah mich sofort grimmig an, als ich den Raum betrat. Wenn man ihn mit den Wächtern verglich...nein, das konnte man garnicht. Er war eine andere Liga. Bei ihm und seiner bloßen Präsenz gefror einem das Blut in den Adern. Man wollte weg, wollte keinen Ärger machen und einfach nur schnell den Kontakt mit ihm beenden. Keine Ahnung, wie eins es so lange und so gut bei ihm aushilt, mich machte der Druck jetzt schon fertig. Hoffentlich musste eins ihn wirklich nicht jeden Tag so erleben...hoffentlich war es privat anders als jetzt...

Der Wächter führte mich zum Tisch und drückte mich direkt auf diesen. Mein Gesicht wurde dagegen gedrückt und mein Arm wurde mir hinten auf dem Rücken leicht verdreht.  Mr. Baranow lehnte sich zu mir herunter...sein Atem strich meine Wange. "Was zum Teufel hast du dir dabei gedacht?" säuselte er mir zu.

🔸Upload: 19.01.2022🔸

🔸1310 Wörter🔸

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