Kapitel 5

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Das war nun also mein Leben, eingesperrt und fern von der Realität, wie Rapunzel. Und mit jeder Sekunde die verging, verlor ich die Hoffnung mehr und mehr, in einem versteckte Kamera Format vorgeführt zu werden.
Ich atmete einmal tief durch, was sich anfühlte, als wäre das der erste Atemzug seit der letzten Stunde. Ich ließ mein Blick durch das Zimmer streifen und bemerkte, dass keine einzige Uhr vorhanden war. Wollten sie, dass ich das Zeitgefühl verliere?
Beziehungsweise, wollten sie, dass das Mädchen, das nun eigentlich an meiner Stelle wäre, das Zeitgefühl verlor?
Seit mich dieser Toby vom Fahrrad riss, war noch nicht so viel Zeit vergangen.
Das hieß, Niemand würde mich bis jetzt so wirklich vermissen. Auf der Party waren sie alle sowieso viel zu betrunken, um zu merken dass ich fehlte. Und Maya?
Sie hat es vielleicht gemerkt, sich aber nicht viel dabei gedacht, sie hat wahrscheinlich gedacht, ich hätte einen Rückzieher gemacht und blieb zuhause.
Ich sah mich in meinem Zimmer um.
Es war wirklich schön. In harmonischen rosa, blau und weißtönen eingerichtet, es sah wirklich aus, wie das Zimmer einer Prinzessin.
Unter anderen Umständen hätte ich mich hier sicher wohlgefühlt.
Ich öffnete den großen Kleiderschrank. Das konnte nicht wahr sein.
Er war prall gefüllt mit Kleidung, naja das ganze hier war nicht für mich, sondern für das andere Mädchen gedacht doch wir konnten nicht so verschieden sein, sie hatte wohl die gleiche Kleidergröße wie ich.
Ich musste an das Mädchen denken, welches jetzt an meiner Stelle sein sollte. Es war alles wie Schicksal. Wäre ich nur über meinen eigenen dummen Stolz gegangen und hätte eingewilligt, dass meine Eltern mich zur Party fahren, wäre ich jetzt nicht hier, stattdessen aber vielleicht ein anderes unschuldiges Mädchen. Ich erwischte mich selbst bei dem Gedanken, vielleicht Jemandem das Leben gerettet zu haben, nur weil ich mich an diesem Abend hab breitschlagen lassen, zu einer Party zu fahren, zu der ich gar nicht wollte. Und nun stand ich hier, eingesperrt im Luxus und irgendein anderes Mädchen, lag gerade nichts ahnend in ihrem Bett, nicht weit entfernt von meinem Elternhaus.
Ich fragte mich, wenn sie jemanden entführen wollten, und dann auch noch eine bestimmte Person also anscheinend mit Grund, warum man dann so einen Luxus herstellte.
Es dauerte nicht lange, da kam mir die Antwort: Manipulation.
Hat man alle lebensnötigen Ressourcen oder so wie hier sogar einen Überfluss an lebensnötigen Ressourcen, so vergisst man, dass man die aller wichtigste Ressource verloren hat:
Freiheit, einen eigenen Willen.
Es wird einem so vorkommen als wäre das nicht so schlimm, man hat ja alles. Doch nichts ist so wertvoll, wie die Freiheit.
Ich war nun mal nicht materialistisch. Mit dem ganzen Zeug hier konnten sie mich nicht kriegen, ich wollte nachhause.
Etwas grob schlug ich die Tür zum Kleiderschrank zu und setzte mich in das große Bett.
Was waren das eigentlich für Amateure?
Bekamen es nicht einmal auf die Reihe ein wehrloses Mädchen zu entführen, naja nicht das Richtige.
Es kam mir vor wie in einer Krimikomödie.
Der Gedanke brachte mich ein wenig zum Schmunzeln doch auch das versiegte schnell. Was sollte ich denn jetzt tun?
Ich war nicht müde und konnte mit Sicherheit auch nicht schlafen. Ich wäre wahrscheinlich genauso ein Psychopath, wie alle dieser Familie, wenn ich in so einer Situation ruhig schlafen könnte.
Nichts desto trotz versuchte ich es mir dennoch gemütlich zu machen.
Ich wechselte die unbequeme Partykleidung gegen ein top und eine kurze Schlafhose, entfernte das Make-up und legte mich in das Bett. Ich versuchte alle möglichen Tricks um einzuschlafen, was mir eher schlecht als recht gelang und so verbrachte ich den Großteil der Nacht damit, gegen die Decke zu starren und auf eine Erlösung zu warten, welche nie kam.

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