Ich war auf der Rücksitzbank zwischen Elyas und Tim eingequetscht.
Immer noch total verstört starrte ich vor uns auf die Straße.
Die ganze Fahrt über, lobte die Familie mich. Ich verstand nicht wofür.
Ich hatte diesen Mann umgebracht.
Verdient hin oder her, er ist durch meine Hand gestorben.
Ich wusste nicht, ob ich damit klar kam.
Zuhause angekommen, musste ich ersteinmal wieder zu Kräften kommen.
Lucy kochte mir ein ganzes Festmahl und auch der Rest der Familie behandelte mich wie ein rohes Ei.
Sogar Elyas.
Mir war diese ganze Aufmerksamkeit zu viel.
Ich verschanzte mich in meinem Zimmer.
Ich musste erstmal wieder klar kommen, realisieren, was auf dem Schiff alles passiert ist, bevor ich mit den Anderen darüber reden konnte.
Ich nahm eine lange, ausgiebige Dusche und kuschelte mich in mein Bett.
Den Rest des Tages verbrachte ich damit, zu lesen.
Ich durfte das Fenster öffnen, was mir wirklich half.
Es war beruhigend wieder in dieser hellen, gemütlichen Umgebung zu sein.
Irgendwann schaffte ich es dennoch, ein paar Stunden Schlaf zu finden, jedoch schlief ich ziemlich unruhig, was zu erwarten war.
Ich hatte Alpträume, von dem kleinen Raum und davon, wie ich Gustavo vom Schiff schmiss, wie ich ihn umbrachte.
Schweißgebadet schreckte ich hoch, erleichtert darüber, dass alles in Ordnung und ich in Sicherheit war.
Es war bereits dunkel, ich hatte doch länger geschlafen, als ich dachte.
Ich kam langsam wieder zu mir und schaltete die Nachttischlampe an, als es an der Tür klopfte.
„Herein!"
Zu meiner Überraschung, war es Elyas, der mich aufsuchte.
„Darf ich wirklich reinkommen?"
Fragte er vorsichtig.
Ich war unsicher, nickte aber trotzdem.
Ich war neugierig darüber, was er von mir wollte.
Er kam auf mich zu und zeigte auf das Fußende des Bettes.
„Darf ich?"
Fragte er rücksichtsvoll.
Ich nickte erneut, nahm aber trotzdem etwas sicherheitsabstand von ihm und zog die Beine an der Oberkörper.
„Was willst du?"
Fragte ich ungeduldig. Ich konnte seine plötzliche Nettigkeit nicht ab. Sie wirkte so falsch und erzwungen.
Er zuckte mit den Schultern und schien nicht recht zu wissen, was er sagen sollte.
Es wirkte, als würde er mit sich selbst hadern.
„Ich möchte mich bei dir entschuldigen."
Platzte es dann auf einmal aus ihm heraus, nachdem er minutenlang in die Leere starrte.
Ich war überrascht und sah ihn fragend an.
Damit hatte ich nun wirlklich nicht gerechnet.
„Wie kommt's? Hast du ein schlechtes Gewissen, oder was?"
Hakte ich genervt nach.
Er sah hoffnungslos aus.
„Natürlich hab' ich das."
Gab er zurück.
„Ich habe dich doch erst in diese verdammte Situation gebracht, obwohl ich dir versprochen hab, dich nur zu vertrauenswürdigen Personen mitzunehmen."
Kaum zu glauben aber zum ersten mal klang er tatsächlich aufrichtig nachdem er etwas Nettes zu gesagt hat. Totzdem zuckte ich mit den Schultern. Ich ging mit dieser Sache gleichgültiger um, als es war und als ich sollte. Außerdem wusste ich nicht, wie ich mich Elyas gegenüber verhalten sollte.
Er holte nunmal diese Seite in mir hoch, der alles egal war, die keine Schwäche zeigen wollte.
Vielleicht lag es daran, dass er so emotionslos war.
Doch genau in diesem Moment, saß er mit Hundeblick vor mir und bettelte um Vergebung.
Er war nicht emotionslos. Er war ein Tornado an Emotionen.
„Es ist nunmal so passiert, was soll man jetzt machen, ich werd's verkraften."
Tat ich es ab.
„Das heißt, du verzeihst mir?"
Fragte er hoffnungsvoll.
Dir verzeihen? Dass du mein Leben zerstört hast? Nie im Leben.
„Na klar."
Entgegnete ich dennoch.
Er lächelte leicht.
„Du warst echt mutig, weißt du das?"
Sagte er auf einmal. Denkt er ich freu mich jetzt über ein bisschen Anerkennung von ihm oder was?
Natürlich wusste ich das.
„Du warst auch echt glaubwürdig. Danke, dass du mitgespielt hast."
Entgegnete ich.
Es war nur fair, ihm auch ein Stück vom Kuchen zu lassen.
Er lachte kurz und sah auf den Boden, kurz darauf sah er zu mir hoch.
„Wir haben also einen Waffenstillstand?"
Fragte er, um auf Nummer Sicher zu gehen.
Ich nickte, Würde wohl nicht schaden, auch wenn das nicht hieß, dass er mir von nun an vertraute. Ich musste noch immer vorsichtig sein.
„Sehr schön."
Sagte er und stand auf.
„Ich geh dann jetzt mal, du willst dich bestimmt ausruhen."
Als er die Tür erreichte, blieb er noch einmal stehen.
„Kenna?"
Fragte er.
„Hm?" Machte ich und sah zu ihm.
„Meine Eltern wollen übermorgen eine Feier machen.
So ganz groß mit Essen und Sektempfang und es werden viele Menschen da sein.
Sie wollen feiern, dass wir endlich unseren langjährigen Feind besiegt haben, was natürlich ganz allein dein Verdienst ist."
Erzählte er. Warum musste er mich unbedingt jetzt daran erinnern?
Warum musste man so etwas überhaupt feiern?
„Jedenfalls, wollte ich dich fragen, ob du mich dahin begleitest?"
Kam er endlich zum Punkt und sah mich erwartungsvoll an.
War das sein Ernst? Kam er gerade nur so nett bei mir an, um ein Date zu haben und nicht allein zu gehen?
„Als dein Date?"
Fragte ich unsicher zurück.
„Naja, da wir auf dem Schiff ein Pärchen gespielt haben, denken jetzt alle, dass wir ein Paar sind, deswegen dachte ich, es würde nicht schaden als Paar dort aufzutauchen, um Fragen aus dem Weg zugehen.
Außerdem kommt das bestimmt gut an, für die Geschäfte und so."
Erklärte er. Und wieder einmal hatte er recht. Er tat es nicht für sich, sondern für mich.
„Na schön."
Willigte ich ein.
Seine Miene erhellte sich.
„Freut mich zu hören."
Entgegnete er, wieder äußerst professionell
Vielleicht war er doch nur nett, damit ich auf der Feier seine Freundin spiele, danach wird er sicher wieder der Alte sein.
„Gute Nacht, Kenna."
Sagte er abschließend und verschwand aus dem Zimmer, bevor ich etwas entgegnen konnte.
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Stockholm
RomanceMehr und mehr realisierte ich, dass „Bis der Tot uns scheidet", kein Segen war. Es war ein Fluch. Kenna's Leben könnte banaler gar nicht sein. Ihre Zeit verbrachte sie schon immer im Schatten anderer, bis sie an einem schicksalhaften Abend zur fals...