Kapitel 36

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Am nächsten Morgen wurde ich etwas unsanft von Natalia geweckt. Sie schien nervös und angespannt.
„Ich erwarte dich in fünfundzwanzig Minuten zur Besprechung."
Ordnete sie an und verließ dann wieder mein Zimmer.
Ich war noch völlig verwirrt vom Schlaf und musste erst einmal wach werden. Als ich fertig war und losgehen wollte, traf ich Elyas auf dem Flur, der mich mit in sein Zimmer zog.
„Was ist los? Warum gibt es eine Besprechung?"
Fragte ich ein wenig aufgebracht, woraufhin er mit einem Schulterzucken antwortete.
„Meinst du, sie haben herausgefunden, was wir in den letzten Tagen getan haben?"
Ich konnte nicht verleugnen, dass mich die Vorstellung, Ärger von Marco und Natalia zu bekommen nervös machte.
Ich verstand mich zwar gut mit ihnen doch sie waren wirklich nicht zu unterschätzen.
„Unmöglich. Ich habe kein Wort darüber verloren."
Entgegnete Elyas.
„Was sollen wir tun? Sollen wir es sagen? Ich meine, früher oder später werden sie es doch sowieso herausfinden, oder nicht?
„Es ist unvermeidbar, dass sie es herausfinden."
Ich merkte, wie ich wieder panisch wurde, doch Elyas beruhigte mich.
Er legte mir seine Hand auf die Schulter und sah mir tief in die Augen.
„Lass das mal meine Sorge sein. Ich will erstmal wissen, was sie zu besprechen haben."
Daraufhin öffnete Elyas die Tür wieder und wir gingen gemeinsam in den Konferenzraum, wo wir nebeneinander am Tisch platz nahmen.
Natalia stand schon bereit und würdigte uns nur eines kurzen, angespannten Blickes und wartete nur darauf, ihre Rede zu beginnen.
„Heute morgen hat uns eine beunruhigende Botschaft erreicht."
Sie hielt einen Zettel in die Höhe, der aussah, wie ein Drohbrief.
Er war wirklich schlecht bearbeitet, jedes Kind hätte das geschafft.
Ich wusste wirklich nicht, was daran beunruhigend sein sollte.
„Jemand hat für Kenna ein Lösegeld ausgestellt, was ziemlich ungewöhnlich ist.
Die Person bietet eine Millionen Dollar um dich zu bekommen."
Bei diesen Worten starrte sie mich direkt an.
Ein schockiertes Raunen ging durch die Runde.
Schlicht gesagt, jemand wollte mich kaufen.
Aber wer und wozu?
„Es scheint, als wäre es den Verfassern dieser Nachricht ziemlich wichtig, die Übergabe soll nächsten Freitag stattfinden."
Das hieße, ich hätte noch eine Woche und zwei Tage Zeit, die Wahrheit über meine Familie herauszufinden.
„Das könnt ihr doch nicht machen! ich dachte, ihr wärt meinem Schutz verpflichtet und jetzt wollt ihr mich einfach so verkaufen?!"
Protestierte ich schockiert.
Doch Natalia beruhigte mich.
„Natürlich nicht, wir müssen aber trotzdem herausfinden, wer der Erpresser ist, denn er droht mit massiven Maßnahmen vorzugehen, sollten wir den Anweisungen nicht folgen."
Ich setzte mich wieder und versuchte meine Atmung zu beruhigen.
„Wir werden zur Übergabe erscheinen, du wirst die ganze Zeit über unsere Rückendeckung haben.
Du findest heraus, wer der Erpresser ist und dann befreien wir dich wieder.
Ein Kinderspiel."
Für Natalia schien die Diskussion beendet doch ich konnte mich damit nicht zufrieden geben.
Es konnte so viel schief gehen.
Doch Natalia schien noch mehr Anliegen zu haben.
„Gestern gab es einen Brand am anderen Ende der Stadt.
Anscheinend ist unser lieber Feind Kylian dabei ums Leben gekommen, das heißt, wir müssen uns nicht mehr um ihn kümmern."
Berichtete sie gleichgültig.
Erschrocken sah ich zu Elyas rüber, welcher sich nichts anmerken ließ.
Wusste sie etwa bescheid?
„Ein Brand?"
Hakte ich mit falschem Interesse nach.
Eigentlich sollte es doch eine Explosion gewesen sein.
„Ja, ein Brand.
Es scheint, als hätte Kylian das Haus selbst angezündet, um Dokumente oder so zu verbrennen, damit sie niemand findet. Er ist aber auch ums Leben gekommen.
Ob es geplanter Selbstmord war oder nicht ist unklar."
Fügte Natalia hinzu.
Irgendetwas stimmte da nicht.
Warum haben sie denn nicht erwähnt, dass ein Mädchen bei ihm war? Oder konnte Maya sich selbst noch retten?
Egal, wie viel sie mir angetan hat, ich hoffte wirklich, dass sie noch am Leben war.
„Damit wäre die Sitzung beendet.
Kenna, ich würde dich gerne unter vier Augen sprechen."
Verdammt.
Natalia konnte so gut Informationen aus einem herausbekommen.
Ich wusste nicht, wie lange ich dicht halten könnte, wenn sie es drauf ankommen ließe.
„Ich würde gerne auch mit euch sprechen, kann ich dazu kommen?"
Fragte Elyas.
Puh, meine Rettung. So konnte ich mich wenigstens nicht verplappern.
Wir drei gingen in den Nebenraum, Elyas und ich setzten uns auf das Sofa, während Natalia uns strafend ansah.
Es fühlte sich an, als würden wir auf einer Anklagebank sitzen.
„Ihr zwei habt in letzter Zeit ganz schön viel allein gemacht, was?"
Elyas und ich warfen uns einen vielsagenden Blick zu.
Es war klar, dass sie es herausfinden würde. Sie hatte zu viele Botschafter.
„Mom, es tut mir... uns schrecklich leid.
Wir hätten euch einbeziehen sollen, aber mir war es einfach nur wichtig, Kenna die Wahrheit zu sagen und wir haben so viel herausgefunden, das hat uns wirklich weit gebracht, wir sind kurz davor."
Entschuldigte sich Elyas wehleidig doch Natalias Blick wurde immer verwirrter.
„Wovon sprichst du?"
Fragte sie unsicher.
Nun schaute Elyas verwirrt drein und stellte eine Gegenfrage.
„Wovon sprichst du denn bitte?"
Natalia lachte hohl auf und setzte sich an den Schreibtischstuhl.
„Scheint, als hättet ihr zwei mir viel mehr zu sagen, als ich gedacht hätte.
Mir ging es eigentlich um die Beziehung, die sich zwischen euch Beiden anzubahnen scheint."
Klärte sie uns auf.
Ich warf Elyas einen geschockten Blick zu und lief sofort rot an.
Da erinnerte ich mich an die Unterhaltung, die ich neulich zwischen Marco und Natalia mitbekam.
Sie schöpften schon länger einen Verdacht.
„Hört mal, ich hab' ja nichts dagegen, wenn ihr euch mögt, im Gegenteil, ich freue mich, dass ihr endlich das Kriegsbeil begraben habt und euch näher gekommen seid.
Ich mache mir nur Sorgen, falls ihr euch mal streitet, oder so.
Es gefällt mir gar nicht, wenn der Haussegen schief hängt und ich denke, bei zwei so stolzen Persönlichkeiten kann es schnell mal krachen."
Das war wirklich die unangenehmste Unterhaltung, die ich jemals führen musste, dabei war Natalia nicht mal meine Mutter.
Ich wollte gar nicht wissen, was in Elyas vorging.
„Ich weiß, Mom. Aber lass das mal unsere Sorge sein, wir sind alt genug."
Entgegnete Elyas.
Ich musste stark mit mir kämpfen, um nicht los zu prusten.
„Du hast ja recht, aber man kann es nicht früh genug sagen, weißt du."
Wir wollten gerade aufstehen und so schnell es ging den Raum verlassen doch Natalia hielt uns auf.
„Hier Geblieben!"
Rief sie und sah uns streng an.
„Was habt ihr denn angestellt, dass du so ein schlechtes Gewissen hast?"
Löcherte sie und es war wirklich schwer, ihrer strengen Stimme standzuhalten.
„Wir haben uns nochmal mit Kylian getroffen, gestern kurz bevor er... das Haus angezündet hat."
Platzte ich heraus.
Elyas warf mir einen fragenden Blick zu doch ich ignorierte ihn.
„Es war alles meine Schuld, ich habe nicht locker gelassen, bis Elyas mit mir hingefahren ist. Aber wir hatten wirklich keine Ahnung, was Kylian vorhatte.
Es stellte sich raus, dass er ein Verhältnis zu meiner besten Freundin Maya hatte und sie dafür verantwortlich ist, dass ich entführt wurde.
Ziemlich heftig oder? Ich kann mir das wirklich nicht erklären."
Ich wollte Natalia testen, herausfinden ob sie die Wahrheit sagen würde, wenn die weiß, was wir wissen.
Ich bemerkte sofort die Unsicherheit in ihren Augen, Nervosität stieg in ihr auf, sie begann schneller zu atmen, wendete den Blick ab und kratzte sich am Kopf.
Klare Anzeichen für jemanden, der etwas zu verbergen hat.
„Das ist wirklich schrecklich, Kenna. Es tut mir wirklich leid.
Hat sie.. Hat sie denn gesagt, warum sie das getan hat?"
Fragte Natalia nach. Ihre Stimme zitterte und sie konnte mir gar nicht in die Augen sehen.
Ich presste die Lippen zusammen und schüttelte den Kopf.
„Sie kam nicht dazu, denn danach ist Kylian durchgedreht und hat alles mit Benzin eingeschüttet, dann sind wir so schnell wir konnten abgehauen."
Natalia sog meine Lügen auf wie ein Schwamm und beruhigte sich langsam wieder.
Sie dachte sich in Sicherheit, weil sie nicht wusste, was wir wussten.
„Wie gesagt, es tut mir wirklich schrecklich leid doch es ist natürlich trotzdem nicht in Ordnung, dass ihr einfach hinter unserem Rücken gehandelt habt."
Elyas und ich nickten schuldbewusst.
„Tut uns leid."
Sagten wir im Chor.
„Ist schon in Ordnung. Ihr könnt gehen."
Beendete Natalia endlich dieses Gespräch und das ließen wir uns natürlich nicht zwei mal sagen.

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