Kapitel 33

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Ich fixierte Maya mit meinem Blick und wartete auf das, was sie zu sagen hatte.
Elyas hatte recht, sie war gerissen.
Doch ich hätte nie gedacht, dass es so schlimm ist.
„Hat ja ganz schön lang gedauert, bis du mich gefunden hast."
Begann sie auf einmal.
Ich zog eine Augenbraue hoch. Im Ernst?
„Wäre schneller gegangen, wenn man mich nicht andauernd entführt hätte."
Gab ich vorwurfsvoll zurück.
„Andauernd? Es waren zwei mal, stell dich nicht so an, Prinzessin."
Spielte sie das ganze herunter. Als wäre das nicht schlimm genug.
„Woher weißt du, dass es zwei mal waren?"
Sie ging auf die Kontrollkonsole zu und tippte irgendetwas ein, woraufhin sich auf dem Monitor an der Wand ein Video öffnete.
Es zeigte meine Entführung, im Oktober.
Verstört blickte ich zwischen Maya und dem Video hin und her.
„Welches kranke Schwein hat das bitte
gefilmt?"
Meine Stimme war lauter als ich dachte.
„Tu nicht so, du weißt doch, ich sehe alles."
Sie zeigte auf ihr linkes Auge, welches sie immer als „Gottes Auge" oder „Allsehend" bezeichnete, da sie behauptete, sie würde auf diesem Auge besser sehen.
Sie lehnte sich gegen die Konsole und begann dann endlich zu reden.
„Es war ganz schön schmerzhaft, als ich meinen Eltern auf die Schliche gekommen bin.
Wir waren in der Middleschool und dumm und naiv.
Ich hatte an dem Zeitpunkt schon länger einen Verdacht, du weißt ja, wie misstrauisch ich sein kann.
Ich hab' meinen Eltern so lange hinterher spioniert, bis ich es herausfand.
Es war eine kalte Dezembernacht, in der ich bei dir übernachten wollte aber dann doch abgesagt hatte, weil ich mich unwohl gefühlt hab'.
Meine Eltern sind an dem Abend „ausgegangen" und wussten also nicht, dass ich zuhause war.
Und da sah ich, wie sie heim kamen, mit Blut im Gesicht und ner Knarre in der Hand.
Vollkommen sicher war ich, als irgendwelche Feinde von ihnen kurz danach das Haus gestürmt haben und meine Eltern sie vor meinen Augen ermordet haben.
Seitdem trage ich dieses Geheimnis mit mir rum. Ich wusste, dass es mir zu Gute kommen würde, wenn meine Eltern nicht wissen, dass ich es weiß.
Im Sommer fand ich dann heraus, dass deine neuen „tollen" Freunde mich beschatten. Sie waren wirklich schlecht.
Ich hab ihre Pläne herausgefunden und ja, es tat wirklich weh zu hören, dass meine Eltern ein unschuldiges Mädchen ermordet haben, wirklich.
Seitdem bete ich jeden Tag für die arme Scarlett.
Ich hab an mir gezweifelt, wollte auswandern. Ich wusste, dass meine Eltern scheiß viel Geld im Keller versteckt haben, ich wollte es einfach mitnehmen und abhauen.
Denn dadurch dass ich alles wusste, hab ich mich in Gefahr gebracht.
Doch die Tatsache, dass keiner 'ne Ahnung hatte, dass ich es wusste, hat alle Anderen in Gefahr gebracht.
Ich hab auf einmal so viel Macht gespürt, die konnte ich nicht einfach vergolden.
Und dann hab' ich angefangen, einen Plan zu schmieden.
Alles lief gut, bis jemand her musste, der das Alles auf sich nimmt.
Ich brauchte nicht lange, da habe ich mich für dich entschieden.
Und wieso?
Weil ich dein Inneres gesehen habe, Kenna.
Ich hab' gesehen, dass du es schaffen wirst, dass du stark und schlau bist und dich von ein paar Anzug tragenden Idioten nicht umbringen lässt.
Und wie so oft lag ich mit meiner Schätzung richtig.
Du hast es allen gezeigt. Alle Verbunde und Gangs hier im Land haben Respekt vor dir, weil du jedermann's Feind getötet hast.
Du bist stärker als ich dachte."
Länger konnte ich ihr nicht zu hören. Das war alles so krank.
Ich hätte mit vielem gerechnet, aber nicht damit, dass meine beste Freundin mich entführen und in Lebensgefahr bringen lässt.
Sie wischte sich eine Krokodilsträne weg und blickte mich traurig an.
„Du bist so krank."
War das Einzige, was ich sagen konnte.
„Ich weiß und es tut mir so leid! Ich wollte, dass du über dich hinauswächst, dass du erkennst, in was für einer Welt du lebst."
Versuchte sie zu rechtfertigen.
„Du wolltest einfach nur nicht selbst diejenige sein, die entführt wird. Du wolltest nicht umgebracht werden!"
Gab ich zurück.
„Sag mir nur eins, warum warst du bei mir im Zimmer, als Kylian mich entführt hat?"
Fragte ich zornig.
„Ich wollte dir helfen, er hätte dich früher oder später mit dem Morphium getötet. Ich wollte nicht, dass du stirbst!"
Weinte sie.
„In was für einem Verhältnis steht ihr zueinander?"
Hakte ich weiter nach.
„Wir... Wir lieben uns."
Beichtete sie.
Erschrocken starrte ich sie an.
„Er könnte dein Vater sein!"
Schrie ich.
„Fuck, ich weiß. Na und? Das tut jetzt sowieso nichts mehr zur Sache."
Endlich hörte sie auf zu weinen, stattdessen rannte sie verzweifelt hin und her.
„Wie meinst du das?"
Fragte ich unsicher und versuchte, sie zum Stehen zu bringen.
„Es war eine Art Falle.
Kylian wusste, dass ihr kommt.
Er wollte, dass ich dir alles sage und dich so lange aufhalte, bis es soweit ist."
Sagte sie.
„Bis was so weit ist?"
Fragte ich.
„Mann, er hat eine Bombe hier versteckt."
Sie stampfte auf den Boden.
„Direkt unter uns.
Er wollte, dass ich euch so lange aufhalte, bis sie hochgeht."
Beichtete sie.
„Und wieso sagst du mir das jetzt?"
Ich merkte, wie ich wieder nervös wurde und keinen Ausweg sah, Panik machte sich in mir breit.
„Verdammt, du bist meine beste Freundin. Ich kann dich nicht einfach sterben lassen!"
Schrie sie halbwegs.
„Was ist denn mit dir?"
Gab ich erschrocken zurück.
„Mach dir um mich keine Sorgen.
Du musst nur jetzt von hier verschwinden und renn weg, weit weg, verstanden?"
Sie schob mich an die Wand, wo sich ein Notausgang öffnete.
„Und Elyas?"
Fragte ich hektisch.
„Er kommt sicher raus, dafür sorge ich.
Leb wohl, Kenni."
Für eine Antwort war es zu spät, da sich die Wand bereits wieder schloss.
Ich schaltete schnell.
Sofort nahm ich die Beine in die Hände und rannte so schnell ich konnte einen kurzen Gang entlang.
Ich riss die Tür auf und kam endlich nach draußen.
Ich dachte an Maya's Worte und nahm sie mir zu Herzen. Ich rannte so schnell, wie ich in meinem Leben noch nie gerannt bin.
Auf einmal wurde es warm in meinem Rücken, was mich dazu brachte, abrupt stehen zu bleiben und mich umzudrehen.
Just in dem Moment ertönte der lauteste Knall, den ich je gehört hatte und das Haus, in dem ich zuvor noch stand ging vor meinen Augen in die Luft.

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