Kapitel 37

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Erst als wir das Zimmer verließen, konnte ich wieder richtig atmen. Panisch schnappte ich nach Luft und machte mich auf eine Standpauke von Elyas gefasst.
„Wieso hast du das gemacht?"
Wollte er erschüttert wissen und verschränkte die Arme vor der Brust.
„Nicht hier, sie kann uns bestimmt hören."
Flüsterte ich und so verlegten wir das Gespräch auf sein Zimmer.
„Hast du es nicht gemerkt, wie nervös sie wurde, als ich Maya erwähnt habe? Ich wollte wissen, wie sie reagiert, wenn ich ihr sage dass ich über Maya bescheid weiß, aber nicht über die Gründe. Und sie ist direkt in Falle getappt. Sie hat etwas zu verbergen."
Erklärte ich selbstsicher. Mir war klar, dass Elyas das ganz und gar nicht gefiel.
„Ja, schon klar. Aber sie will dich nur schützen."
Nahm er sie in Schutz.
„In dem sie mir dir Wahrheit vorenthält? Sie ist nicht meine Mutter. Ich habe ein Recht darauf, zu erfahren, was mit meiner Familie ist. Ich glaube, deine Eltern wissen mehr, als sie behaupten."
Ich wusste, dass solche Anschuldigungen nicht ungefährlich waren. Doch ich war mir so sicher. Ich hatte genug Beweise.
„Aber was ist, wenn die Wahrheit so schlimm ist, dass du sie nicht erfahren solltest.
Meine Eltern würden dir nie etwas Böses wollen. Vielleicht halten sie es für die beste Lösung, dir nichts zu sagen."
Elyas hielt daran fest, kurz dachte ich, er wüsste vielleicht selbst, was hier vor sich ging. Doch er gab mir ein Versprechen und ich war naiv genug um darauf zu vertrauen.
„Das ist aber nicht ihre Entscheidung. Es war eine schlechte Idee, sie anzulügen.
Ich werd' sie jetzt zur Rede stellen und die Wahrheit verlangen!"
Schrie ich ihn selbstsicher an und machte auf dem Absatz kehrt.
Als ich die Tür erreichte und meine Hand auf die Klinke legte, spürte ich auf einmal seinen warmen Atem in meinem Nacken.
Er legte seine Hand auf meine und verhinderte so, dass ich den Raum verlassen konnte.
„Bitte nicht."
Flehte er flüsternd.
Eine Gänsehaut überkam mich, als sein Atem meine Haut streifte und sie erreichte meinen ganzen Körper.
Langsam drehte ich mich um und sah ihn an. Wie könnte ich ihm jemals widerstehen? Er wusste ganz genau, wie er mich gefügig machen konnte.
„Wieso?"
Zischte ich zurück.
„Hast du etwa Angst?"
Seine harten Gesichtszüge verweichten und ich fühlte mich wie ein kleines Mädchen, wenn er mich so von oben hinab ansah.
Erst jetzt bemerkte ich, wie gefährlich nah ich ihm war.
Er verkreuzte unsere Finger miteinander, die eben noch aufeinander an der Türklinke lagen und die andere Hand legte er vorsichtig auf meine Wange.
„Bleib einfach bei mir."
Hauchte er gegen meine Lippen und bevor ich protestieren konnte, verschloss er meine Lippen mit den seinen.
Ich legte meine freie Hand auf seinen muskulösen Brustkorb, während er seine Hand aus meiner löste und mit den Fingerspitzen meinen Arm hinaufstrich, was meine Gänsehaut verstärkte.
Er löste seine Lippen wieder von meinen und nahm mein Gesicht in seine Hände, bevor er vorsichtig eine Haarsträhne hinter mein Ohr strich.
„Bitte, warte bis Freitag. Bitte, Kenna.
Wenn sich bis dahin nichts ergibt kannst du zu meinen Eltern gehen, aber bitte, warte erstmal ab."
Bettelte er.
Ich war in diesem Moment noch zu benebelt von seinem Kuss, dass ich mir keine Gedanken darüber machen konnte, wie manipulativ und toxisch seine Bitte war.
Darum willigte ich ein.
Ich fragte mich, was ihm daran so wichtig war. Wollten sie mich loswerden? War das geplant? Was würde an diesem Freitag passieren?
Angst stieg in mir auf und ich war mir unsicher, was ich machen sollte.
Sollte ich Elyas von meinen Unsicherheiten erzählen und dass ich einfach viel zu viel nachdachte und jede Kleinigkeit in ihre Einzelteile zermalmte?
Dass ich mir um alles Sorgen machte und mit Ungewissheit nicht leben konnte.
Er gab mir einen langen Kuss auf die Stirn und ließ mich dann wieder los.
Ich hätte in diesem Moment losheulen können. Ich sehnte mich einfach nur nach Liebe und Geborgenheit.
Hatte er mich nur geküsst um zu bekommen, was er wollte? Nutzte er meine Gefühle für ihn aus?
Doch egal, was er tat oder nicht tat, er hatte mich komplett in der Hand.
Egal worum er mich beten würde, ich würde es tun.
Doch dann war da noch eine andere Sache, die mich nicht mehr los ließ.
Als ich das Gespräch von Marco und Natalia belauschte, erwähnten sie eine Joline und es klang so, als wäre sie eine Exfreundin von Elyas.
Er versprach mir, keine Geheimnisse mehr vor mir zu haben. Also was konnte ich schon verlieren?
„Elyas, wer ist Joline?"
Er wich ein Stück zurück, sein Gesicht veränderte sich schlagartig in einen erschrockenen Ausdruck.
„Wo hast du den Namen her?"
Fragte er mit brechender Stimme.
„Ich hab' ihn mal aufgeschnappt, als ich deine Eltern über uns reden hören hab'.
Dein Dad meinte irgendwie, dass das mit uns nicht so enden soll wie mit dir und Joline."
Erklärte ich.
Er seufzte doch schien nachzugeben.
„Setz dich."
Forderte er mich auf.
Er nahm sich einen Moment, dann begann er zu erzählen.
„Joline war meine erste große Liebe. Ich lernte sie auf einer Feier kennen, die ähnlich war, wie die auf der wir waren.
Wir waren wirklich lange zusammen doch irgendwann stellte sich heraus, dass sie mich benutzte um an Informationen über meine Familie zu kommen.
Sie war durch und durch böse.
Doch als ich zwei Monate nach unserer Trennung erfuhr, dass sie getötet wurde, ließ mich das wirklich nicht mehr los."
Ich war schockiert über seine Worte. Das hätte ich wirklich nicht erwartet.
„Elyas, es tut mir so leid. Ich wusste nicht... Tut mir leid, dass ich das so unsensibel angesprochen habe."
Versuchte ich das Ganze zu beschwichtigen und griff nach seiner Hand.
„Ist okay, ich hab' damit abgeschlossen. Ich kann es auch verstehen, ich gebe ja kaum etwas von mir preis.
Aber sie hat mich gelehrt, niemandem zu vertrauen, verstehst du?
Sie hat mich komplett gefühlskalt gemacht.
Ich dachte, ich könnte nie wieder diese Wärme spüren, die die Liebe in einem auslöst.
Ich glaube daran, dass es im Leben nur eine einzige Person gibt, die man richtig liebt. Es gibt nur eine wahre Liebe.
Und ich dachte für eine lange Zeit, dass sie das war. Doch da habe ich mich wohl geirrt. Nachdem ich sie verloren habe, dachte ich, dass ich niemals wieder lieben oder geliebt werden könnte."
Nach diesen Worten sah er mich eindringlich an. Ich wusste nicht, was ich darauf antworten sollte. Doch manchmal war Schweigen einfach die beste Antwort. Man musste nicht immer reden.
Ich legte meinen Kopf auf seiner Schulter ab und schmiegte mich an ihn, um ihm zu zeigen, dass ich für ihn da war, was er annahm, in dem er ebenfalls seinen Arm um mich legte.

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