Kapitel 7

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Lexa hatte Aine zwar prophezeit, sie müsse erst fähig sein ihre Macht ohne Gefühle rufen zu können. Doch Aine hatte die Tragweite dieser Drohung nicht verstanden, bis sie zum tausendsten Mal auf die Kerze starrte. Sie anzuzünden war für Aine eine der leichtesten Aufgaben geworden. Doch hier hörte es leider nicht auf. So oft sie ihre Macht auch für die Kerze rufen konnte. Es war immer damit verbunden das sie sich etwas dazu vorstellen musste. Und immer wieder fokussierten Aine dabei wache, strenge Augen. Aine sollte es fühlen. Erkennen was es bedeutete wenn ihre Macht sich aktivierte. Ihre Magie spüren, wie sie Muskelbewegung oder das Atmen spüren konnte. Doch sie spürte es nicht. Es war nur ein so winziger Augenblick und schon war es vorbei, ohne das sie irgendetwas spürte außer das Gefühl das sie dabei empfand. Es passierte. Und das nicht zufällig. Das war alles was ihr dieses Training verriet. Mehr und mehr Frust sammelte sich in Aine. Wie viele Kerzen waren schon vor ihren Augen abgebrannt? Sie hatte irgendwann aufgehört sie zu zählen. „Noch einmal." Hörte sie Lexas Befehl und Aine unterdrückte nur mit Mühe einen bissigen Kommentar. Sollte sie das wirklich irgendwann ans Ziel bringen? Es fühlte sich mehr wie Folter an. Versuchte Lexa Aine überhaupt ernsthaft das Zaubern beizubringen? Wieder entzündete Aine die Kerze ohne das sie auch nur den Hauch einer Anstrengung spürte. „Verdammt!" Brummte sie wütend, als die Kerze plötzlich einfach davongeschleudert wurde und nur weil Lexa den Kopf zur Seite kippte, verfehlte die Kerze sie. Aines Augen rissen auf. „Aber! Lexa! Ich..." Ihre Stimme brach ab. Schuld stieg in der jungen Frau auf. Sie hätte fast... Wenn Lexa nur etwas später reagiert hätte... Bilder tauchten vor ihrem inneren Augen auf. Erinnerungen an den Zeitungsausschnitt über das Blue Lagon und zu was sie fähig war, wenn sie die Kontrolle verlor. Aus ihrer anfänglichen Wut wurde Angst. Es war nicht das erste mal das sich ihre Magie verselbstständigte. Ein paar Mal schon waren Dinge auch hier im Haus herumgeflogen, doch das war erst das zweite Mal, das sie damit fast jemanden verletzt hätte. Sie spürte wie ihr Körper zu zittern begann während sie immer panischer wurde. Irgendwo begannen Scheiben zu klirren. Das war der Moment als sie eine Hand an der Wange traf und ihre Sicht zur Seite schob. Schmerz flammte an ihrer Backe auf, wo Lexas Ohrfeige sie getroffen hatte. Sofort hörten die Scheiben auf zu klirren. „Jetzt komm runter. Du hast nichtmal getroffen." Sprach Lexa seelenruhig und nur deswegen wagte es Aine zu ihr zu blicken, während sie selbst die Hand hob um ihre Backe zu berühren. So als wollte sie verhindern das Lexa hier noch einmal treffen würde. Aine erwartete Wut bei Lexa. Oder die selbe Frustration, die sie selbst verspürte. Doch stattdessen fanden sie traurige graue Augen, ehe die Ältere sich einfach von Aine wegdrehte und zu der Kerze lief. Aine wusste nichtmal was sie sagen sollte. Lexa hatte ihr einfach eine Geschmiert. Noch nie hatte sie irgendwer einfach geschlagen. In Filmen hatte das immer so leichtfertig gewirkt und doch tat ihre Wange jetzt echt weh. Lexa aber schien einfach weiter machen zu wollen. „Deswegen darfst du nicht alleine zaubern." Sagte Lexa trocken, während sie sich endlich wieder mit der Kerze aufrichtete. „Wieso bist du nicht wütend?" Fragte Aine verloren. Immer diese kalte Distanz. Immer die gleiche Aufgabe. Immer das selbe. In diesem Moment hätte sie sich gewünscht jemand hätte sie angeschrien und sie hätte zurückschreien können. Oder man hätte sie in den Arm genommen. „Wird mich das wirklich lehren, wie man zaubert ohne Leute zu verletzten?" Fragte sie verloren. Griff mit einer Hand nach dem anderen Ellbogen, als versuchte sie sich selbst zu geben, was sie sich jetzt wünschte. Sie spürte noch immer ihre Angst. Die Wut. Den Frust. Und gleichzeitig versuchte sie nichts zu fühlen. Sich zusammenzureißen. Stark zu sein. Sie sah auf und doch konnte sie nichts in den grauen Augen lesen. Warum nur gab Lexa ihr keine tröstenden Worte? Warum war sie so kalt? Warum war dort nicht Ruby... Sie spürte wie der Gedanke anfing sie zu zerfressen, als plötzlich zwei Hände sich auf ihre Schultern legten. „Du hast genug für heute. Wir hören auf. Komm mit. Ich mache dir einen Tee. Der wird dich beruhigen." Damit lösten sich auch schon wieder Lexas Hände von Aine. Aufhören? Noch mehr Zeit verschwenden? „Ich kann noch!" Sagte sie so schlagartig und zu ihrer Überraschung blieb Lexa tatsächlich stehen. „Du solltest lernen dich besser einzuschätzen, wenn du überleben willst." Überleben? Aines Augen weiteten sich wie vor den Kopf geschlagen. Ja sie hatte überlebt und bis jetzt wusste sie nicht wieso. Wieso hatte sie überlebt. Warum machte sie weiter. Warum... diesmal versuchte sie selbst krampfhaft nicht auszuticken. Sich selbst daraus hervorzuholen. Also starrte sie auf das Einzige das vor ihr war. Lexas Rücken. Wenn sie erfuhr was Lexa widerfahren war, würde ihr das helfen mit ihrer eigenen Vergangenheit besser klar zu kommen? „Lexa, kannst du mir nicht was von dir erzählen? Warum du hier bist, oder wie du überlebt hast. Warum du dich hier versteckst. Was ist passiert?" Sie stockte als sie wahrnahm wie Lexa sich rührte. Umdrehte. „Warum ich überlebt habe? Warum ich hier bin?" In den verbitterten Augen leuchtete ein Gefühl auf. War es Wut? Frust? Schmerz? „Du willst wissen was passiert ist? Ich sag dir was passiert ist.." Hauchte sie und stellte die Kerze einfach aufs Sofa, ehe sie zu Aine trat. Für einen Moment glaubte Aine etwas in den Augen der Hexe zu sehen, das ihr vertraut vorkam. Der Schmerz des Verlustes. „Als ich noch jünger war, wollte ich die Welt verbessern. Ich war wissbegierig, habe hart trainiert. Denn ich war überzeugt ich könnte die Welt zu einem besseren Ort machen. Dafür hab ich alles gegeben. Zu viel. Ich habe Grenzen überschritten, die man niemals überschreiten darf. Nur weil ich glaubte es besser zu können. Nur weil ich glaubte das die Welt mich ausbremsen wollte. Das ich es besser wusste. All die dummen Regeln der Zirkel. Veraltet und dumm.. Das war wovon ich überzeugt war. Was danach folgt... Ich habe gebüßt für ein Unheil das ich nur mit Mühe und Not verhindern konnte. Eines das ich selber heraufbeschworen hatte. Hätte ich es nicht. Hätte ich auf meine Meisterin gehört. Auf die Regeln gehört. Ich hätte-" Mit einem Schlag brach die Stimme Aines Meisterin. Ihr Blick wurde schmerzerfüllt. Was auch immer nach dem hätte gekommen wäre, es war ein hätte, das sie mehr bereute als alles andere auf dieser Welt. Dieses hätte, hatte sie gebrochen. Aine konnte es sehen. Zum ersten Mal. Zum ersten Mal hatte Lexa Aine ein ernsthaftes Gefühl gezeigt. Für einen Moment stand Aine stumm da. Überrascht was sie erfahren hatte, doch es war so vage. Aine verstand noch immer nicht. Doch es hatte gewirkt. Jedes klirren und ihre eigene Angst. Sie waren fort. „Wovon sprichst du? Welches Unheil und was meintest du mit du hast Grenzen überschritten und alles gegeben? Wo ist dein Zirkel? Waren die anderen zu schwach? Bitte erzähl mir was mit den Hexen geschehen ist!" Dabei sah Aine Lexa neugierig an. Die schmerzende Backe vergessen. Sie wollte schon immer wissen wieso die Hexen fort waren bzw. so gut wie. „Was hast du getan? Damals." Qual spiegelte auf dem Gesicht der alten Hexe. Schmerz, der sie dazu brachte sich von Aine wegzudrehen. Blickte Lexa deswegen so oft weg? Aus den Fenstern um nicht preiszugeben das sie von Schmerz erfüllt war? „Das Training ist vorbei." Sprach sie mit leiser Stimme. Wandte sich ab und Aines Herz rutschte ihr tiefer. „Bitte.. ich will endlich verstehen was hier los ist. Wieso musste meine Mutter sterben? " Warf Aine in den Raum. Noch ein letztes Mal blieb Lexa stehen. „Ich weiß es nicht." Dann lief sie einfach weiter. Verschwand kommentarlos aus dem Zimmer. Sie war gegangen als hatte sie sich in Luft aufgelöst und alles was zurückblieb war eine aufgewühlte Aine. Minutenlang stand sie verlassen im Wohnzimmer und Tränen rannen ihre Wangen hinab. Hatte ihre Mutter wirklich einfach Pech gehabt? Wusste Lexa wirklich nicht mehr? Es musste mehr geben. Das hoffte Aine und so eilte sie in die Küche, doch alles was sie fand war eine Tasse und eine Kanne aus der es dampfte. Von Lexa war keine Spur mehr, als hätte es sie hier nie gegeben.

Slomanyye I - The Last WitchWo Geschichten leben. Entdecke jetzt