Kapitel 6

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Als Aine einige Tage später erwachte, fühlte sie sich als hätte ein Lkw sie überfahren. Ihr Schädel brummte, als bearbeitete gerade ein Hammer ihren Kopf. Sie war ausgelaugt und am Ende. Konnte sie überhaupt den Arm heben? „Dornröschen ist also endlich erwacht." Begrüßte sie eine unbekannte Stimme. Verwirrt drehte sie den Kopf um eine ihr ebenfalls unbekannte Blonde zu erblicken und doch wusste Aine einfach, das es die Hexe aus der Bar sein musste. Es war eine gänzlich andere Gestalt, doch der Ausdruck auf dem Gesicht der Hexe und ihr Blick gaben Aine die Gewissheit, das die rothaarige Frau und die Blonde hier ein und die selbe Person waren. „Sehr witzig" Krächzte Aine als Antwort. Sie wollte sich aufsetzen, doch es gelang ihr nicht, also gab sie auf und blieb einfach liegen. „Was ist passiert?" Dabei sah sie zu der Blondhaarigen. Aine war überrascht diese zu sehen. Hatte sie Ivans und ihre Bitte nicht abgelehnt? „Wo ist Ivan hin?" Fragte Aine, ehe sie scharf die Luft einzog. Ein Schmerz überkam sie selbst im Liegen. Es war wie Muskelkater, der sich durch ihren Körper fraß. „Was ist mit mir? Warum fühle ich mich als hätte mich ein Panzer überfahren? Wo sind wir?" Dann atmete sie tief durch. „Tut mir leid zu viele Fragen ist klar.." Sie war hier und Ivan fort. Bedeutete das, das die Hexe ihre Meinung geändert hatte? Ivan hatte es Aine selbst gesagt. Er müsse verschwinden damit die Hexe sie lehrte. „Du bist in Sicherheit. Das ist mein Haus." Antwortete Lexa kurz angebunden. Die Blonde stand mit dem Rücken zu Aine, doch als sie sich umwandte, konnte die Brünette eine Tasse mit dampfendem Inhalt in Lexas Hand sehen und ein Blick, der um vieles sanfter geworden war. Was war passiert seit dem? Aine erinnerte sich, das die Bilder sie heimgesucht hatten und dann... An Schmerzen. Gewaltige Schmerzen. Wusste die Hexe, was in ihr vorging? „Es wäre gut, wenn du dich einfach entspannst und nicht versuchst durchzudrehen. Wäre schade wenn das Haus kaputt geht. Ich mags eigentlich." Mit der Tasse und ihrem Gerede überwand Lexa den Weg zwischen einem Schränkchen, auf der eine Kanne stand und Aine, die in einem flauschigen Bett lag. „Trink das, das wird die Schmerzen lindern." Aine starrte die Tasse an und betrachtete die grünliche Flüssigkeit. Sah noch einmal zu der älteren Frau und dann setzte sie die Tasse an ihre Lippen an. Sie verzog den Mund, als die bittere Flüssigkeit ihre Geschmacksnerven traf. Sofort ließ sie die Tasse sinken. „Was meintest du mit, wenn ich das Haus kaputt mache... Wie sollte ich? Was..Was hab ich getan?" Aine zitterte leicht. „Habe ich Ivan etwa... Ist er?... Habe ich ihm etwas getan?" Ihr Herz begann zu rasen. Doch Lexa schüttelte den Kopf. Das Sanfte verschwand aus dem Blick der Hexe und sofort wirkte sie wieder verschlossen und kalt. „Der stirbt nicht." Überfordert setzte Aine die Tasse wieder an und nahm einen weiteren Schluck. Die Hexe war so kurz angebunden. Was nur sollte sie mit ihr reden?„Wirst du mir helfen?" Lexa wich Aines Blick aus. Sah hinaus aus dem Fenster, als dachte sie an irgendetwas das sie mit Sicherheit nicht mit Aine teilen würde. „Hab ich eine Wahl? Du bist eine Gefahr für dich und andere." Aine hatte gerade die Tasse leer, da hob Lexa die Kanne hoch und füllte den Tee wieder auf, während etwas bleiernes Aines Herz erfüllte. Sie war eine Gefahr? War diese Frau wirklich ihre einzige Chance um ihre Mutter und Freunde zu retten? Das dieser Gedanke sie nicht mehr vollkommen zerfraß, fiel ihr nicht einmal auf. Es quälte sie, aber es zerstörte sie nicht. „Und Ivan?" Lexa war gerade von Aine abgewandt um den Krug abzustellen. Für einen kurzen Moment stockte die Lexa. Hatte ihr die Frage einen Stich versetzt? „Er ist fort. Hör mir gut zu. Regel Nummer 1 bis du ausgelernt bist. Du wirst ihn nicht mehr erwähnen und noch weniger wirst du mich nach ihm fragen." Aine sah ihre zukünftige Lehrerin eine Weile lang an. Sie überlegte, ob sie laut sagen sollte was sie dachte, entschied sich aber dafür es zu lassen. Wenn Ivan Recht hatte war diese Frau die Einzige, die ihr helfen konnte. „Ich kann mich nicht wirklich erinnern... Wie bin ich hier her gekommen?" Fragte Aine schnell um das Thema zu wechseln. Sie musste es wechseln bevor ihre einzige Chance auf Hilfe verloren ging. Dafür kassierte Aine von Lexa einen undefinierbaren Blick, dann wandte sich die Ältere einfach ab und verließ das Zimmer. Für einen Moment dachte Aine sie hatte Lexas Bogen bereits nach 5 Minuten überspannt, doch stattdessen kam diese mit der Zeitung wieder und warf sie Aine auf die Decke. „Sieh selber." Aine blinzelte und griff müde nach dem Papier. Allein das strengte sie bereits an, doch als sie das Titelbild erblickte, erstarrte sie. Die Überschrift titelte etwas von einer Gasexplosion mit nur wenigen leicht verletzten Opfern und darunter war das riesige Bild eines vollkommen zerstörten Straßenzuges. Und zwar exakt dem, an dem sie die Hexe getroffen hatte. Aine konnte im Hintergrund das Schild der Bar sehen. Blue Lagoon. Eine geschlossene Bar, die zur falschen Zeit am falschen Ort gestanden hatte. Lexa stand einfach nur mit verschränkten Armen da und wartete. Aine konnte die Augen kaum davon lösen, ehe sie aufsah. „Ich war das?" Fassungslosigkeit schwang in Aines Stimme mit. Sofort setzte sie sich nun ein Stück aufrechter hin nur um die Augen zuzukneifen und ein Fluchen zu unterdrücken. Kein Wunder tat ihr alles weh. „Bin ich wirklich in der Lage dazu? Bisher konnte ich nur eine Kerze anzünden.. und..." Sie schaffte es nicht den Schutzschild zu erwähnen. Verdrängte die Erinnerung daran lieber sofort. „Ich bin keine super Hexe... Ich denke Ivan hat sich in mir getäuscht.." Ein eiskalter Blick traf Aine und sofort wurde ihr klar das sie Regel Nr. 1 in 10 Minuten gefühlte 1000 mal gebrochen hatte. Erschrocken schluckte die 18 jährige. Sie kannte die Ältere nicht genug um einzuschätzen, was das jetzt bedeuten würde. Sie musste schnell weiterreden damit das mit Ivan keine Rolle spielte. Es fühlte sich für Aine an, als versuchte sie über ein Minenfeld zu rennen an dessen Ende ihre Familie warten würde. Wenn Aine nicht in die Lehre der Hexe ging, wie sollte sie sonst ihre Mutter retten? Sie durfte das nicht versauen. „Kannst du mir helfen... das so etwas nicht mehr geschieht? Wirst du mir Dinge zeigen und beibringen? Wirst du es tun? Du bist doch die mächtigste Hexe! Das hat- Bitte!" Die Brünette sah die Blonde erwartungsvoll an, während sich der Blick der alten Hexe nicht verändert hatte. Er war noch immer kalt und reserviert. Aines Herz wurde ihr bereits schwer, als Lexa sich abwandte um neuen Tee zu holen. „Ich werde dir zeigen, wie du es kontrollierst, bevor du wirklich jemanden tötest. Unkontrolliert bist du in der Lage ganze Dörfer auszulöschen. Dich eingeschlossen. Bis auf weiteres musst du versuchen deine Gefühle unter Kontrolle zu halten. Aber wir haben Zeit gewonnen. Deine letzte Entladung war fast vollständig. Es wird einige Zeit dauern, bis deine Magie wieder aufgeladen ist." Aine hatte gerade die Tasse leer, da hob Lexa die Kanne hoch und füllte den Tee wieder auf. Nichts verriet was die Blonde dachte, doch Aine fiel ein großer Stein vom Herzen. Sie würde sie lehren! Aine würde das Zaubern wirklich lernen! Erst jetzt erlaubte sich Aine umherzublicken. „Ist das Haus deine Tarnung?" Lexas Augenbrauen hoben sich skeptisch, doch auf Aines Frage zum Haus ging sie nicht ein. „Trink aus, ich mache neuen Tee." Damit wandte sich die Ältere ab und griff nach der leeren Kanne. Es wunderte Aine das sie nach all dem Tee noch gar nicht aufs Klo musste. Doch er wirkte und die Schmerzen waren viel erträglicher geworden. Aine sah wie die alte Hexe sich bereits entfernte, aber Aine wollte jetzt nicht allein sein. Sie wollte irgendetwas zu tun haben damit sie hier nicht so nutzlos rumlag. Sie wollte irgendetwas sagen einfach nur um nicht in der Stille zu versinken. „Ich bin verflucht... Ich darf nicht Mal emotional werden ohne das ich Angst haben muss? Außerdem.. Diese Leute, die Hexen und Vampire jagen.. Es gibt sie! Ich habe sie in meinem Dorf gesehen. Die sind keine Freunde von Hexen, oder? Dabei sind sie selbst unmenschlich.. Sind wir hier sicher vor ihnen?" Aine schloss die Augen. Da war es wieder Angst, Verzweiflung. Die Tassen und Gläser sogar die Fensterscheiben klapperten bereits, obwohl Aine so viel Magie frei gesetzt hatte, konnte sie noch genug aufbringen um das Inventar zu gefährden. Aine riss die Augen auf. „Bin ich das?" Sofort stoppte das Klirren, als ihre Gedanken sich darauf lenkten. „Ja das bist du." Sagte Lexa trocken und statt nervös darüber zu sein, stoppte sie einfach. Wandte sich Aine tatsächlich noch einmal zu statt zu verschwinde. „Es geht hier nicht darum emotionslos zu werden. Es geht darum das du dich zurück hältst mit Angst, Wut und Verzweiflung bis du gelernt hast deine Magie kontrolliert ein zu setzten. Wenn dein Körper gewohnt ist deine Kraft zu nutzen, dann kann selbst gewaltige Wut nicht dein inneres Gleichgewicht zerstören. Du musst trainieren, als wäre deine Magie ein Muskel." Aine seufzte erschlagen. „Okay das klingt anstrengend..." Dabei sah Aine unsicher zu Lexa. Eigentlich wollte sie sich erst mal ablenken. Das ganze trainieren? Das sollte wohl ein Scherz sein. Wieso konnte nicht wieder alles so sein wie vor diesem schrecklichen Kampf in den das Dorf mit reingezogen wurde. Das war furchtbar. Jetzt war sie hier im Haus einer Fremden in einem Städtchen in dem sie keinen kannte. Mutterseelenallein.. „Kann man Tote zurück holen? Ist es möglich? Ich mein ich kann doch zaubern oder? Kann ich meine Mutter..." Lexas Blick wurde noch kälter und Aine war überrascht, das das überhaupt möglich war. Ein Schauer jagte durch ihren Körper als die grauen Augen der Hexe sie wie Dolche durchbohrten. „Das ist schwarze Magie. Wage es und ich werde dich töten." Die Stimme der Älteren war fast ein Flüstern geworden. Die Härte der Worte leerten Aines überfülltes Gehirn und ließ nur eines zurück. Angst. Scheinbar erkannte die Hexe, wie Grausam sie geklungen hatte, denn sie seufzte plötzlich und blickte fort. Hinaus aus dem Fenster. Ihr Blick wurde fern und leer. Etwas das Aine nicht einordnen konnte, doch dann sprach Lexa plötzlich weiter. Sanfter als zuvor, als bereute sie, was sie gesagt hatte. „Niemals darf man versuchen mit Magie Tote ins Leben zurück zu holen. Die, die zurückkommen, sind niemals die, die du verloren hast. Du holst nur das zerfallende Fleisch zurück, das sich bewegt. Es hat ein Eigenleben, aber es enthält nicht die Seele deiner geliebten Person. Tot ist Tot, auch für die mächtigste Hexe." Aine senkte den Blick. Sie hörte es, doch sie glaubte es nicht. Es musste einen Weg geben. Trotz ihrer Angst fragte Aine weiter, den es war ihr einziger Strohhalm. Alles was ihr geblieben war und die Hexe hatte nicht gesagt das es unmöglich war. Um Konsequenzen konnte Aine sich kümmern, sobald es soweit war. Jetzt zählte nur eines. Das sie es bis dahin schaffte. „Hast du es schon Mal gesehen? Vielleicht ging es nur schief als es jemand versucht hat? Vielleicht wenn ich gut genug übe..." Doch ein eindringliches Nein riss Aine aus ihren Gedanken und sie seufzte innerlich. „Für was soll diese verdammte Magie dann gut sein? Alle Hexen sind tot! Wieso lebst du überhaupt noch? Ich dachte Hexen seien ausgestorben? Wieso habe ich nie von dir gehört? Wieso lebst du so einsam?" Aine hatte jede Menge Fragen, doch der Tee entfaltete langsam seine Wirkung. Die Linderung trat ein aber genauso die Müdigkeit. Alles was sie noch sah war Lexas undefinierbarer Blick. „Das ist nicht wichtig. " Aine wollte widersprechen, doch da gewann der Tee und sie sank in einen traumlosen Schlaf.

Slomanyye I - The Last WitchWo Geschichten leben. Entdecke jetzt