Kapitel 16.1

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Am Ende eines langen Barabends war Anna bereits gegangen. Noch einmal hatte sie besorgt zu Betty geblickt. Doch schließlich war sie stumm abgezogen. Erleichtert atmete Lexa aus. Sie hob die letzten Müllsäcke hoch und trug sie zum Hintereingang raus und warf sie in die Müllbehälter. Dann stockte sie. Sie hatte das Bedürfnis zu reden. Mit irgendjemanden endlich zu reden. War es weil sie die letzten Tage so ehrlich zu Aine gewesen war? Doch mit wem sollte sie reden? Ivan war keine Option. Die Leute im Dorf auch nicht. Aine auch nicht. Langsam hob sie den Blick und sah zum Mond hinauf. Die Sterne leuchteten hoch am Himmel. Gab es wirklich niemanden, mit dem sie über irgendetwas wichtiges reden konnte? Nur zu gern hätte sie jetzt Morgana befragt. Doch auch Morgana war unerreichbar für sie. Würde sie ihre Kräfte haben... doch die hatte sie nicht und die einzige Möglichkeit ihre Magie zurückzugewinnen, hatte sie ausgeschlagen. Aus Angst. Angst vor falscher Hoffnung und Angst ernsthaft in diese Sache mit hinein gezogen zu werden. „Jason... habe ich mich hier versteckt?" Fragte sie verloren in die Nacht hinein. Sie wusste er war irgendwo in der Nähe. Sie wusste das er sie hörte, doch er schwieg. War er noch immer sauer auf sie? Er schien es, denn er tauchte nicht auf. Lies diese Frage unbeantwortet. Erschöpft lies sie den Kopf sinken und lief zurück in die Bar. Sie schloss alle Zugänge ab, schaltete das Licht aus und machte sich schließlich auf den Rückweg. Doch sie war nicht weit gekommen, da machte sie einfach kehrt. Sie ging zur Bar zurück. Diesmal schaltete sie das Licht nicht ein. Sie entzündete eine Kerze und zog eine Flasche Wodka hervor und ein Schnapsglas. Dann lies sie sich auf einer ihrer Stühle nieder und schenkte sich das erste Glas ein. Langsam lehnte sie sich zurück. Sie hob das Glas vor die Kerze und betrachtete wie die Flüssigkeit das Licht der Kerze brach. Licht funkelte herum während sie das Glas hin und her drehte und schließlich doch in sich hinein kippte. Der Alkohol brannte ihre Speiseröhre hinab, als sie das Glas mit einem lauten Poch zurück auf den Tisch stellte und die Augen schloss. Es war verrückt doch in all der Zeit als Bardame, hatte sie selber nie getrunken. Nicht ein einziges mal. Warum fing sie plötzlich damit an?

Da sie sonst nichts zu tun hatte, nahm sie die Wodkaflasche und füllte das Glas ein zweites mal. Plötzlich wurde ihr bewusst, das dort niemand war, dem sie sich anvertraute. Kein Wunder hatte keine ihrer Versuche jemanden zu finden gehalten. Sie musste unnahbar gewesen sein. Launisch. Mürrisch, verbittert. Distanziert. Im Grunde hatte sie es bei keinem wirklich versucht. Hatte sie Männer gehasst? Oder sich selbst? Ivan? Die Jäger oder Viktor? Vielleicht auch einfach nur die ganze Welt und das Schicksal? Sie schloss die Augen und schüttete das nächste Glas in sich hinein. Als sie die Augen wieder öffnete mit dem berauschenden Gefühl von Feuer in sich, blickten sie blaue, wütende Augen an. Jason. „Was soll das? Hältst du das für klug? Aine allein lassen. Was wenn Jäger auftauchen?" Lexa lachte auf und füllte ihr Schnapsglas einfach erneut. „Ach auf einmal willst du reden?" War es der Alkohol der ihre Zunge löste? „Verdammt was soll das alles Lexa? Hast du den Verstand verloren? Erst diese Aktion mit Ivan, jetzt das!" Ohne zu zögern schüttete Lexa das Glas in sich hinein und blickte dann zu Jason herüber. „Auch was?" Fragte sie amüsiert. War das auch der Alkohol? „Nein Lexa verdammt hörst du mir überhaupt zu?!" Sie füllte ihr Glas das 4. mal und verschüttete einen Teil über den Tisch ehe sie die Flasche wieder hinstellte und zu Jason sah. Ihre Finger schlangen sich um das kleinen Gläschen, das sich feucht anfühlte. „Warum genau bist du so wütend Jason?" Ihre Augen fixierten ihn und sie konnte nur noch mehr Wut auflodern sehen. „Das fragst du noch?" Sie löste den Blick von ihm um das nächste Glas in sich hinein zu schütten. Dieses Gefühl von Feuer machte einen wirklich süchtig. „Ja gut. Ich hab dich angelogen und bin alleine dorthin. Aber Ivan ist frei. Wie, sollte dir doch egal sein. Was also macht dich so wütend? Du bist viel zu wütend dafür, das das hier nur ein Job ist."

Aufgebracht hob er die Hand wie damals im Schloss. Wieder hielt er sie kurz vor ihren Kopf als wolle er zupacken und sie durchschütteln oder ihr eine verpassen. Und wieder zog er die Hand zurück und atmete aufgewühlt aus, ehe der Stuhl über den Boden kratzte und er genervt aufstand. „Verdammt Lexa!" Entfuhr es ihm wütend und nun musste Lexa doch blinzeln. Sie hörte sogar Mitten drin auf ihr Glas das 5. mal zu füllen. „Was? Was ist dein Problem?" Nun wurde auch sie stinkig. Weil sie die Situation nicht verstand und weil sie sowieso wütend war. Auf alles. Es war ein super Ventil. „DU!" Brummte ihr Jason als Antwort und seine Augen durchbohrten sie fast. Vom Alkohol beschwipst lies sie die Flasche sinken und stand ebenfalls auf. „Dann sag Ivan, er soll jemand anderes schicken und verschwinde! Hab dich nicht darum gebeten hier zu sein!" Wieder atmete er schwer aus und blickte umher als suche er etwas um nicht mehr wütend zu sein, dann sah er wieder zu ihr hin. Für einen Moment schloss er die Augen, dann trat er direkt vor sie. „Du willst es einfach nicht verstehen oder?" Er baute sich vor ihr auf doch Lexa blickte unerschrocken zu ihm hoch. „Was verstehen mh?" Wieder schloss er die Augen und atmete tief ein und aus. Als er die Augen wieder öffnete loderte dort keine Wut mehr. Allein das brachte Lexa aus dem Konzept. „Warum glaubst du habe ich diesen Job so lange gemacht? Glaubst du wirklich Ivan hätte mich nicht ersetzt wenn ich darum gebeten hätte? Warum habe ich nie gebeten ausgewechselt zu werden? All die Jahre?" Er stoppte und sah sie auffordernd an. Ihre Augen waren weit offen als ihr Herz für eine Sekunde aussetzte. Mit einem Schlag hatte sich die Situation vollkommen verändert. „Weil..." Fing sie an und stoppte direkt wieder. Es fiel ihr nichts ein. Sein Gesicht wurde immer weicher. „Ich habe dich beobachtet Lexa. All die Zeit habe ich gesehen wie du gelitten hast und mit jedem Tag wollte ich mehr für dich da sein und verhindern das du noch mehr leiden musst. Ich habe alles böse verschwinden lassen damit du hier endlich Frieden finden kannst. Ich habe zugesehen wie du zu Betty wurdest und diese Bar eröffnet hast und dort war endlich etwas Frieden in deinem Blick. Ab und zu hast du hier Alkohol verteilt und ehrlich gelacht. Lexa. Du hast gefragt ob du dich hier versteckt hast.. Aber hast du es nicht endlich verdient Ruhe zu finden? Ich kann dafür sorgen Lexa. Ich kann dich beschützen. Verhindern das der Krieg dich erreicht. Verhindern das du wieder leidest. Von allen Menschen auf dieser Welt will ich das du glücklich bist."

Lexa war sprachlos. Sie stand einfach da und starrte Jason an. Hatte er ihr gerade... hatte er wirklich... hatte er ... liebte er sie? War sie deswegen der letzte Mensch auf Erden der hätte losgehen sollen um Ivan zu retten? War er deswegen so wütend? „Jason.." Fing sie an doch wieder stoppte sie. Was sollte sie darauf erwidern? Er hatte sie beobachtet, doch sie hatte ihn nur als Schatten wahrgenommen. Der Schatten, der ihr folgte ohne sich zu zeigen. Lächelnd hob er seine Hand und patete ihren Kopf. „Denk darüber nach, ja? Darüber das du auch die Wahl hast das alles hinter dir zu lassen. Dieser Krieg, muss nicht deiner sein. Du hast genug gelitten." Lexa war wie erstarrt als Jason die Hand zurückzog und einen Schritt zurück trat. „Versprich mir das du darüber nachdenkst." Mit einem mal konnte Lexa all die Liebe in seinem Blick sehen. Wärme, die seine blauen Augen ausstrahlten und ihr versprachen er würde sie halten und schützen. „Was ist, wenn ich mich für den Kampf entscheide?" „Dann werde ich an deiner Seite kämpfen. Ich tue alles um zu verhindern, das du noch einmal so leiden musst. Aber versuche dir vorzustellen, du verschwindest einfach mit mir. Weit weg. Weg von deiner Vergangenheit. Weg von einem Krieg, der nicht mehr deiner sein muss." „Das würde bedeuten du lässt deinen Clan im Stich." „Ich bin so lange fort, es fühlt sich nicht mehr an wie mein Clan." Er sah aus als wolle er die Schritte überwinden und sie an sich ziehen, doch er blieb wo er war. „Denk darüber nach ja?" Endlich nickte Lexa und er schenkte ihr ein aufrichtiges Lächeln. „Und trink nicht so viel." Sie sah zum Tisch mit der Flasche und wieder zu Jason. Doch sie fand ihn nicht. Er war so schweigend und leise verschwunden wie er gekommen war, doch er hatte eine überforderte Hexe zurückgelassen. Ein Gefühl überkam sie und sie blickte zum Fenster, doch da war nichts. Spinnte sie schon? Es musste der Alkohol sein.. Oder eine dumme Hoffnung... Vermutlich beides.

Slomanyye I - The Last WitchWo Geschichten leben. Entdecke jetzt