Kapitel 6.3

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Wochen strichen dahin, ohne das sie mehr miteinander redeten als das was die Lehre betraf. Aine stand Morgens auf. Machte den Kaffee. Dann gab es 3 Stunden Training. Es bestand in all den Tagen aus nicht mehr, als ruhig vor der Kerze zu sitzen und die Bilder zu ertragen. Bilder, die mit jedem Tag mehr zu ihrem Alltag gehörten. Die ersten Tage hatten die Fensterscheiben geklirrt wann immer sie auch nur versuchte auf die Lunte zu blicken, jetzt schaffte es sie es ohne das es ihre Gefühle zum ausrasten brachte. Langsam wurde ihr Kopf frei um sich ganz und gar auf die Kerze zu konzentrieren. Nach dem Training bereiteten sie das Abendessen vor. Abwechselnd. Dann war Lexa fort und überließ Aine sich selbst. Die ersten Tage hatte Aine geweint. Dann wieder Handyspiele gespielt. Kindl heruntergeladen und Bücher gelesen. Alles was sie irgendwie beschäftigte. Jetzt aber saßen Aine und Lexa wieder im Wohnzimmer, die Kerze zwischen ihnen. Eine ganze Weile starrte Aine wie üblich auf die Lunte und fragte sich, wie Lexa so viel Geduld aufbringen konnte. Nicht ein einziges Mal drängte sie Aine dazu, es zu versuchen. Ließ ihr die Zeit die Aine brauchte. Langsam lösten sich Aines grüne Augen von der Lunte und sie sah hinauf in Lexas Gesicht. „Ich möchte es heute versuchen." Es waren so wenige Worte, die so unverhofft aus ihrem Mund gekrochen waren. Selbst Aine war überrascht davon. Lexa allerdings nicht. Kurz verengten sich ihre Augen, als wollte sie einschätzen, was in Aine vorging, dann plötzlich nickte sie und hob die Hand. „Nur zu. Versuch es." Aine sah nur weg, um noch einmal zu dem gelblichen Gas zu blicken. Etwas das sie all die Zeit gelernt hatte. Das war ihr Safe Place. Immer, wenn sie das Gefühl hatte von ihren Erinnerungen heimgesucht zu werden, dachte sie daran und Ruhe fand wieder bei ihr Einzug. Mit einem Nicken fokussierte Aine sich, sah zur Kerze und direkt wieder herauf. „Und wie?" Es war ihr selbst peinlich. Seit Wochen saßen sie hier und sie hatte nicht einmal diese Frage gestellt. Ein Seufzen war ihre erste Antwort. Lexas Augen glitten fort. Wie so oft. In ihre Gedanken versunken, die sie niemals mit Aine teilte, dann kehrten die grauen Augen zurück. „Benutze positive Gefühle um die Kerze zu entzünden, aber nichts zu emotionales und versuche die Macht gleich wieder verschwinden zu lassen indem du dir etwas ruhiges vorstellst. Eine Lichtung, ein Wasserfall. Ein Bild in deinem Kopf, das dich aus dem Gefühl wieder rausholt." Aine sah unsicher von der Hexe vor sich zu der Kerze. „Kannst du es mir nicht vormachen?" Ihre grünen Augen blickten auf und doch fanden sie die Grauen ihrer Meisterin nicht. „Ich kann es dir nicht zeigen. Ich besitze keine magische Kraft mehr." Lexa hatte es so gleichgültig gesagt. So nebenbei, als wäre es etwas unwichtiges. Oder belastete es sie so sehr, das sie Aine nicht ansehen konnte? „Was?!" Aine riss die Augen auf und starrte zu ihrer Meisterin als konnte sie nicht glauben was sie da hörte. „Aber wie? Man kann seine Macht verlieren?" Endlich legten sich die grauen Augen wieder auf Aine. „Man kann alles im Leben verlieren Aine. Die Magie macht da keinen Unterschied. Aber keine Sorge. Eine Kerze anzuzünden, wird deine Magie nicht zerstören." Die Brünette schluckte und öffnete den Mund, doch Lexa hob die Hand. „Frag nicht, du wirst keine Antwort darauf bekommen. Konzentrier dich auf die Kerze." Aine senkte den Blick, doch innerlich war sie noch bei dieser Erkenntnis. Lexa hatte ihre Macht verloren? Hatte sie sich deswegen hier versteckt? War sie deswegen so verbittert und kalt geworden? Wenn Lexa wirklich einmal die mächtigste Hexe war, die je gelebt hat, wie musste es sein, wenn man das alles verlor? Hatte sie die Macht bei einem Kampf mit einem Jäger verloren? Es gab viele Fragen in Aines Kopf, doch als sie heimlich hoch blickte war ihr klar, das Lexa ihr keine Antwort geben würde, wie auf so vieles, das Aine nur zu gerne gelernt hätte. Also konzentrierte sie sich auf die Kerze vor sich und versuchte sich ein emotionales Ziel vorzustellen. Starrte die Lunte an, wie sie es schon in der Küche damals getan hatte. Am liebsten hätte sie die Kerze für ihre Mutter entzündet. Eine kleine Geste des Abschiedes. Wie eine Grabkerze... Erschrocken drückte sie sich tiefer ins Polster des Sofas als eine Stichflamme von der Kerze aufstieg, langsam verebbte und zu einem kleinen brennenden Flämmchen wurde. „Aber..." Fing sie an und sah zu Lexa auf, die erst die Kerze und dann sie musterte. „Das war definitiv keine kleine Emotion Aine, aber du hast Talent." Das war leichter gegangen als sie erwartet hatte. Nach wochenlangem herumsitzen, hatte es sich spielend leicht ergeben? In der Küche damals hatte sie so lange so nutzlos auf die Kerze gestarrt. Sie hatte den Moment noch nicht verarbeitet da beugte sich Lexa vor und pustete die Kerze aus und Aine wusste genau was das bedeutete. „Nochmal. Und diesmal ohne so viele Emotionen." Aine nickte artig und Hoffnung flammte in ihr auf. Vielleicht war es doch nicht so schwer Magie zu lernen, wie sie befürchtet hatte. „Lexa?" Sie blickte auf statt es gleich noch einmal zu probieren. „Mh?" Wache Augen erwarteten sie. „Wenn ich das hier kann. Also das mit der Kerze. Was lerne ich danach? Lerne ich dann endlich Zaubersprüche?" Lexas Blick veränderte sich kaum und doch war Aine klar, das sie nicht hören würde was sie hoffte. „Jetzt hast du gelernt mit deiner Vergangenheit klar zu kommen, doch nur weil du deine Macht bei jedem gefühlvollen Gedanken rufen kannst, heißt das nicht das du deine Magie kontrollierst. Du musst lernen es ohne Gefühl zu können. Wenn du das geschafft hast, bringe ich dir die Sprache der Hexen bei." „Wirklich?" Aines Augen glühten auf vor Freude. Sie konnte es nicht glauben. Es gab wirklich eine eigene Hexensprache! „Ja wirklich. Aber mach dir keine Hoffnung. Sie ist komplizierter als Englisch oder Spanisch. Auch komplizierter als Deutsch und Japanisch zusammen. Sie ist eigen und wird ausschließlich mündlich gelehrt. Sie zu lernen, wird dich eine ganze Weile beschäftigen." „Aber wenn ich sie kann. Die Zaubersprüche! Ich werde die Sprüche in dieser Sprache sprechen nicht wahr?" Plötzlich stockte sie und sah zur Kerze. „Aber.. Für die Kerze benutze ich überhaupt keinen Zauberspruch." Aine blickte auf, doch wie zu oft sah ihre Meisterin aus dem Fenster und wirkte fern. „Du wirst es verstehen wenn die Zeit gekommen ist." War alles was sie sagte. Stille entstand als die Frustration in Aine wuchs. Es ging alles so zäh voran. Sie wollte mehr als das was sie gerade bekam und doch wagt sie es nicht Lexa zu widersprechen. Scheinbar spürte die Hexe Aines Gefühle und so sah sie doch zu ihr. „Ich werde dir erklären, wie alles funktioniert sobald du soweit bist. Alles hat seine Zeit Aine und dafür ist sie noch nicht gekommen. Unser Wissen. Unsere Zaubersprüche. Sie sind geheimes Wissen, die wir nur in der Sprache der Hexen weitergeben. Lerne deine Magie zu Rufen, dann zu Kontrollieren und schließlich die Sprache und du wirst alles erfahren was es zu wissen gibt. Habe Geduld." Geduld. Hatte sie wirklich Zeit dafür? Hatte sie Geduld dafür. Doch dann dachte Aine darüber nach was war wenn sie ihre Mutter zurück hatte. Was kam dann? Als sie fühlte wie Bilder in ihr auftauchten und hörte wie Scheiben klirrten, schob sie den Gedanken fort und als wusste Lexa es, deutete sie auf die Kerze. „Na los. Weiter gehts."

Slomanyye I - The Last WitchWo Geschichten leben. Entdecke jetzt