VI - Grausame Erkenntnis

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Ich hatte zu große Angst. Ich konnte ihr keine Antwort geben. Ihre Worte schüchterten mich zu sehr ein. Obwohl sie sehr gemein war, hatte sie zum Teil Recht. Ich bin sehr wohl aus der Oberstadt. Daran kann ich nichts abstreiten.
„Hier. Siehst du den Vollposten da vorne? Wenn du es schaffst, ihn eine reinzuhauen dann kannst du das Bier haben. Auch wenn du dafür sowieso noch zu jung bist", ordnete sie ernst an und erhob ihre Hand. In ihrer Hand hatte sie einen hölzernen, beinahe verrotteten Stock. Er würde nicht mal einen Schlag aushalten, wenn man es darauf anlegt. Schüchtern starrte ich sie an. „Aber-", widersprach ich leise. Ich konnte nicht aussprechen, da die dominante Frau die Oberhand ergriff und mich unterbrach. „Kämpf oder stirb. Anders funktioniert es hier in Zaun nicht."

Meine Augen wurden nass. Ich war überfordert, verängstigt. Mir war bewusst, dass ich überhaupt keine Chance hatte. Dass ich zu schwach für Zaun bin. Aber mein Durst quälte mich immer mehr. Ich konnte kaum mehr atmen, denn mein Körper machte mich wahnsinnig.
Mama wird mich doch noch abholen kommen? Richtig? Oder? Wer garantiert mir das? Warum ist sie noch nicht zurückgekehrt? Ich fing an zu zweifeln und wurde unruhig. Alles, was mir Hoffnung machte ging langsam zu Grunde und mein Leben wurde immer schwärzer. Wo soll ich denn hin, wenn Mama nicht mehr kommt? Wie soll ich in Zaun zurechtkommen? Ich dachte sie würde mich lieben? Warum tut sie mir das an?
Tausende ungeklärte Fragen drängten sich in meinen Kopf. Sie durchbohrten mich, schrieen lauter als jede Sirene und brachten mich zum weinen.
Dann endlich konnte ich mich entscheiden. Ich hatte schreckliche Angst, doch nahm trotzdem den Stock der Dame an. Auch wenn der Kampf schon vor Beginn entschieden war, wollte ich es versuchen. Ich hatte keine andere Wahl. Ich war verzweifelt und wollte nur etwas zu trinken. Zitternd drehte ich mich, mit den Holzstab in der Hand, langsam um und sah den Mann, den sie meinte.
Mir blieb die Spucke weg. Für einen Moment, war ich wie versteinert. Der Mann, den ich bekämpfen sollte, war beinahe zwei Meter groß. Sein gesamter Körper war mit Tätowierungen überseht und die Breite seiner Muskeln glichen einem Schrank. Es ist unmöglich. Er wird mir das Genick brechen. Das war meine größte Befürchtung. Und dabei wird er nicht einmal ins schwitzen kommen. Was soll ich tun? Ich will das doch überhaupt nicht. Mama? Wo bist du? Hilf mir doch?

Ich wollte einen Rückzieher machen. Doch bevor ich mich umdrehen konnte, und der Dame den Stock zurückgeben konnte, rannte der Mann angriffslustig auf mich zu.

Caught in Zauns Violence Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt