X - Der Grund

568 31 3
                                    

Jinx. Mittlerweile kenne ich sie schon einige Jahre. Anfangs hatten wir Schwierigkeiten und konnten uns kaum ausstehen. Doch irgendwann fühlte es sich tatsächlich so an, als wären wir Geschwister. Wir erlebten viele schöne Dinge zusammen in Zaun und dachten nur noch selten an unsere verlorengegangene Kindheit. Eine Kindheit, die von Trauer und undurchdringlichen Schatten umhüllt wird. Wir erzählten uns nie was vorgefallen ist. Es ist unser selbst ernanntes Tabu. All dies, diente zu unserem eigenen Schutz. Denn zusammen bauten wir eine große, emotionale Mauer, die uns immer beschützen wird. Und die größte Stütze dieser Mauer ist Silco.
Wir entschlossen uns pessimistische Stimmung aus unserem Leben zu verbannen. Auch, wenn das alles andere als einfach ist. Keine Traurigkeit, keinen Hass, keine Wut mehr. Alles was wir uns wünschten, war eine schöne Zeit zusammen.
Alles hätte so schön sein können. Ich wollte für immer nur bei Jinx bleiben und Unsinn anstellen. Durch die Gassen ziehen, ein oder zwei Bierchen trinken und Späße treiben. Neue Geräte, Bomben basteln, Mauern bemalen und hin und wieder Silco verärgern.
Ein paar Jahre konnten wir das alles tun. Wir lebten unser Leben wie es uns gefiel. Dabei vergas ich, dass ich noch eine offene Rechnung hatte. Denn Silcos Fürsorge hatte eben seinen Preis. Es gab einen bestimmten Grund für das alles. Das unlösbare Rätsel, das ich beinahe vergessen hatte. Ich redete mir schließlich ständig ein, Silco wäre mein Vater und würde deshalb nur das beste für mich wollen. Das ist nicht ganz falsch.
Die Annahme, keine Gegenleistung dafür bringen zu müssen ist dafür falsch.

Er bestellte mich in sein Büro.
Brav folgte ich seinen Wunsch und stand nun wartend vor seinem großen Schreibtisch. Sein Büro war ein Ort, welcher mir beinahe so bekannt war wie mein eigenes Zimmer. Es passiert häufiger, dass er mich hierhin bestellt oder etwas von mir möchte.
Mit einem ernsten Blick stellte er seine kleine Tasse mit dampfenden Kaffee ab, starrte mir mit seinem roten Auge ins Gesicht und fragte ruhig:"Erinnerst du dich noch an unsere erste Begegnung?" „Natürlich", entgegnete ich entspannt und setzte mich langsam auf einen der riesigen Stühle, mit grünen Bezug, die vor seinen Tisch standen. „Hast du dich nicht gefragt, wie es möglich war, den Kampf zu gewinnen?", fragte er weiter nach und kreuzte  seine Arme. Dabei lehnte er sich lässig zurück in seinen Sessel. „Anfangs schon. Aber um ehrlich zu sein, wurde mir die Tatsache, einen unmöglichen Kampf gewonnen zu haben, ziemlich schnell egal. Das war mein kleinstes Problem damals", antwortete ich mit einem schiefen Lächeln.
„Erinnerst du dich an die ganzen Blutproben und Tests?"
Natürlich. Ich wäre schon ein seltsames Mädchen, wenn ich das alles vergessen würde. Seit meiner Adoption drängte Silco mich regelrecht dazu, einen Teil meines Blutes abzugeben. Jeden zweiten Tag etwa. Ich hatte immer schreckliche Angst vor Nadeln und wehrte mich zuerst. Irgendwann verlor ich meine Ausdauer und meine Mut, sich Papa zu widersetzen. Es gehört sich nicht, seinem Retter Ungehorsam zu sein.

Er setzte eine kurze Pause ein und blickte nach unten. Dann verließ ein lautes, tiefes seufzen seine Kehle.
„Durch deine Adern fließt Magie."

Caught in Zauns Violence Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt