Kapitel 46

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Es dauerte bis drei Uhr morgens, bis ich den Stoff von seinem Rücken entfernt hatte. Gemeinsam setzten wir unsere Kräfte ein. Noch nie hatte ich eine so grosse Fläche auf einmal geheilt. Es dauerte auch dementsprechend lange. Als ich der Meinung war, dass der Rest natürlich und ohne Narbenbildung verheilen würde, strichen wir den gesamten Rücken dick mit einer heilenden Salbe ein. Die zuvor volle Tube hatte nun nur noch wenig Inhalt. Als Abdeckung nutzten wir sechs Packungen Gaze-Tücher, welche Jin mit Klebstreifen aneinander anmachte. Schliesslich klebten wir auch noch den Rand mit einem hautverträglichen Tape fest.

Mit Jins Hilfe hievte ich ihn auf mein Bett. Danach kümmerten wir uns um die kleineren Schnittwunden an seinen Händen und auf dem Oberkörper. Der blasse Mann sah aus wie eine Mumie. Ich strich ihm vorsichtig die verschwitzten Haare aus dem Gesicht. Seine Haut glühte förmlich. Ein neues Handtuch verschwand sogleich in der Schüssel mit kaltem Wasser. Ich wand es aus und machte mich daran den Schweiss wegzuwischen. Dann wusch ich es aus und hob es erneut aus dem kühlen Nass. Vorsichtig legte ich es ihm auf die Stirn.
"Jin, checke seine Vitalzeichen" Sofort gehorchte der Kleine und berührte den Magier behutsam.
"Alles stabil", antwortete der Junge nach ein paar Sekunden.
"Gut", atmete ich erleichtert aus. Bedacht darauf sie nicht zu beschmutzen, legte ich die Bettdecke über Hisoka. Meine Hände waren verklebt von Blut und Eiter.
"Ich gehe jetzt duschen. Wenn etwas ist, melde dich!"

Ich stellte das Wasser auf heiss. Das wärmende Nass fühlte sich herrlich an. Schnell schrubbte ich meine Arme sauber. Wenn ich gerade dabei bin, kann ich mir ja auch noch die Haare waschen. Gemütlich massierte ich das Shampoo in meine Kopfhaut. Der Geruch von Vanille schlich sich sanft in den Raum. Nachdem ich meine Haare ausgewaschen hatte, schnappte ich mir das grüne Badetuch und trocknete mich ab. Der Spiegel warf mir das Abbild meiner tiefen dunklen Augenringe entgegen. Ein lauter Seufzer entkam meinen Lippen, ohne dass ich ihn hätte aufhalten können. Also schlüpfte ich in meinen kuscheligen Bademantel. Das angenehme Gefühl von Sauberkeit umgab mich.

"Akane, du solltest dir das vielleicht besser ansehen!", durchbrach Jins Stimme die Stille. Ich atmete tief durch. Das wars dann wohl mit der Ruhe.
"Was ist denn?", fragte ich, als ich aus dem Bad kam. Der Junge hatte sich über Hisoka gebeugt und winkte mich heran, ohne seinen Blick zu heben. Also trat ich neben ihn. Die Bettdecke bis zur Hüfte des Zauberers umgeschlagen, lag er mit entblösstem Oberkörper vor uns. Zu dem fahlen Teint seiner Haut gesellten sich dunkelblaue, fast schon schwarze Linien. Ihren Ursprung hatten sie auf der Höhe seines Herzens. Wie wilde Adern zogen sie sich über die muskulöse Brust, den Hals hinauf und zur Taille hinunter. Ich blinzelte verwirrt. So etwas hatte ich noch nie gesehen.
"Weisst du was das ist?"
"Noch nie gesehen. Du?" Jin schüttelte den Kopf.
"Aber es strahlt eine schwache Aura ab", bemerkte er. Vorsichtig berührte ich den schwarzen Teil der Haut. Nichts passierte.
"Wie lange hat er das schon? Als wir ihn verbunden haben, waren sie nicht da!?"
"Etwa zwei oder drei Minuten." Wir betrachteten wie sich die Linien langsam ausbreiteten.

Jins Augen wurden für einen Moment komplett weiss.
"Es nähert sich eine Gruppe von acht Personen auf der südlichen Strasse. Sie sind nicht bewaffnet, aber haben starke Auren. Im Vergleich zur Troupe trotzdem schwächer." Ich legte meine Hand an Hisokas heisse Wange und deckte ihn wieder zu.
"Wir sehen nach. Dein Anteil im Haus soll bleiben! Und beschütze Hisoka!" Rasch warf ich mir ein paar bequeme Klamotten über, in denen ich mich gut bewegen konnte. Wegen meiner nassen Haare zog ich mir auch noch eine Mütze über. In der Zwischenzeit erstellte Jin einen undurchsichtigen weissen Kokon um den Verletzten. Vielleicht müssen wir kämpfen. Zetsu aktiviert schloss ich die Türe zu meinem Schlafzimmer. Lautlos folgte ich Jin in den Flur und hinaus in die Dunkelheit. Das spärliche Licht der Strassenlaternen benötigte ich nicht, um die Verdächtigen zu lokalisieren, denn ihre Auren genügten mir.
"Du bleibst hier. Falls sie dich attackieren, halte dich zurück. Verteidigen ja, angreifen nein. Lasse sie auf keinen Fall deine Nen-Menge herausfinden. Ich versuche mich ihnen von hinten zu nähern." Der Junge hob den Daumen.

Wie abgesprochen schlich ich der gegenüberliegenden Hauswand entlang. Die Gruppe war sehr vorsichtig.
"Das Signal wird stärker", sagte eine der Personen leise.
"Was ist das?", fragte ein anderer. Er war ein Kopf grösser und auch um einiges breiter als der Rest. Ich folgte kurz seinem ausgestreckten Arm an wessem anderen Ende Jin regungslos auf der Mitellinie der Strasse stand.
"Das ist doch ein kleiner Junge", meinte eine hohe Stimme.
"Hast du dich verlaufen Kleiner?" Sie näherten sich ihm an. Mich hatten sie nicht bemerkt. Aber wie finde ich jetzt heraus, wer für die schwarzen Striche verantwortlich ist. Jin trat zwei Schritte zurück. Sein Katana blitzte in den Händen auf.
"Kommt ja nicht näher!", rief er panisch. Die Aura war aufgewühlt, aber sein Bewusstsein blieb komplett ruhig. Eine blonde Frau wies ihre Kollegen an stehen zu bleiben. Dann ging sie langsam auf Jin zu. Dieser umklammerte zitternd seine Waffe und richtete sie auf die Dame. Die Blondine blieb stehen. Freundlich hockte sie sich vor ihn.
"Hey, wie heisst du?"
"Kichiro", murmelte Jin unverständlich.
"Sollen wir dich nach Hause bringen?"
"Ich kenne euch nicht. Und man darf nicht mit Fremden mitgehen!"
"Keine Angst, Kichiro. Wir tun dir nichts." Er packte den Griff fester und hob sein Kinn an.
"So wie dem Clown!", schrie er angsterfüllt, bevor er sich von ihr distanzierte. Sofort änderte sich der Ausdruck ihren Gesichtern.

"Was hat er gesehen!?", schnaubte der Grosse.
"Wie soll er überhaupt etwas gesehen haben? Wir sind in einem ganz anderen Stadtteil", antwortete eine Frau mit quengliger Stimme.
"Dann kennt er Hioska offensichtlich", warf ein nächster ein. Er stach aus der Gruppe hervor wie ein bunter Hund. In seinem Fall wegen des genauen Gegenteils. Der Typ hatte einen langweilig grauen Anzug an und stand kerzengerade. Er war mittelgross mit schwarzen Haaren und einer ebenfalls schwarzen Brille.
"Das heisst er muss hier ganz in der Nähe sein. Vielleicht hat er den Kleinen bauftragt uns abzulenken!", fügte er hinzu. Das Gehirn der Masse. Natürlich schauten sich auf der Stelle alle um. Ich hielt den Atem an und konzentrierte mich darauf, mein Zetsu zu verstärke. So bemerkten sie mich nicht und richteten sie ihre Aufmerksamkeit wieder auf Jin. Ein erregtes Raunen ging durch die Anwesenden. Ihre Auren spannten sich an. Der Grauhaarige stand noch immer in der Mitte der Strasse. Er hielt den abgetrennten Kopf der Blondine in der Hand. Warte, WAS!? Da schaut man einen Moment nicht hin und er tötet sie!? Jetzt ist ein Kampf unausweichlich, dachte ich augenverdrehend. Noch immer versteckt schlich ich mich hinter sie. In einem Moment löste ich Zetsu auf und materialisierte den Dolch. Damit durchtrennte ich die Kehle des Anzugtypen. Natürlich bemerkten mich so auch die anderen Anwesenden. Ich warf einen kurzen Blick auf Jin. Er nickte mir zu, ich verdrehte die Augen. Ich hätte viel lieber einfach die Person herausgepickt, die zu Hisokas Misere geführt hatte. Aber sie hatten wohl alle ihren Teil dazu beigetragen. 



Still him... // Hisoka ff HxHWo Geschichten leben. Entdecke jetzt