Kapitel 27

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Missmutig rutschte ich auf dem unbequemen Stuhl herum und schaute dem Kellner dabei zu, wie er am Nebentisch Wein einschenkte. Nein, eigentlich war nicht der Stuhl unbequem, sondern mir schmerzte der ganze Unterleib. Ich war es mir ja gewohnt, harten Sex zu haben und eigentlich hatte ich grossen Gefallen daran, aber heute hatte es Hisoka übertrieben. Es war erstaunlich, dass Ian mein Humpeln nicht bemerkt hatte. Aber falls er einen Kommentar darüber abgeben würde, würde ich es mit Menstruationsschmerzen erklären. Die Knutschflecken konnte ich zum Glück mit Schminke überdecken, denn ich war trotz dem unangekündigten Treffen noch vor meinem Freund in der Wohnung.
"-ki?"
"Misaki?" Ich blinzelte verwirrt und lenkte meine Aufmerksamkeit wieder auf den Mann, der mit mir das Lokal betreten hatte. Ian legte den Kopf schief und betrachtete mich aus mitleidigen Augen.
"Du bist schon den ganzen Abend so abwesend. Was ist denn los?" Ich sah ihn fragend an.
"Was soll denn los sein?"
"Du bist ganz gedankenversunken."
"Gar nicht wahr", rief ich empört aus und blickte auf meinen Teller, worin aufgestocherter Kartoffelstock lag. Sofort verwischte ich meine Spuren, indem ich einen grossen Löffel davon in den Mund nahm und liess es mir mit der Sauce auf der Zunge vergehen. Es schmeckte herrlich.

"Machst du dir Sorgen um Kichiro?" Meine Augen blieben starr auf das teure Essen vor mir gerichtet. Ich schluckte schwer. Kichiro alleine zu lassen, war keine gute Idee. Was wenn Phinks ihm irgendwelchen Blödsinn einredet oder, noch schlimmer, wenn Chrollo ihn findet!? Ich setzte mein Glas Mineralwasser an die Lippen und trank einen grossen Schluck, um den Kloss in meinem Hals herunter zu spülen.
"Macht es dir was aus, wenn ich ihn anrufe?" Ian schüttelte den Kopf. Also kramte ich mein Handy aus der Handtasche und stand auf.
"Was geht bloss in deinem Kopf vor sich", seufzte der Rothaarige, als ich mich auf den Weg nach draussen machte, damit ich in Ruhe telefonieren konnte.

Phinks nahm nach dem fünften Piepen endlich ab.
"Hey, ich bins. Störe ich gerade?" Ein leises dumpfes Geräusch drang durch den Hörer.
"Nein, ich war gerade am Lesen, was gibts?"
"Ist Kichiro schon aufgewacht?"
"Das kleine Dornröschen schlummert noch tief und fest. Meinst du ich sollte es mal mit einem Kuss der wahren Liebe versuchen?" Seine Stimme klang so ehrlich, dass ich zuerst dachte, er meinte es ernst. Doch gleich darauf vernahm ich Gelächter durch den Hörer. Jemand murmelte im Hintergrund.
"Shalnark lässt ausrichten, dass wenn es bei mir nicht klappt, versucht er es. Feitan können wir bestimmt auch überreden..."
"VERGISS ES!" Der Schwarzhaarige sass wohl etwas vom Hörer entfernt, doch seine Stimme war deutlich zu hören.
"... War doch nur Spass. Soll ich dir schreiben, wenn er aufwacht?"
"Nein lieber nicht. Bitte schreib nur im Notfall! Ich rufe später nochmals an."
"Okay, bis dann", grinste der Blonde und legte auf. Ich sog die kühle Luft in meine Lungen und atmete langsam aus. Dann betrat ich das Restaurant wieder.

"Und?", wollte Ian wissen, als ich mich wieder zu ihm gesetzt hatte. Das Ziehen in meinem Unterleib machte sich wieder bemerkbar.
"Bei ihnen ist alles in Ordnung." Ich setzte ein Lächeln auf. Doch es schien nicht gut genug, denn Ian kaufte es mir nicht ab.
"Wenn du deinem Kumpel kein Vertrauen schenkst, können wir nächstes Mal auch eine Nanny anstellen", warf er eine Idee in den Raum. Ich nickte, ohne auf den Vorschlag einzugehen und wandte mich dem Essen zu.

Zur Beruhigung meiner Nerven bestellte ich mir einen grossen Coupe Dänemark mit extra Schokoladensauce. Ian gönnte sich eine Apfeltarte mit Vanilleeis und einem Häufchen Rahm.
"Ich komme morgen mit ihn abholen", durchbrach seine Stimme plötzlich die aufgekommene Stille.
"Musst du nicht arbeiten?", fragte ich skeptisch und versenkte den kleinen Löffel in meinem Dessert.
"Wo bist du bloss mit deinen Gedanken!? Morgen ist Samstag", lachte mein Freund. Ich verschluckte mich und begann heftig zu Husten. Das hatte ich komplett vergessen. Irgendwie musste ich verhindern, dass Ian mit jemandem der Troupe zusammenstösst. Aber ich würde Jin wohl kaum das ganze Wochenende bei ihnen lassen können. Zum einen, weil er dann andauernd Nen verbrauchen würde. Andererseits, weil die Spinnen bestimmt besseres zu tun hatten, als auf den Jungen aufzupassen.
"Ja klar, kein Problem", meinte ich zerknirscht.

"Misaki?" Ian wartete bis ich ihm in die Augen sah und sprach dann weiter.
"Ist er der Vater?"
"Was meinst du?", fragte ich nun ehrlich verwirrt. Der ernste Ton, in dem die Worte von ihm kamen machten mich stutzig.
"Ist dieser Bekannte von dir Kichiros Vater?" Perplex blieb ich still. Blitzschnell wägte ich die Vor- und Nachteile ab, die je nach Beantwortung dieser Frage bestehen würden. Würde ich zustimmen, bestünde Ian bestimmt darauf ihn kennenzulernen, um ihn wegen seines fehlenden Interesse an unserem Kind eine Lehre zu erteilen. Darauf konnte ich und besonders auch Phinks, der nichts damit zu tun hatte, gut verzichten.

"Nein. Er war auf derselben Schule wie ich. Wir haben im gleichen Jahr unseren Abschluss gemacht und hatten einige Fächer zusammen. Über die Jahre haben wir uns aus den Augen verloren, aber Kichiro und ich haben ihn letzte Woche zufälligerweise getroffen und uns eine Weile unterhalten. Er hat selbst zwei Kinder in Kichiros Alter", erfand ich.
"Na dann, warum machst du dir so viele Gedanken. Wird schon nichts passieren! Geniess doch den Abend allein mit mir." Ein überraschend schmutziges Grinsen legte sich auf seinen Mund, verschwand aber so schnell wieder, wie es aufgekommen war.
"Und morgen in aller Früh holen wir Kichiro wieder ab. Ist das in Ordnung?" Ich lächelte und nickte. Er sorgte sich wirklich um mich.
"Darf ich von deiner Tarte probieren?", wechselte ich gekonnt das Thema. Ian schob mir langsam den Teller vor die Nase.
"Aber nicht alles essen! Ich will auch noch was davon!" Ich lachte und trennte ein kleines Stück ab, bevor ich es ihm zurückgab.

Während Ian sich um die Rechnung kümmerte, rief ich erneut bei Phinks an. Der Blonde nahm den Anruf diesmal schneller entgegen.
"Kichiro ist wach", beantwortete er sofort meine ungestellte Frage.
"Ein Glück. Ich hab nicht viel Zeit, wir holen ihn morgen wieder ab..."
"Wir?", unterbrach Phinks mich. Doch mir blieb nicht viel Zeit für Erklärungen. In knappen Worten erörterte ich ihm seine neue Identität und wir machten einen Ort aus, an welchem wir uns am nächsten Tag treffen würden. Als Ian aus dem Restaurant schlenderte, fragte ich Phinks, ob er Kichiro ans andere Ende holen konnte.
"Akane?", murmelte der Kleine verschlafen.
"Ian, da bist du ja endlich. Ich habe Kichiro in der Leitung", gab ich dem Jungen zu verstehen, dass ich nicht allein war und er meinen Alibinamen verwenden sollte.
"Du bist jetzt auf laut", informierte ich Jin.
"Wie gehts dir Kleiner? Schon Heimweh?", lachte Ian. Jin grummelte kurz.
"Ich vermisse... euch", presste er hervor.
"Wir dich auch Kichiro." Ich lächelte wehmütig gegen mein Telefon.
"Wir kommen dich morgen abholen. Bis dann hälst du es bestimmt aus!"
"Hmmm... jaja"
"So Kleiner, ich entführe jetzt deine Mutter. Schlaf gut" Ian nahm mir das Handy aus der Hand und drückte ohne Umschweife den roten Knopf. Dann schlang er seine Arme um meinen Bauch und zog mich nah an sich.
"Was hälst du von einem zweiten Dessert? Ich werde dich heute noch den ganzen Abend verwöhnen", grinste er verführerisch. Mir lief ein kalter Schauer über den Rücken. Mein Körper sehnte sich danach verwöhnt zu werden. Aber tief im Innern wusste ich, dass mein Gegenüber nicht Ian sein sollte.

Still him... // Hisoka ff HxHWo Geschichten leben. Entdecke jetzt