Kapitel 2

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Seufzend bemerkte ich, dass sich jemand neben mich setzte. Nach meinem Tanz wollte ich mich an der Bar entspannen. Aber aus der Entspannung wird wohl nicht mehr viel.
"Thierry, noch einen Gin Tonic bitte"
"Geht klar", rief der Barkeeper. Ich hatte mich an ein Ende gesetzt, was im Nachhinein eine schlechte Idee war. Denn auf der einen Seite sass Jin träge auf dem Thresen, auf der anderen Seite liess sich gerade mein Traum und Albtraum zugleich nieder.
"Was für ein Zufall dich hier wiederzusehen...", säuselte Hisoka über die harmonische Musik.
"Genau ein Zufall...", lachte ich höhnisch.
"Dein Gin Tonic" Thierry platzierte den Drink vor mir.
"Barkeeper ich nehme eine Bacardi Cola", meldete sich Hisoka dazwischen.
"Wie viel willst du dafür?", fragte ich diesen, den Rothaarigen ignorierend. Thierry musterte mich kurz. Ich hatte wieder das rote Kleid an, womit ich hergekommen war. Offensichtlich lockte mein Dekoltee trotz der feinen Narben noch immer.
"Geht aufs Haus", grinste der Dunkelhaarige.
"Keeper, eine Bacardi Cola", versuchte Hisoka seine Aufmerksamkeit von mir zu nehmen. Ich spürte, wie seine Kontrolle schwand. Die Art, wie Thierry mich ansah, machte die Situation auch nicht besser. Die flirtenden Blicke schmeichelten mir, brachten Hisoka aber zum kochen.

"Hätte nicht gedacht, dass du dich hier nochmals blicken lässt."
"Ich habe eine kleine Auszeit gebraucht..." Ich warf einen kurzen Blick auf den Rothaarigen an meiner Seite, seine gelben Augen löcherten mich beinahe. Dass er mit Zurückweisung nicht umgehen konnte war mir bewusst, trotzdem stieg mir Hitze ins Gesicht. Immerhin starrte mich der heisseste Typ auf Erden an.
"Krieg ich meine Bacardi Cola noch?", mischte sich Hisoka in das Gespräch ein. Thierry verdrehte die Augen.
"Ich bin gleich wieder für dich da, meine Süsse", zwinkerte er und verschwand in die Mitte.

Ich nahm einen grossen Schluck von meinem Getränk, um so lange schweigen zu können wie möglich. Aber als mein ehemaliger Kollege Hisokas Drink hinstellte und sich zu anderen Gästen verabschieden musste, konnte ich es nicht mehr länger hinauszögern.
"Wie geht es dir?" Die gelben Augen fuhren meinen Körper unaufhaltsam hoch und runter. Mir war, als ob er mich mit seinen Blicken auszog. Ich konnte aber auch in ihnen sehen, dass er auch schon einige Getränke intus hatte, da ich eine tiefe Einsamkeit erkannte, die mich stark an die Auktion erinnerte. Damals hatte er ja die ganze Minibar geleert.
"Besser als vor einem Jahr, und dir?", stellte ich ihm die Gegenfrage.
"Ebenfalls" Ich zog eine Augenbraue nach oben und überlegte ob daran etwas Wahres war.
"Also, was zieht dich nach Zaban City?"
"Du", antwortete der schöne Mann, ohne seinen Blick von mir zu nehmen. Nun wurde ich doch nervös. Ich kannte Hisoka einfach zu gut, als dass er sich mit einer solch einfachen Konversation zufriedengeben würde. Während ich versuchte, das aufkommende Gefühlschaos zu unterdrücken, schaute ich unauffällig zu Jin. Der Junge fing meine Augen mit seinen ein und zuckte die Schultern.
"Wenn er angreift, dann verteidige ich dich!" Ich versuchte mein Lächeln zu verbergen. Auf Jin konnte ich mich immer verlassen.
"Willst du kämpfen?", fragte ich in ernstem Ton. Ein breites Lächeln erschien auf seinen Lippen.
"Nein, nein... Das hat noch Zeit" Hisoka drehte seinen Körper auf dem Barhocker ganz mir zu, lehnte aber gelassen auf den Thresen. Ich nahm einen weiteren Schluck und musterte den schönen Mann, während der angenehm bittere Geschmack meine Zunge bedeckte.

Anders als üblich fielen ihm die roten Haare wild in die Stirn. Ein dunkelblauer Anzug mit gleichfarbiger Kravatte und weissem Hemd deutete seine kräftige Figur nur annäherungsweise an. Auf die Zeichen, die sonst seine Wangen prägten, hatte er verzichtet. Braune Oxforder Schuhe und eine protzige Armbanduhr rundeten das Outfit gekonnt ab. Ziemlich untypisch für Hisoka, aber immerhin war ein Jahr vergangen... Der Alkohol rauschte durch meine Venen. Langsam griff ich nach seiner Hand und spielte gedankenverloren mit den blassen Fingern. Selbst seine Nägel waren vor kurzem frisch manikürt worden. Als er nach einer Weile meine sanft drückte, sah ich wieder hoch. Dieses ehrliche Lächeln durfte ich wohl nur sehen, wenn er betrunken war. Natürlich erschien es aus seiner Position vorteilhaft, seine echten Gefühle zu verstecken. Je lieber er Leute provozierte, umso vorsichtiger musste er mit den Informationen sein, die er von sich preisgab.

"Du siehst... ungewöhnlich aus"
"Ungewöhnlich?" Hisoka zog belustigt eine Augenbraue hoch.
"Ungewöhnlich gut"
"Danke", grinste er. Sofort verschnellerte sich mein Herzschlag. Auch Hisoka fiel meine Reaktion auf. Noch immer grinsend lehnte er sich langsam vor. Sofort wich ich zurück. Natürlich wusste ich was er vorhatte. Doch bevor er mich wirklich küssen konnte, setzte ich mein Glas an die Lippen und trank es ganz langsam leer. Hisoka verstand, was ich ihm damit andeuten wollte. Also setzte er sich wieder aufrecht auf den Barhocker. Ich stellte das Glas zurück auf den Thresen, traute mich aber nicht aufzusehen. Hisoka räusperte sich, weswegen ich es trotzdem tat. Es war ihm sichtlich unangenehm. Die goldenen Augen versuchten meinen Blick zu umgehen.

"Lass uns tanzen", schlug ich vor, um die unangenehme Stille zu brechen. Er antwortete nicht, weshalb ich seine Hand schnappte und ihn auf die Tanzfläche zog. Dass Hisoka nicht so viel Spass am Tanzen hatte wie ich, konnte jeder sehen. Er bevorzugte es, meine Bewegungen ganz genau zu beobachten.
„Willst du nicht lieber mit mir tanzen?", rief ein grosser Typ in mein Ohr. Ich warf einen Blick auf Hisoka, der ihn mordlustig anfunkelte. Wohl bewusst, dass ich mit seinem Leben spielte, nickte ich. Der Fremde schlang einen Arm um meinen Körper und tanzte eng mit mir. Ich zwinkerte Hisoka zu. Dann begann ich mich richtig zu bewegen. Gekonnt strich ich über meine freiliegende Haut und meinen Kurven entlang. Als ich dann auch noch begann, meinen Po vor ihm zu schütteln, war es um Hisokas Geduld geschehen. Mit einem grossen Schritt war er bei uns und zog mich aus den Armen des Unbekannten. Eine Hand an meinen Rücken gelegt drehte Hisoka mich von ihm weg. Mit der anderen packte er mein Kinn. Grobe Finger krallten sich in meine Haut und ich verzog schmerzhaft das Gesicht. Sogleich lockerte sich Hisokas Griff. Ich redete mir ein, dass er mich nicht mehr verletzen wollte. Also öffnete ich meine zusammengekniffenen Augen wieder.

Und dann sah ich es. Obwohl beinahe ein ganzes Jahr zwischen unserer letzten Begegnung vergangen war, wischte es alle Bedenken aus meinem Gedächtnis: Dieses verführerische Glitzern in seinen Augen. Egal wie ich ihm entkommen wollte, wenn er mich so anschaute, konnte ich den Widerstand vergessen. Vorsichtig näherte er sich mir wieder an. Jede Regung in sich aufnehmend suchte er nach Abweisung. Dann platzierte er seine Lippen sanft auf meinen. Ich erwiderte auf der Stelle, während das unbeschreibliche Gefühl von Verlangen in mir aufstieg, das ich so lange vermisst hatte. Hisoka löste sich von mir, nur damit ich gleich darauf in den goldenen Meer seiner Augen versinken konnte.

Still him... // Hisoka ff HxHWo Geschichten leben. Entdecke jetzt