Kapitel 59

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Hisoka lungerte noch immer mit schlechter Miene in meinem Zimmer herum. Er stand bewegungslos auf einem Fleck und starrte ins Leere. Langsam ging ich auf ihn zu, hob dabei die Hand an und wollte sie schon auf seinen Arm legen, als ich inne hielt. Wird er mich wieder angreifen, wenn ich ihn berühre? Konnte ich ja nur herausfinden, wenn ich es tat oder? Also legte ich meine Finger vorsichtig auf seine Schulter. Die gelben Augen zuckten sofort in meine Richtung. Sie musterten mich wie ein Raubtier die Beute, die ihm in die Falle gegangen war und keinen Ausweg mehr hatte. Die tiefdunkle Mordlust, die um ihn herumwaberte konnte ich zum Glück durch mein Ren etwas fernhalten. Dennoch war sie so stark und präsent, dass ich sie trotzdem fühlte. Ich konnte seinen Blick noch immer nicht deuten, aber woran er auch immer dachte, es machte ihn unglaublich wütend.

"Hisoka?", sprach ich ihn leise an. Der Zauberer reagierte nicht auf meine Worte. Stattdessen schlang sich sein Arm wie ein Blitz um meine Hüfte und zog mich mit einem Ruck an ihn. Verängstigt liess ich zu, dass sich eine Hand an meine Taille, die andere an meinen Rücken legte und ich meine Chancen, zu entkommen, schwanden. Meine Arme baumelten teilnahmslos neben mir her. Den Kopf leergefegt, lehnte ich ihn leicht an Hisokas Brust. Seine Umklammerung dauerte an. Also nahm auch ich ihn in den Arm. So standen wir einfach da. Umhüllt von seinem wohlriechenden Duft kam mir kein einziger Gedanke in den Sinn. Mit der Zeit kontrollierte sich der Rothaarige stärker, wodurch der Druck auf meinen gesamten Körper langsam verschwand.

"Was tust du denn hier?", murmelte ich schliesslich leise. Das hätte ich wohl besser nicht getan, denn Hisoka verspannte sich sofort wieder und der brechende Blutdrust kehrte zurück. Auch seine Umarmung verfestigte sich.
"Worüber habt ihr euch unterhalten, du und Illumi? Warum ist er hergekommen!?" Darum ging es also: Diese Versessenheit, dass zwischen dem Zoldyck und mir etwas laufen würde.
"Spionierst du mir nach?!" Mit beiden Händen versuchte ich mich aus der Umarmung zu befreien, doch der Griff des Rothaarigen blieb eisern.
"Ich will, dass du dich nie wieder mit ihm triffst. Halte dich von ihm fern."
"Du kannst mir nicht vorschreiben, wen ich treffen darf und wen nicht!?" Das machte den Magier nur noch wütender.
"Ich kann und ich werde!" Ich war so kurz davor, mit Ghost Mode aus seiner Umklammerung zu entkommen, aber ich durfte mir dieses As im Ärmel nicht verspielen.
"Ich treffe nur Vorsichtsmassnahmen. Schliesslich bist du mein Eigentum." Mir fiel die Kinnlade herunter. Wie konnte er es wagen, das zu sagen. Waren wir nicht längst über dieses Stadium hinweg. Ich hörte auf, mich zu wehren.
"Solange du mich dein Eigentum nennst, werde ich nie auf dich hören!", zischte ich zornig.
"Worüber habt ihr geredet?"
"Erzähl ich dir nicht!", fauchte ich und sah ihn feindselig an. Er packte mich an beiden Schultern und schüttelte mich durch. Daraufhin brachte er sein Gesicht auf meine Höhe.
"Worüber habt ihr geredet!?" Ich drehte demonstrativ mein Gesicht weg. Dann passierte etwas, dass ich ihm im Leben nicht zugetraut hätte. Mit einem lauten Klatschen traf seine Hand auf meine Wange und hinterliess einen brennenden Schmerz. Mir schossen Tränen in die Augen. Meine Finger schossen sofort zu der stechenden Stelle. Augenblicklich zog mich Hisoka wieder an sich. Offenbar war ihm aufgefallen, was er gerade getan hatte. Seine Finger strichen mir vorsichtig durchs Haar.
"Entschuldige", flüsterte er. Doch ich war wütend und verletzt.

Seine Lippen fanden ihren Weg auf meine, aber ich erwiderte nicht und drehte den Kopf weg. Aber er versuchte es erneut und ich liess ihn wieder abblitzen. Was soll das? Zuckerbrot und Peitsche!? Wir wiederholten dieses Spielchen einige Male, bis ich die Auswegslosigkeit wahrnahm, in der ich steckte und meinen Widerstand aufgab. Hisoka bemerkte das, zog er mich noch näher an sich. Als er sich von mir löste, ruhten seine Augen weiterhin auf meinen Lippen.
"Erzähl mir bitte, warum Illumi hier war?" Seine Stimme hatte sich verändert und einen sanfteren Klang angenommen.
"Warum willst du das überhaupt wissen?" Hisoka öffnete den Mund, schloss ihn aber wieder. Sorgfältig wägte er ab, wie er darauf antworten wollte.
"Ich mache mir Sorgen, wenn du Besuch von einem Assassinen bekommst", meinte er dann. Ich versuchte aus seinen Augen herauszulesen, ob es ein Spass oder Ernst war. Nachdenklich biss ich auf meiner Unterlippe herum. Soll ich es ihm wirklich erzählen? Immerhin hat er mich vorhin geschlagen, weil ich es nicht sagen wollte.
"Illumi war in der Nähe und wollte kurz vorbeisehen. Das ist alles."
"Worüber habt ihr geredet?"
"Nichts wichtiges. Ein wenig Small-Talk, dann ist er wieder gegangen", schweifte ich ab.
"Er führt keinen Small-Talk!", wies mich der Rothaarige zurecht. Ich seufzte. War ja klar, dass es nicht so einfach werden würde.
"Er wollte wissen, warum ich ihn vor kurzem angerufen hatte. Das war an dem Abend, als du halbtot bei uns aufgetaucht bist."
"Hast du von meinen Verletzungen erzählt?"
"Nein!"
"Gut"
"Die Leute die dich verfolgt haben waren vor dem Haus. Ich habe sie abgelenkt und mit Illus Hilfe ein Telefonat mit dir gefälscht. Danach hatten sie mich bedroht, damit ich ihnen sage, wo du bist. Ich habe sie etwas zappeln lassen und ihnen dann eine Lüge aufgetischt. Die suchen dich jetzt auf dem dunklen Kontinenten." Jetzt sah ich das erste Grinsen seit er hergekommen war.
"Das haben die dir abgekauft?" Ich nickte.
"So ein schlauer Kopf", grinste der Magier und drückte mir einen Kuss auf die Stirn. Das waren wohl die Stimmungsschwankungen, von denen ich dem Zoldyck erzählt hatte.

"Warum haben die dich gejagt?" Wenn er mich schon ausfragte, konnte ich es ja genauso tun. Hisoka betrachtete mich kurz angenervt, antwortete aber doch.
"Vielleicht haben sie es auf mich abgesehen, weil ich ihren Boss umgelegt habe...", zuckte der Rothaarige gelangweilt mit den Schultern.
"Aber was kann ich dafür, wenn die so rachsüchtig sind." Ich starrte ihn an. Er tötet Leute wirklich aus Spass und es macht ihm absolut nichts aus.
"Er hatte etwas, das ich unbedingt wollte", verteidigte er sich.
"Was denn?" Die Neugier war ganz klar aus meiner Stimme herauszuhören.
"Das wüsstest du jetzt wohl gerne", lachte er. Ich zog eine Schnute.
"Du erzählst mir nie etwas", schmollte ich und liess mich mit verschränkten Armen aufs Bett plumsen.
"Das stimmt doch gar nicht." Auch er setzte sich neben mich, legte sich dann aber nach hinten und schloss die Augen. Seine Hand lag so an meinem unteren Rücken, wo er sanft darüber strich. Leicht drehte ich den Kopf zu ihm hin.
"Dann erzähl mir doch etwas aus deiner Vergangenheit", forderte ich. Hisoka grummelte. Ich liess meinen Blick über seinen Körper schweifen. Das hellblaue Crop-Top lag locker auf seiner Brust. Kaum merklich fuhr ich mit meinem Zeigefinger über das pinke Unterhemd.
"Was möchtest du wissen?", murmelte er schläfrig. Meine Augen schossen sofort zu seinen, die mich aus schmalen Schlitzen anfunkelten.
"Wer hat dir Kartentricks beigebracht? Was hast du als Kind am liebsten gemacht? Wann hattest du die ersten Eindrücke von Nen? Wie bist du auf deine Fähigkeiten gekommen? Wie oft trainierst du in der Woche, damit du diesen hammer Körper haben kannst? Waru-" Hisokas lachen unterbrach mich.
"Eine Frage! Ich beantworte dir eine Frage."
"Echt?"
"Ist das deine Frage?", spottete er. Ich boxte ihm leicht in den Arm. Der Rothaarige grinste nur.
"Natürlich nicht!" Also überlegte ich, was ich unbedingt wissen wollte. Und dann fiel mir tatsächlich etwas ein. Es war riskant, denn er könnte sie mit einem einzelnen 'Nein' abfertigen. Aber meine Neugier siegte.

"Warst du schon einmal verliebt?"

Still him... // Hisoka ff HxHWo Geschichten leben. Entdecke jetzt