Tief sog ich die kühle Septemberluft in meine Lungen. Die Türe zum Balkon wurde mit einem leisen 'Whoosh' auf- und wieder zugeschoben. Naohiro kam auf mich zu, lehnte sich gelassen ans metallene Geländer. Die knallig blauen Augen hinter den dicken Gläsern machten einen müden Eindruck.
"Das war kein Zufall oder? Die haben sich nicht verwählt.", begann er zu reden.
"Wie kommst du darauf?", spielte ich das Unschuldslamm.
"So ein Bauchgefühl...", murmelte er nur. Er musterte mich kurz. Dann setzte er seine Unterarme auf der Brüstung ab und blickte in die von Strassenlaternen erhellte Nacht.
"Und mein Bauchgefühl täuscht mich nie!" Ich dachte kurz darüber nach, ob ich ihn umbringen sollte. Aber damit wären meine Probleme nicht gelöst. Dafür musste ich erst die Situation erfassen. Ich fokussierte Aura auf meine Augen und untersuchte mit Gyō die Auraflüsse der anderen. Während die Aura meines Freundes und der meisten seiner Kollegen unkontrolliert aus ihren Körpern floss, konnte ich bei Gesshin und Isuzu eindeutig eine stabile, beherrschte Auraschicht vernehmen. Also musste ich vorsichtig sein, wenn ich tatsächlich mein Nen nutzen wollte. Ich stützte meine Hände in die Hüften, kippte mein Becken ab und schob meinen Fuss zur Seite, sodass ich seinen berührte. Diese kleine Fläche reichte aus, dass ich unter minimer Anstrengung ein kleines pathologisches Werk veranstaltete. Ich fröstelte. Kälte drang von meinen Beinen hinauf unter meinen Kleid. Hätte ich doch die warmen Strumpfhosen angezogen, schimpfte ich mit mir.
"Wollen wir wieder rein gehen?" Naohiro betrachtete mich kurz. Nachdenklich, als wollte er mich noch etwas fragen. Doch ich wartete nicht auf ihn, sondern schlüpfte in den warmen Raum zurück."Alles in Ordnung bei Kichiro?" Ich nickte und legte mein Telefon zurück auf den Haufen.
"Wir haben darüber diskutiert, ob er den Action-Film noch zu Ende sehen darf", erwiderte ich.
"Und?"
"Ich will nicht, dass er so spät noch auf ist. Ich habe ihm gesagt, er könne ihn morgen fertig schauen." Ian brummte zustimmend. Er lehnte sich bis an mein Ohr. Sein Atem streifte die Haut an meinem Hals und liess mich erzittern.
"Ich stehe darauf, wenn du streng bist", hauchte er erregt. Sogleich richtete er sich im Stuhl wieder auf. Ich verzog amüsiert mein Gesicht. Meine Hand wanderte unter dem Tisch zu seinem Oberschenkel, und höher daran hinauf. Sanft streifte ich über seine Mitte, bekam dafür einen unmissverständlichen Blick. Seine Augen hatten sich um mindestens zwei Nuancen verdunkelt. In ihnen sah ich ganz genau, wie sehr er mich jetzt wollte. Wenn seine Kollegen nicht hier wären, würde er mich sofort auf den Tisch setzen, mir die Unterwäsche vom Leib reissen und in mich eindringen. Mit schnellen Stössen würde er uns beide zum Stöhnen bringen. Der Gedanke, endlich mal wieder Sex zu haben, reichte, um mir die Nässe zwischen die Beine zu treiben. Isuzu stupste mich in die Seite.
"Möchtest du den Rest noch?" Satomi sah mich erwartungsvoll an. In ihrer Hand hielt sie eine Schüssel. Aus meiner dreckigen Fantasie gerissen, brauchte ich eine Sekunde, um die Situation zu erfassen.
"Wenn niemand Einwände hat, gerne." Ich schaute kurz im Kreis herum. Aber keiner schien es mehr zu wollen, woraufhin ich alles in mein kleines Porzellanschälchen schob.Ab und zu sah ich unauffällig zu Naohiro. Immer wieder kniff er die Augen fester zusammen. Nachdem Tadamichi Gesshin mit einem Kommentar völlig unerwartet aus dem Konzept brachte, erfüllte Gelächter den Raum. Doch im Gesicht des Brillenträgers konnte ich die ersten Anzeichen erkennen.
"Geht es dir gut?", fragte Seitaro unsicher. Sein Freund nickte schwach. Der Hauseigentümer stotterte, fand dann aber in seine Erzählung zurück.
"Jedenfalls hat dann die Sekretärin zurückgerufen. Aber anstatt mir die Unterlagen weiterzuleiten, hatte sie einige private Dokumente des Chefs im Anhang hochgela-"
"Naohiro, lächle mal!", unterbrach ich den Gastgeber ernst. Die riesigen Augen hinter den Gläsern wurden schmaler.
"Warum?"
"Bitte...", drängte ich. So tat er es. Aber anstatt eines Lächelns betrachteten wir eine seltsame Grimasse. Denn während der eine Mundwinkel nach oben ragte, hatte sich der andere kaum bewegt. Noch verstand keiner worauf ich hinauswollte.
"Und jetzt halte beide Arme ausgestreckt vor dich, Handflächen nach oben", wies ich ihn weiter an. Wieder tat einer der beiden Seiten nicht das was er sollte. Satomi schien es begriffen zu haben.
"Ruf den Notarzt!", wies sie ihren Mann an. Ihre Stimme bebte. Das war wohl der Schock. Er stand sofort auf, schnappte sich das Haustelefon und verschwand im Flur.
"Naohiro, du hast gerade einen Schlaganfall. Verstehst du, was ich sage?" Schweiss stand auf seiner Stirn. Langsam nickte er.
"Bitte sprich. Irgendetwas, was ist egal. Aber so können wir schneller erkennen wie schnell sich dein Zustand verschlechtert." Seitaro fing sofort an, mit ihm eine Unterhaltung zu führen."Ich hole ein Aspirin!" Satomi machte sich davon und kam einige Sekunden später mit dem Medikament zurück.
"Das ist keine gute Idee...", hielt ich sie zurück.
"Aspirin bewirkt eine Fibrinolyse, also kann es ein Blutgerinnsel auflösen."
"Verstopft nicht ein solches eine Arterie bei einem Schlaganfall?"
"Nur bei ischämischen Schlaganfällen. Bei einem hämorrhagischen hingegen, reisst eine Arterie im Gehirn. Nimmt man dann Aspirin, führt das nur dazu, dass sich die Wunde nicht verschliessen kann. Es würde also nur noch stärker Bluten. Auch wenn es statistisch gesehen weniger oft passiert, würde ich es nicht riskieren. Ich denke wir haben es früh genug erkannt, dass sie sich im Krankenhaus nach einem MRI für die richtige Behandlung entscheiden können." Gesshin kam in den Raum zurück.
"Der Krankenwagen ist in fünf Minuten da!"Naohiro wurde auf eine Trage geschnürt und aus dem Haus gekarrt. Die Türen des Autos wurden laut zugeschlagen. Mit Blaulicht fuhren er und Seitaro davon. Schweigsam standen wir übriggebliebenen an der Haustüre. Ian legte seinen Arm um mich, sah auf seine Uhr.
"Wir sollten langsam gehen", murmelte er und drückte mir einen Kuss auf die Wange. So verabschiedeten auch wir uns. Isuzu hatte nun die ganze Rotweinflasche in der Hand. In grossen Schlücken trank sie daraus. Obwohl sie im Laufe des Abends mindestens drei ganze getrunken hatte, schien sie bei klarem Verstand. Mit einem zerknirschten Lächeln umarmte sie uns. Auch Tadamichi und Rinako wirkten ruhig und distanziert. Ich musste feststellen, dass sie wohl alle kaum schlimmeres erlebt hatten. Aber wer konnte es ihnen verübeln. Es war immerhin ein enger Freund von ihnen.
"Kommt unbedingt wieder einmal vorbei", lud uns die Schwangere ein und nahm mich fest in den Arm.
"Sehr gerne", lächelte ich.
"Das passiert nämlich nicht jedes Mal", versuchte sich Gesshin an einem Witz. Aber es war niemandem zum Lachen zumute.
"Nächstes Mal dürft ihr auch gerne Kichiro mitbringen"
"In Ordnung." Als ich Gesshins Hand ergriff, legte er seine Aura verstärkend in den Handschlag. Ganz so als ob er mir sagen wollte, dass wir Nen-Kenner zusammenhalten sollten.
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Still him... // Hisoka ff HxH
Fanfic!! Fortsetzung zu "Why him..." !! Um die Geschehnisse mit Hisoka und der Phantom Troupe hinter mir zu lassen, zog ich zurück nach Zaban City. Doch ein Jahr später tauchte der charismatische Todesgott plötzlich wieder auf. War er zurück, um mir einen...