Boat [3]

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Die letzten Reste eines frühmorgendlichen Nebels hingen noch zwischen den Bäumen, welche von der Fähre aus zu beobachten waren. Ein paar Strahlen der tiefstehenden Sonne brachen sich auf der Wasseroberfläche und tauchten die Umgebung in ein wohliges Sein.
"Perfektes Wetter für einen Bootsausflug, nicht wahr?"
Changbin seufzte und betrachtete im Augenwinkel die Person, die sich neben ihm niederließ. Er trug einen grauen Mantel, darunter war ein weißes Hemd zu erkennen, keine Krawatte, jedoch schlang sich ein dunkler Schal locker um den Hals. Man könnte meinen, Kim Namjoon sei einer dieser Workaholics, welche weder Tageszeiten noch Feiertage kannten. Doch es war genau anders herum, was bei Ihrem Job schon beinahe als heilig galt. Es war dieser Balanceakt zwischen einem Fall, genug Schlaf, Essen, Freizeit und Familie einzuplanen, ohne vollends den Verstand zu verlieren. Changbin kam meistens weder zum Schlafen noch zu seiner Freizeit. Aber Kim Namjoon war ein Meister darin sich seine Zeit einzuteilen, dass er diesen Trapezmarsch ohne Verluste überwandte. Und das bewunderte der Schwarzhaarige sehr. Nichtsdestotrotz rauchte sein Kopf noch immer. Die Überraschung war missglückt, denn der Fae hatte das Bedürfnis die ganze Welt niederzubrennen.
"Ich schätze, ich muss mich bei dir entschuldigen."
Sein Chef war niemand, der leichtfertig um Verzeihung bat. Er war der hiesige Boss des District Nines und somit sein unmittelbarer Vorgesetzer. Sie kannten einander seit fast zwanzig Jahren. Es mochte komisch klingen, und irgendwie war es das auch, weil er viel zu jung aussah für einen solchen Job, jedoch gehörte Altern nicht zu den Prozessen seines Körpers, denn damit hatte er mit zweiundzwanzig Jahren aufgehört. Changbin schwieg, um der Wut in seinem Inneren nicht die Macht zu geben, es an seinem Chef auszulassen, obwohl er es zurecht verdient hätte.
"Ich weiß, dass dir diese Tatsache nicht gefällt. Ich weiß, dass in dir gerade brodelnde Lava pocht, die nur darauf wartet mich zu verbrennen. Doch es wird Zeit."
Der Blick des Fae wandte sich gen Ufer, während er an seine erste Überfahrt dachte. Namjoon gehörte zu jenen Wesen, die sich der Natur vollends verschrieben hatten, jene, die den Winden lauschten, den Bäumen beim Singen zuhörten und jedwedes Tierleid vermieden.
"Dein Team leistet großartige Arbeit, ihr kennt einander seit Jahren, eure Aufklärungsrate ist die Beste neben der meines Teams im District Nine-"
Sein Sitznachbar hielt inne, um die richtigen Worte zu finden, doch Changbin kam ihm zuvor. Er konnte nicht verhindern, dass seine Aussage, wie ein Vorwurf klang, dabei war er sonst stets bemüht einen kühlen Kopf zu bewahren. Aber diese Sache bereitete ihm Kopf- und Bauchschmerzen, denn er hatte das Gefühl all das, was Geschehen war, würde erneut passieren. Und dafür war er nicht bereit. Wahrscheinlich würde er es niemals sein.
"Und dennoch schickst du mir einen völlig Fremden, ohne jegliche Vorwarnung entgegen."
Namjoons Gesicht zierte ein ertapptes Lächeln, worüber der Schwarzhaarige nur den Kopf schütteln konnte.
"Hätte ich es dir von vorne herein erzählt, wärst du niemals einverstanden gewesen. Wahrscheinlich hättest du sogar gekündigt."
Changbin legte den Kopf schief und überlegte. Hätte er wirklich den Job hingeschmissen, wegen der einen schlimmen Sache, die ihm widerfahren war, die ihn grundlegend geändert hatte? Innerlich wusste er die Antwort und Namjoon ebenfalls. Das Einzige, was ihn zu dieser grauenhaften Zeit aufrechterhielt, war sein Team, seine Freunde, seine Familie.
"Wieso dann ausgerechnet jetzt? Wieso ein Neuer aus Australien? Wir sind genug Leute. Sieben sollten ausreichen, um diesen District und seine Miseren in Schach zu halten!"
Unwillkürlich redete sich der Fae immer mehr in Rage, dass seine Magie in der Luft zu prickeln begann. Kleine Funken stoben in den Himmel, während seine Handinnenflächen heiß wurden. Die Möwen über ihren Köpfen begannen panisch zu kreischen, als sie den Geruch wahrnahmen. Namjoon legte eine Hand auf seine Schulter. Augenblicklich versiegte seine Magie, so rasend sie auch gekommen war. Er biss sich auf die Unterlippe und erhob sich von der Bank. Das Kribbeln in seinem Körper war unerträglich. Am liebsten würde er über Board springen.
Changbin fixierte den Älteren mit einer wütenden Miene.
"Verzeihung, manchmal passiert das einfach. Aber um auf deine Frage zurückzukommen, die Acht ist eine schöne Zahl, außerdem ist Felix bemerkenswert. Das hat mir sein alter Chef versichert. Und, was nicht zu unterschätzen ist, sind seine magischen Fähigkeiten."
Der Schwarzhaarige wollte zu der Frage ansetzen, was ein einfacher Mensch für Magie besitzen konnte, da klingelte das Telefon des Meermannes. Mit einer entschuldigenden Miene wandte er sich ab und ging in den hinteren Teil der oberen Aussichtsplattform. Changbin derweil versuchte durch Atemübungen dem Gesagten Platz in seinem Kopf zu schaffen. Die unbewusste Offenbarung seines Chefs konnte er nicht korrekt deuten. Wenn er die Fakten zusammentrug, war Felix scheinbar mit Magie gesegnet, nichtsdestotrotz konnte der Fae bei ihrer ersten Begegnung nicht erspüren oder erriechen, was er war. Und er kannte Kim Namjoon gut genug, um zu wissen, dass der Blonde ein Schloss mit sieben Siegeln war. Von ihm würde er keine Informationen bekommen. Kurzerhand schlug sich der Fae mit der flachen Hand gegen die Wange. Er hatte sich genug Gedanken über das nervige Balg gemacht. Und er verfluchte sich für seine Neugier. Stattdessen starrte er in den Himmel, dessen Blau einer Wand grauer Düsternis gewichen war. Er seufzte.
Was für ein beschissener Morgen.
"Sobald wir an Land sind, benachrichtigst du den Rest deines Teams", hörte er Namjoons tiefe Stimme in seinem Rücken. Verwirrt wirbelte der Schwarzhaarige herum, nur um in dem Gesicht des Älteren zu erkennen, dass etwas Grauenhaftes geschehen sein musste.

Children Songs {ChangLix}Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt