Time [40]

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Einen Monat später

"Ich spüre, dass das Grauen noch nicht zu Ende ist", prophezeite Kim Namjoon und eröffnete somit ihre heutige Sitzung.
Felix verdrehte die Augen und verkniff sich ein Seufzen. Wenn sein Boss schon so begann, würde es zu neunzig Prozent eintreten. Das hatte er in dem halben Jahr, welches er im District Nine stationiert war, gelernt. Hyunjin ließ derweil den Kopf mit einem lauten Knallen auf die Tischplatte fallen und grummelte irgendwas von "Böses Omen" und "Unglück".
Namjoon ließ sich davon nicht beirren und startete sogleich mit den Tagesthemen. Es war ihr erstes Treffen nach einer Zwangspause, wo ein jeder sich regenerieren musste. Der Kampf hatte tiefen Wunden hinterlassen, welche bei anderen sichtbarer waren, als bei ihm. Jisungs Metallauge schien in Mitleidenschaft gezogen wurden zu sein, da er nun eine größere Augenklappe trug, als sonst. Chans Gemütszustand war distanzierter. Er wirkte abwesend, nicht hier. Was ihm niemand übel nahm, schließlich mußte er seinen Ex-Mann töten. Trotz ihrer Vergangenheit, die niemand schön reden konnte, würde stets ein klitzekleiner Teil in dem Dämon zu Matthews Liebe lechzten. Und Bang Chan hatte ihn aufrichtig geliebt, also würde er auch aufrichtig trauern. Jeongin wirkte zwar lebhaft, aber nicht so wie normalerweise. Die Tatsache, dass der Tod, als eigentlich neutrale Gottheit auf sie losgegangen war, schien den Jüngsten unter ihnen hart getroffen zu haben. Kein Wunder, denn bei den Ritualen zum Erwachsen-werden der Drachen, stand stets der Tod als Aufpasser bei diesen 'Festivitäten'.
Allgemein wurde gemunkelt, dass irgendetwas mit der Gottheit nicht stimmen konnte. Diese Einmischung in das menschliche Dasein, in ihre Leben und das Töten unschuldiger Frauen und ihrer Kinder war ein Vergehen, welches sich nicht einmal der Tod erlauben durfte.
"Tagesthema Nummer eins: Die Tatsache, dass Felix ein Gestaltwandler ist. Das sollte, niemals, absolut niemals, auch nur in die Nähe irgendwelcher Fremden gelangen, die nicht in unserem District und auch nicht in unserem Hauptquartier arbeiten! Habe ich mich da klar und deutlich ausgedrückt?"
Er sah jedem einmal ins Gesicht und verzog die Miene, als er bei Felix ankam. Der Blonde schluckte. Er hatte sich auf eine Gefangenschaft eingestellt, denn Gestaltwandler, sofern man einen fand, wurden sofort der Regierung übergeben und getötet. Mit dieser langen Schonfrist hatte er nicht gerechnet. Die Hand des Blonden zuckte zu Changbin. Auch wenn sie sich in seinem Haus befanden, da dies sicherer war, als im Hauptquartier, spürte er die Angst seine Knochen hinaufkriechen. Sie lähmte ihn und seine Augen verschwammen hinter einer Mauer aus Dunkelheit. Bis er merkte, wie Changbin seine Hand ergriff und Kreise darauf malte.
"Ich habe mit deinem ehemaligen Chef in Australien gesprochen. Er wusste natürlich, dass du ein Gestaltwandler bist und hat trotzdem dicht gehalten, verrate mir, warum?"
Felix überlegte zu lügen, aber das würde keine Rolle mehr spielen.
Kim Namjoon hatte bereits eine Wahl getroffen.
"Weil er der Meinung ist, ich würde eines Tages die Welt retten."
Der Meermann nickte und lehnte sich zurück. Der Rest des Teams verfolgte angespannt ihre jetzige Situation. Der Gestaltwandler wusste, sie würden ihm helfen. Selbst zur Flucht, auch wenn dies bedeuten würde, sie müssten ins Gefängnis. Generell schien keiner von seinem Team sonderlich überrascht gewesen zu sein, dass er ein Gestaltwandler war. Eher feierten sie ihn für sein Sein, was Felix überraschte. In all der Zeit, die er auf dieser Erde weilte, mied der Großteil der magischen Gesellschaft ihn. Zumindest die, die von seiner Existenz wussten.
"Ich habe moralische Prinzipien. Ich bin ein Mann der Gerechtigkeit. Ich gehöre seit Jahrhunderten der Polizei an. Ich habe Regierungen fallen sehen und Neue wieder erbaut."
Felix' Körper rauschte unter dem Adrenalin, dass durch ihn hindurch jagte. Die Worte des Älteren regneten wie brennende Feuerlanzen auf ihn nieder. Innerlich versuchte er sich auf eine Flucht vorzubereiten. Er müsste Olivia aus dem Garten holen, sich verwandeln, um seine kleine Schwester in Sicherheit zu bringen. Sie war das Letzte, was von seiner Familie übrig geblieben war und er würde sie beschützen. Mit seinem Leben.
"Aber, das, was mit den Gestaltwandler geschehen ist, wie man sie abschlachtete, wie man sie ihren Familien entrissen hatte, um sie hinzurichten ohne Prozess. Das kann und werde ich niemals dulden. Ich bewahre dein Geheimnis, genau wie Jungkooks Team."
Die Erleichterung traf ihn wie ein Schlag in die Magengrube und obwohl es ein gutes Gefühl sein sollte, fühlte sich Felix ausgelaugt und elend. Wenn jemand von Namjoons Stillschweigen erfuhr, so würde er ins Gefängnis wandern oder gar getötet werden. Der Meermann nickte, als niemand antwortete.
"Gut, Punkt Nummer zwei. Der Tod ist entkommen. Warum hat Sie sich eingemischt und wieso wollte Sie Felix so unbedingt für sich gewinnen?"
Gewinnen war eine Untertreibung, dachte Felix bitter. Er verspürte erneut die Magie des Todes unangenehm über seine Seele streifen. Die Anwesenden zuckten die Achseln.
Es war Jisung, der die Sprache zuerst fand.
"Sie wirkte auf mich anders als sonst. Vernebelt, nicht bei Bewusstsein, so als würde jemand anderes sie steuern."
Der Gestaltwandler nickte, die Stimme, welche er gehört hatte, klang nicht wie die einer Gottheit. Irgendwer musste Besitz von ihr ergriffen haben.
"Wer ist zu so etwas fähig?", fragte Jeongin und trank einen Schluck von der Cola, die Felix auf dem Tisch platziert hatte.
Ein Ruck ging durch Changbin, der neben Felix irgendetwas murmelte.
"Eine andere Gottheit", entgegnete Minho und erntete daraufhin besorgte Blicke seitens des Teams. Namjoons Miene wurde grimmig, doch er nickte.
"Das ist die einzige Erklärung, obwohl das den Vertrag brechen würde."
Felix schluckte.
Dass hieß, irgendjemand ganz Großes hatte es auf ihn abgesehen und der oder die würde mit Sicherheit eine Schneise der Verwüstung hinterlassen.
Es war noch nicht vorbei.

Children Songs {ChangLix}Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt