1. Kapitel

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„Sie dürfen da nicht durch!" laute Rufe hallten durch den Gang. Ich saß in meinem Büro, als die Tür mit viel Kraft aufgestoßen wurde und fast an die Wand schlug. Verwirrt schaute ich von dem Artikel hoch, an dem ich gerade schrieb. „Da bist du, du bist meins!" knurrte der Mann mich an, der durch meine Tür stürmte.

Einen Moment überlegte ich, ob ich darüber lachen sollte. Wo waren wir denn, im Mittelalter? Ich gehörte niemanden, nur mir. Doch nach einem Blick in sein Gesicht blieb mir jede Reaktion im Halse stecken. Seine Augen hatten einen wirren Ausdruck und saugten sich geradezu an meinen Gesicht fest. Doch noch etwas sah ich darin: Wut und eine gewisse Unberechenbarkeit, ob er sich zügeln konnte oder nicht. Ich war sehr froh, dass gerade ein Schreibtisch zwischen uns stand.

Energisch trat der Fremde auf mich zu und unwillkürlich lehnte ich mich in dem Stuhl weiter zurück. Er schlug mit den Händen fest auf den Tisch und fixierte mich, als würde er mich festnageln wollen. Dann sog er die Luft tief durch die Nase ein und verzog das Gesicht, als würde es hier nach Gülle stinken „ich rieche an dir einen anderen Mann – das werde ich nicht dulden!"

Fassungslos starrte ich ihn an und war wie gelähmt. Das konnte doch nicht sein Ernst sein? Unsicher schaute ich über seine Schultern Richtung Gang – wo blieb nur der Sicherheitsdienst? Hoffentlich hatte die Empfangsdame sie direkt informiert, als der Unbekannte an ihr vorbei gestürmt war. Aber zunächst war ich auf mich alleine gestellt. Ich wusste nicht genau, ob ich erleichtert sein sollte, weil mein Bürokollege heute nicht da war. Aber ändern konnte ich daran sowieso nichts.

Der Mann begann um den Tisch herum zu gehen. Da erwachte mein Überlebensinstinkt mit einem Mal zum Leben. Ich sprang auf und wich bis an die Wand zurück. Panisch sah ich mich nach irgendetwas um, dass ich als Waffe verwenden konnte – oder wenigstens als Schutzschild. Ein paar Ordner standen im Schrank neben mir, aber die waren erfahrungsgemäß schwer und damit ungeeignet. Alles andere war sorgfältig aufgeräumt, nichts lag herum. Blieb nur noch eine Hinhalte-Taktik. Man sollte meinen, dass ich als Reporterin immer etwas passendes zu sagen hatte – doch auf so eine Situation war ich nicht eingestellt. Ein Fremder, der wie ein wilder Stier in mein Büro stürmte und Radau machte. Durch die Angst floss pures Adrenalin durch meine Adern und meine Körper hielt es für eine gute Idee, das Blut in das Herzu zu pumpen statt in mein Gehirn.

„Wer seid Ihr überhaupt?" brachte ich schließlich heraus. Nicht der beste Einfall, aber immerhin blieb der Mann für einen Moment stehen. Er legte des Kopf schief, so als wäre die Antwort ganz klar und er könnte sich nicht erklären, warum ich die Frage überhaupt stellte.

„Dein Partner fürs Leben" knurrte er. Der grollende Unterton war deutlich zu hören. Nachdem die größte Gefahr jetzt erst mal gebannt war und er nicht weiter auf mich zuging, fing mein Gehirn wieder an zu arbeiten.

„Das wüsste ich aber" konterte ich. Oho – das hätte ich wohl nicht sagen dürfen. Leise verfluchte ich meine Spitzfindigkeit. Der Eindringling ballte seine Hände zu Fäusten und zitterte vor unterdrückter Wut.

Die Angst kroch in mir hoch und lähmte mich. Beruhige ihn, irgendwie musste ich ihn hinhalten. Nicht mehr lange, dann müsste Verstärkung kommen. „Warum setzen Sie sich nicht, dann können wir uns etwas unterhalten" startete ich einen Versuch. Doch ein Blick in seine fast schwarzen Augen ließ mich meinen Rücken noch mehr an die Wand pressen. Er zog die Lippen auseinander und entblößte seine Zähne, dabei kam ein gefährliches Knurren tief aus seiner Kehle. Verdammt, wie kam ich aus der Situation nur raus? Ich fasste mit unwillkürlich an den Hals, als er noch einen Schritt auf mich zukam.

„Mein Herr, wir müssen Sie bitten das Gebäude sofort zu verlassen" fast hätte ich vor Freude geweint, als ich die Stimme des Beamten an der Tür hörte. Ruckartig drehte der Fremde seinen Kopf in seine Richtung. Jetzt, wo er mir nicht mehr seine volle Aufmerksamkeit schenkte, musterte ich ihn interessiert. Schwarze Haare und der Dreitagebart ließen ihn leicht verwegen aussehen. Dazu trug er eine Stoffhose und ein Hemd, bei dem die Ärmel hochgekrempelt waren und den Blick auf gebräunte und kräftige Unterarme freigaben. Ich war mir sicher, dass ich ihn noch nie in meinem Leben gesehen hatte. Zumindest hatte ich ihn nicht bewusst wahrgenommen. Was wollte er nur von mir?

Sein Blick traf wieder auf meine Augen „das war nicht das letzte Mal, dass wir uns begegnet sind." Ich konnte mir gerade noch ein Zittern unterdrücken, dass mich bei der Drohung überkommen wollte. Mutiger als ich war erwiderte ich seinen Blick „dann verschwenden Sie Ihre Zeit. Ich kenne Sie nicht und sehe keinen Grund, das zu ändern." Der Angesprochene zog die Mundwinkel selbstbewusst nach oben „beides wird in ein paar Monaten nicht mehr der Fall sein." Mit den Worten wandte er mir endlich den Rücken zu und verließ mit dem Sicherheitsdienst mein Büro.

Meine Beine trugen mich keinen Moment länger und ich sackte wo ich war direkt auf den Boden. Unsere Empfangsdame, eilte zu mir und reichte mir ein Glas Wasser. Dankbar nahm ich es und lächelte sie an. Mit der Hand fasste ich mir an die Stirn und wischte den kalten Schweiß ab. „Kann ich etwas für dich machen, Tamara?" fragte sie besorgt. Ich schüttelte stumm den Kopf – meiner Stimme vertraute ich noch nicht. In dem Moment kam meine Vorgesetzte, Jana, in das Büro – ich sah ihr an, dass sie mitbekommen hatte, was hier vorgefallen war.

„Warum machen Sie nicht für heute Schluss und gehen nach Hause?" schlug sie vor. Unbeholfen stotterte ich „ich – ich habe den Mann noch nie gesehen, keine Ahnung, was er wollte." Sie wank nur ab „Verrückte gibt es immer wieder. Ich hoffe, dass er dich nicht weiter belästigt" lächelte sie. Unsicher stand ich mit Janas Hilfe auf und war noch etwas wacklig auf den Beinen, als ich meine Sachen zusammen packte und mich auf den Heimweg machte. Zum Glück benutzte ich den Nahverkehr, zum Auto fahren wäre ich nicht in der Lage.

An unserem Haus angekommen, zog ich mein Etui-Kleid aus und hängte es zum Auslüften nach draußen. Stattdessen zog ich mir eine bequeme Jeans und ein T-Shirt an. Anschließend ging ich ins Bad. Ungläubig schaute ich die Frau an, die mir aus dem Spiegel entgegen starrte. Die Augen waren immer noch ängstlich geweitet, so dass die blaue Farbe deutlich zu sehen waren. Wenn ich nicht großzügig make-up verteilt hätte, wäre die helle Haut noch blasser als normal. Die hellbraunen Haare hatten sich scheinbar auch der Situation angepasst und hingen glatt und glanzlos nach unten. Seufzend schminkte ich mich ab und spritzte mir Wasser ins Gesicht. Einfach abhacken – das war ein einmaliges Erlebnis, in ein paar Wochen würde ich darüber lachen. Mit den Gedanken ging ich in den Garten, um dort etwas Ordnung zu schaffen.

Zwischen Mann und MateWo Geschichten leben. Entdecke jetzt