30. Kapitel

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Montage gehören eindeutig abgeschafft. Das wurde mir mal wieder in aller Deutlichkeit bewusst, als der Wecker klingelte. Wobei es nicht am Montag lag, das war mir klar. Eher an den wenigen Stunden Schlaf, die ich in dieser Nacht bekommen hatte.

Zunächst hatte ich mich im Bett hin und her geworfen. Wie konnte dieser Arvid etwas wissen, was mir verborgen war? Und was wollte er mit den Informationen anfangen? Sollte ich Jan vorwarnen, dass sein Geheimnis aufgeflogen war? Das kam mir dann doch übertrieben vor.

Doch es blieb die Frage, was genau Arvid wollte. Hatte er auf eine Schwäche gewartet? War es eine Masche von ihm, emotional angegriffene Frauen zu verführen? Das hieße, dass er von Beginn an wusste, dass ihre Ehe auf der Kippe stand.

Diese Gedanken wachten die Wut im Bauch weiter an. Ich schwitzte und konnte mich nicht beruhigen.

Mit Ablenkung durch ein Buch kam ich auch nicht weiter. Drei Mal las ich den gleichen Absatz, bis ich schließlich aufgab. Mein Gehirn lief auf Hochtouren. Genauso gut könnte ich versuchen ein ICE durch eine Blume zu stoppen.

Doch ich hatte nicht das Gefühl, dass er solche Tricks benötigte, um Frauen ins Bett zu bekommen. Eine erotische Anziehungskraft spürte sogar ich in den letzten Wochen zwischen uns und ich hatte mich immer als immun gegen solche Typen betrachtet. Ich hatte mich sogar darauf gefreut, ihn wieder zu sehen, trotz oder gerade wegen unserer Dispute. Bei Veranstaltungen ertappte ich mich dabei enttäuscht zu sein, wenn er nicht auftauchte. 

Selbst jetzt überlegte ich, wann er das nächste Treffen arrangieren würde – und wie. Schnell verscheuchte ich den Gedanken daran. Ich wollte ihn nicht wieder sehen. Er hatte mich hintergangen. Und wenn nicht, dann doch essentielle Informationen bewusst verschwiegen. Auf so etwas konnte man keine Beziehung aufbauen.

Und was war mit Spaß? Ich erschrak über meine eigenen Gedanken. Ein Sexabenteuer oder one-night-stand hatten mich noch nie gereizt. Mit Mitte 30 würde ich bestimmt nicht damit anfangen.

Im Bad überdeckte ich die Augenringe mit einer dicken Schicht make-up. Bevor ich mich auf den Weg zur Arbeit machte, suchte ich noch im Internet nach potentiellen Artikeln über meinen Ehemann. Erleichtert stellte ich fest, dass sie alle von seinem gestrigen Wahlsieg handelten und verließ das Haus.

Im Geschäft herrschte wildes Treiben. Die Analysen zur Wahl wollten geschrieben werden. Da ich gestern auf keiner Veranstaltung war, kam ich mir seltsam verloren vor.

„Na, wen haben wir denn da. Ich habe dich gestern vermisst" kam es anzüglich von Sven.

Seufzend wandte ich mich ihm zu. Ich hätte wissen müssen, dass er auf der Wahlparty der Traditionellen war. Das war die Veranstaltung mit dem höchsten Prestige, das konnte er sich nicht entgehen lassen. Und dass ich frei gestellt war für den Tag, kam ihm da sehr recht.

„Ich fühlte mich nicht so gut" erklärte ich widerstrebend. Es ärgerte mich, dass ich darüber Rechenschaft ablegen musste.

Der Blick von meinen Kollegen wanderte zu meiner Hand. Ich war froh, dass ich aus alter Gewohnheit meinen Ehering angezogen hatte. Kurz hatte ich überlegt, ihn auf den Nachttisch liegen zu lassen. Doch dann hatte sich die Hand so nackt angefühlt. Außerdem war meine Strategie, so lange wie möglich das unvermeidliche hinauszuschieben. Ich brauchte weder Mitleid noch Häme – beides würde ich bekommen, sobald meine Trennung die Runde machen würde.

„Schade, immerhin war es euer letzter gemeinsamer Abend. Wie ich hörte, ist dein Mann schon auf den Weg nach Berlin."

„Wow, da hast du mal richtig gut recherchiert" ich tat überrascht und pfiff anerkennend. „Sehr gute Leistung, gratuliere!"

Da verzog sich Svens Gesicht. „Du denkst wohl immer noch, dass du interimsmäßig die Führung unserer Gruppe übernimmst. Sei dir da mal nicht zu sicher – Hochmut kommt vor dem Fall."

Bevor ich etwas erwidern konnte, hatte sich mein Kollege schon umgedreht und war gegangen. Der Tag konnte ja nur besser werden.


Zwischen Mann und MateWo Geschichten leben. Entdecke jetzt