4. Kapitel

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Die nächsten Tage verbrachte ich mit dem Versuch, mehr über Arvid Waldmann herauszufinden. Doch es blieb beim Versuch – das Internet gab nichts preis, so als würde er nicht existierte. Es gab Profile in verschiedenen Netzwerken von Leuten mit den gleichen Namen – doch auf den Bildern war ganz klar erkenntlich, dass es nicht der Mann war, der mich bereits zwei Mal überrascht hatte. Die Gesichter waren nicht prägnant genug.

Immer wieder schweiften meine Gedanken ungewollt zu unserem Gespräch im Restaurant. Es half auch nicht, dass ich mich noch so genau an seinen Geruch erinnern konnte. Frisch, etwas erdig – fast so wie im Wald nach einem Regenschauer. Der Name passte eindeutig zu ihm. Aber wie konnte ich seinem Motiv auf die Schliche kommen? Warum interessierte er sich für mich? Und würde er seine Drohung – oder sein Versprechen - wahr machen und mich wieder aufsuchen? Und wenn ja, wann und wo? Ich merkte, dass ich dem Treffen schon fast fiebrig entgegen blickte. Was war nur mit mir los? Seit ich mit Jan zusammen war – immerhin schon 15 Jahre – hatte ich bei keinen anderen Mann so gefühlt. Irgendetwas war hier anders und das machte mir Angst.

Ein Blick auf die Uhr sagte mir, dass ich schon etwas knapp für mein Interview-Termin war. Schnell packte ich alles in die Tasche, verabschiedete mich und machte mich schnellen Schrittes auf den Weg, damit ich nicht zu spät zum Treffpunkt, ein Café kam. Dort war ich als erste da. Ich seufzte erleichtert auf – es war in meinen Augen unprofessionell, wenn der Reporter zu spät kam. Ich setzte mich an einen ruhigen Tisch in der Ecke und wartete auf den Lokalpolitiker.

Lächelnd sah ich mich um. So hatte ich auch Jan kennen gelernt – ich hatte ihn damals interviewt, als er als Bürgermeister kandidierte. Einer der jüngsten zur damaligen Zeit. Leider wurde er nicht gewählt, aber in der nächsten Periode schaffte er es dann verdient sich gegen die Mitbewerber durchzusetzen. Und jetzt das nächste Ziel: Bundestagsabgeordneter. Ich wusste nicht, was ich davon halten sollte, wenn er dann die meiste Zeit am anderen Ende des Landes sein würde – aber das war das Los der Partner von Politikern. Wenn sie gerufen werden, dann müssen sie entweder hinterher ziehen oder zurück bleiben. Noch wusste ich nicht, was davon ich wählen sollte, falls Jan sein Ziel erreichte und ein Mandat bekam. Direkt mitgehen würde ich nicht, aber mittel- bis langfristig...

Meine Gedanken wurden unterbrochen, weil mein Interviewpartner kam. Lächelnd begrüßte ich ihn und konzentrierte mich ganz auf das Gespräch und die Fragen, die ich stellen wollte.

Der Politiker war bereits gegangen und ich machte mir Notizen in mein Buch. Das Interview war komplett aufgenommen worden, aber mir war es wichtig, die Stimmung einzufangen und die Mimik bei bestimmten Fragen zu notieren. Und das ging am besten, wenn die Erinnerungen noch frisch sind.

Ich spürte ihn, bevor ich aufsah. Ich weiß nicht genau, was ich zuerst wahrgenommen hatte. War es eine Bewegung der Luft? Oder der erdige Geruch kombiniert mit dem typisch männlichen? Ich blickte auf und da war er, direkt an meinen Tisch. Mir stockte der Atem. Ohne zu fragen, setzte er sich auf den freien Stuhl. „Hast du an mich gedacht? Hast du mich vermisst, Süße?" der Kosename kam Arvid wie selbstverständlich von den Lippen.

„Ich kann mich nicht daran erinnern, dass wir in unserer Bekanntschaft schon so weit waren, Herr Waldmann." Er lächelte mich an „nenn mich doch bitte Arvid." Ohne zu blinzeln sah ich ihm in die Augen „ich verzichte auf die Ehre, Herr Waldmann."

Da lachte mein Gegenüber auf „gut, für jetzt gebe ich nach. Sie sind eine harte Nuss, das gefällt mir." Warum nur klangen die Worte aus seinem Mund verführerisch?

Ich nahm mir die Zeit in möglichst genau zu mustern. Er war so ganz anders als Jan, mein Ehemann. Sein Gesicht war kantig, die Nase prägnant. Die Haare ein so dunkles schwarz, dass sie fast blau schimmerten und etwas länger als die aktuelle Mode. Der Dreitagebart war wie bei den Begegnungen vorher akkurat gestutzt. Dazu kamen die Augen in einem dunklen grau-blau, an denen ich hängen blieb.

Lässig lehnte er sich im Stuhl zurück und wartete auf mein Urteil. An Selbstbewusstsein mangelte es ihm auf jeden Fall nicht. Er betrachtete mich seinerseits so intensiv, dass ich mich unbewusst fragte, ob mein make-up noch saß. Unsicher griff ich mir an den Hals. Das Duell hatte er gewonnen. Und an seinem überlegenen Lächeln sah ich, dass ihm das bewusst war und das ärgerte mich.

Jetzt war ich froh, dass ich mir bereits Fragen überlegt hatte. „Stalken Sie mich?" wollte ich als erstes wissen.

„Das muss ich nicht – ich werde Sie immer aufspüren, Sie können sich nicht verstecken" dabei fixierte er mich so intensiv, dass mir ein kalter Schauer über den Rücken lief.

„Aber warum? Was wollen Sie von mir?"

Er musterte mich nachdenklich „ich weiß was ich möchte und werde nicht nachgeben, bis ich es habe."

Ich merkte wie die Unruhe in mir wuchs und dazu der Wunsch zu fliehen. Doch auf der anderen Seite war da eine Macht, die verhinderte, dass ich mich bewegen konnte. Ich war wie hypnotisiert von seiner Anwesenheit. Dazu kam, dass mich seine Worte etwas erregten. Ich fand Männer, die wissen was sie wollen, schon immer anziehend. Unruhig rutschte ich auf den Stuhl hin und her. Seinem triumphierenden Grinsen nach zu urteilen wusste er genau, was für eine Wirkung er auf mich hatte. Ich ärgerte mich über mich selbst – und über meinen verräterischen Körper.

„Leider muss ich mich wieder auf den Weg machen. Aber keine Sorge, ich werde dich wiedersehen."

„Wir waren noch beim Sie" erwiderte ich möglichst kalt. „Wie Sie wollen, Süße." Ehe ich noch etwas erwidern konnte, war er aufgestanden und verließ den Laden. Das gab mir Gelegenheit ihn von hinten zu betrachten. Er war größer als ich anfangs dachte – bestimmt 1,90 m. Sein Körper war durchtrainiert und sein Hintern... Ich erschrak über meine eigenen Gedanken. Was war nur los mit mir? Ich war glücklich verheiratet, da brauchte ich keinen anderen Mann. Kopfschüttelnd packte ich meine Sachen zusammen, zahlte und verließ das Café. Ein Spaziergang zu unserem Haus war genau das, was ich jetzt brauchte.

Zwischen Mann und MateWo Geschichten leben. Entdecke jetzt