12. Kapitel

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Am Wochenende feilte ich weiter an unseren Konzept. Ich recherchierte, welche Themen die Jugend bewegte, schrieb mögliche Kandidaten für einen Video-dreh auf. Mit Jan sprach ich ebenfalls, da er auf jeden Fall einer der Interviewpartner sein sollte. Er zuckte nur mit den Schultern und meinte, dass er dabei wäre, wenn die richtigen Fragen gestellt werden. Wahrscheinlich rechnete er sich nicht viele Chancen bei der jüngeren Wählerschaft aus – die Traditionellen wurden eher von Leuten mittleren Alters favorisiert.

Zufrieden mit meiner Vorarbeit, machte ich mich Montag auf den Weg zur Arbeit. Je eher ich mich wieder dem richtigen Journalismus widmen konnte, umso besser. Und wenn das bedeutete, dass ich etwas von der Freizeit am Wochenende opfern musste, nahm ich das gerne in Kauf. Die Zeiten, in denen ich samstags zum Feiern ging, waren ohnehin schon länger vorbei. Seitdem Jan mehr und mehr politisch aufgestiegen ist, versuchten wir ungewollte Aufmerksamkeit zu vermeiden. Dazu gehörte, dass ich mich nicht einfach in der Öffentlichkeit betrinken konnte. Wir waren zwar keine beliebten Opfer der Regenbogenpresse, aber man musste es ja auch nicht herausfordern.

Vormittags saß ich mit Anja und Nadja zusammen und wir besprachen meine Ausarbeitung. Die beiden waren schwer beeindruckt, was ich alles recherchiert hatte. Die Kreativität bei der Umsetzung war dann ihr Metier. Tatsächlich konnte ich mir gut vorstellen, dass am Ende humorvoll auf das aktuellen Themen des Wahlkampfs aufmerksam gemacht wurde. Sie hatten außerdem die Idee, eine Art Übersetzungsbuch für einige Positionen in den Wahlprogrammen zu erstellen. Dabei sollte ich möglichst kompliziert formulierte Aussagen in verständliches deutsch übersetzen.

Unsicher sah ich die beiden an „was genau erwartet ihr von mir? Die sind in Behördensprache geschrieben, da ist nichts eindeutig."

Stirnrunzelnd saß Anja da und kaute nachdenklich auf ihre Lippen „konzentriere dich am besten auf unpopuläre Themen, die entsprechend blumig in den Programmen steht. Zum Beispiel zu steigenden Energiepreisen" meinte sie schließlich. „Denkst du, dass du dazu etwas findest?"

Ich griff mir an den Hals und spielte etwas mit meiner Kette. Dann nickte ich ihr zu „da müsste es einiges geben. Dann schaue ich spezifisch nach solchen Dingen."

Wir beschlossen, gemeinsam zum Mittagessen zu gehen. Nachdem wir so lange diskutiert und am Konzept gefeilt hatten, war es angenehm mit den beiden zu sprechen und auf andere Gedanken zu kommen. Anja hatte sich verlobt und war gerade auf der Suche nach einem geeigneten Ort für die Hochzeit nächstes Jahr. Es war zum Verzweifeln, weil für den Sommer schon alle Samstage gebucht waren. Deshalb überlegte sie an einen Freitag zu heiraten und fragte nach unserer Meinung. Wir stimmten ihr zu, dass Freitag für Gäste machbar sein sollte, aber rieten ihr, dass sie dafür frühzeitig die Einladungen verschickte. Falls sich welche Urlaub nehmen mussten.

So verging die Pause wie im Flug und ich machte mir gedanklich einen Merker, dass ich mit ihnen öfter Zeit verbringen könnte.

In meinem Büro war meine Chefin mit meinen Kollegen im Gespräch. „Hallo Tamara. Wo warst du denn den ganzen Vormittag?" wurde ich prompt gefragt.

Ich unterdrückte mir ein Stirn runzeln. Normalerweise wurde mir bei der Arbeit nicht so genau auf die Finger geschaut. Da ich nichts zu verbergen hatte, sagte ich wahrheitsgemäß „bei Nadja und Anja für die Ausarbeitung unseres Konzepts für die sozialen Medien. Ich würde es in den nächsten Tagen gerne mit dir besprechen, wenn es passt?", antwortete ich Jana.

„Sehr gut. Lass dir für Mittwoch einen Termin bei mir geben, dann gehen wir das durch." Sie nickte uns beiden noch zu und verließ den Raum.

„Seit wann müssen wir denn Rechenschaft über unser Tun ablegen?", wollte ich von meinen Bürokollegen Armin wissen.

Die zuckte mit den Schultern „vielleicht ist das schon Teil des Auswahlverfahrens für ihre Nachbesetzung" mutmaßte er. Unsicher griff ich mir an den Hals. Konnte das sein? Dass sie jetzt sogar kontrollierten, wie oft wir hier vor Ort waren? Das wäre eine Neuerung, die Regeln für das home office waren sehr liberal. Wir konnten arbeiten von wo wir wollten – Hauptsache am Ende stimmte das Ergebnis.

Ich startete meinen Computer und machte mich an den E-Mails zu schaffen. Es waren viele Newsletter mit aktuellen Themen rund um Wirtschaft und Politik. Bei den meisten ging es um Prognosen und Vorhersagen von der aktuellen Wahl, aber auch wie sich die Spitzenkandidaten im Vergleich schlugen.

Bei einer Mail stutzte ich. Sie war von meiner Chefin an mich weiter geleitet worden mit dem Hinweis, das zu übernehmen. Es war ein Interviewtermin mit der PENU für – erschrocken versicherte ich mich noch einmal bei meinen Kalender – Mittwoch Nachmittag. Das würde meinen Zeitplan etwas durcheinander bringen. Jetzt musste ich neben der Recherche nach komplizierten Formulierungen bei sämtlichen Parteien, das Wahlprogramm der PENU noch genauer studieren.

Immerhin hatte ich schon einmal einen Termin bei der Partei wahrgenommen, somit war sie mir nicht ganz unbekannt. Trotzdem musste ich alles wieder auffrischen und mir sinnvolle Fragen überlegen, die unsere Leser interessierten. Ich seufzte leise auf. Dafür, dass sie aller Wahrscheinlichkeit nach keine große Rolle spielen würden, raubten sie verdammt viel von meiner Arbeitszeit.

Da ich keinen anderen Termin hatte, konnte ich die Aufforderung meiner Vorgesetzten schlecht ablehnen. Also blieb mir nichts anderes übrig als zähneknirschend „wird erledigt" zu antworten. Dann machte ich mich daran meine bereits ziemlich lange to do Liste für heute abzuarbeiten.

Zwischen Mann und MateWo Geschichten leben. Entdecke jetzt