39. Kapitel

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Ratlos stand ich vor meinem Kleiderschrank. Was sollte das heute werden? Ein Beschnuppern? Ein Date? Eine zwanglose Zusammenkunft? Seit Arvid gestern gegangen war, ging ich das Gespräch immer wieder im Kopf durch. Doch ich fand einfach keinen Hinweis. Das konnte daran liegen, dass ich immer an einer Stelle hängen blieb: wie wäre es wohl ihn zu küssen – so richtig?

Bestimmt hätte er die ganze Zeit die Oberhand. Er war so dominant, dass er wahrscheinlich gar nicht wusste, wie es anders ging. Aber wäre er stürmisch-leidenschaftlich oder fordernd? Mit seiner Frage gestern hatte er genau das erreicht, was er wollte. Die erwartungsvolle Erregung machte sich in mir breit, ohne dass er in der Nähe war.

Also halb Date, halb Treffen mit Freunden entschied ich mich. Ein etwas wärmeres Kleid war da genau richtig. Ich holte mein türkisfarbenes Kleid mit Wasserfallausschnitt aus dem Schrank. Damit konnte ich mich sehen lassen. Dazu eine blickdichte Strumpfhose und schwarze high heels. Erleichtert, dass endlich die schwierige Entscheidung hinter mir lag, ging ich ins Bad. Die Haare waren genau so, wie sie sein sollten und geschwind legte ich noch etwas make-up auf, das meine blauen Augen schön betonte. Für den Mund nahm ich etwas Lipgloss – zu verzweifelt wollte ich nicht aussehen.

Ich war gerade fertig, als es klingelte. Schnell schnappte ich mir meine schwarze Handtasche und ging nach unten. Noch einmal holte ich tief Luft und öffnete ich die Tür.

Arvid hatte eine dunkelblaue Stoffhose und ein helleres Hemd an. Mir stockte der Atem, als ich ihn musterte. Er ließ seinerseits den Blick über mich wandern und an seinen Mundwinkeln sah ich, dass im gefiel, was er sah.

„Lass uns gehen – bevor ich etwas tue, was wir beide danach bereuen" sagte er mit rauer Stimme. Sein Tonfall ließ keinen Zweifel, was er damit meinte und ein Kribbeln lief über meinen Rücken.

Da ich nicht wusste, ob ich meiner Stimme trauen konnte, nickte ich stumm und folgte ihm zum Auto.

Wir fuhren aus der Stadt und durch ein paar Vororte. Etwas abgelegen, tauchte plötzlich ein großes Anwesen im Blickfeld auf. Außen herum gab es noch einige kleiner Gebäude, von der Größe her könnten es Einfamilienhäuser sein. Doch angesichts des zentral gelegen, rückten sie in den Schatten. Es war drei Stockwerke hoch, in einem freundlichen gelb gestrichen und hatte ein rotes Dach. Direkt hinter ihm begann der Wald.

„Das ist ein Gutshof, 150 Jahre alt, aber komplett renoviert" erklärte Arvid. „Jedes Stockwerk hat über 200 m² Fläche."

Immer noch staunend, ließ ich mir von ihm aus dem Auto helfen. „Womit verdienst du dein Geld?" Die Frage kam ungefiltert aus meinem Mund. Wenn er sich das leisten konnte, musste er reich sein.

„Mit Finanzgeschäften. Dazu habe ich einige Besitztümer geerbt, die ich gut vermieten konnte. Als ich hierher kam, wusste ich sofort, dass der Ort perfekt war und ich nirgendwo sonst wohnen möchte."

Ich war immer noch dabei den Schock zu verarbeiten. Er lebte also tatsächlich hier. Es wirkte wie ein Hotel. Als ich ihm das sagte nickte er lächelnd „das war es auch, bevor ich es gekauft habe. Ich habe einiges umgebaut. Es gibt noch Zimmer, allerdings sind sie jetzt sehr viel größer. Einige von unserer Gemeinschaft leben im Gutshaus, andere in einem der anderen Gebäude. Besonders die Leute mit Kinder wollen lieber etwas mehr Privatsphäre."

Das klang alles logisch, doch mein Gehirn war noch zu sehr beschäftigt, die vielen Sinneseindrücke zu verarbeiten. Die gute Luft hier, die wunderschöne Aussicht.

Arvid bot mir seine Hand an und führte mich ein paar Stufen hoch bis zu der Eingangstüre. Dort wurde ich direkt wieder erschlagen von einem großen Salon. Man konnte erahnen, dass hier der Empfangsbereich des Hotels war. Die hellen Farben hießen einen willkommen.

Wir gingen zunächst nach rechts und kamen in ein Zimmer, das als Essbereich diente. Zwei große Tische, die bestimmt 30 Leuten Platz boten, standen in der Mitte. „Hier war einmal der Frühstücksbereich. Die Trennwände haben wir alle abgerissen, um genug Platz zu haben, falls wir einmal alle hier essen wollen. Die Küche ist direkt dort drüben." Ich nahm alles in mich auf. Es war ein Traum, ob ein guter oder schlechter wusste ich noch nicht.

Wir gingen weiter und kamen in einen Raum, der eine Mischung aus Arbeitszimmer und Bibliothek war. Die Möbel waren aus dunklem Holz. Schmunzelnd betrachtete ich die leeren Regale. „Der Plan ist, das in den nächsten Jahre zu füllen" erklärte Arvid. Ich nickte nur.

„Hier unten sind noch ein paar Zimmer von anderen. Oben sind meine privaten Räumlichkeiten. Möchtest du sie sehen?"

Ich merkte, dass die Frage mehr war als das Angebot einer Tour. Die Antwort von mir sollte ihm signalisieren, ob ich an einem vertiefen unserer Beziehung interessiert war oder nicht. Ich sah in seine Augen und erkannte eine Mischung aus Sehnsucht und Unsicherheit – ein Gefühl, von dem ich dachte, dass er es nicht kannte. Die Entscheidung hatte ich schon längst getroffen. Er wollte eine faire Chance und die hatte er auch verdient.

„Sehr gerne würde ich mir deine Wohnung ansehen" antwortete ich deshalb lächelnd.

Die Erleichterung sah man ihn deutlich an. „Dann komm mit in mein Reich."


Zwischen Mann und MateWo Geschichten leben. Entdecke jetzt