Auf Arbeit quälte ich mich, anders konnte man es nicht sagen. Es gab gerade so viel wichtigere Themen für mich. Doch wenn meine Karriere nicht ganz den Bach runtergehen sollte, dann musste ich da durch. Und das durfte nicht passieren - sie war das letzte, was mir noch geblieben war an Beständigkeit.
Ich entschied mich für einen Hosenanzug und eine einfarbige Bluse. Klassisch, aber elegant – so wie ich es am liebsten hatte. Ich trug mir etwas dicker Schminke auf, in der Hoffnung dass man so die dunklen Augenringe nicht mehr sah. Mehrmals atmete ich tief ein und aus, bevor ich das Haus verließ. Auf in den Kampf.
Es war das pure Chaos. Jana, meine Vorgesetzte, fiel heute wegen einem Arzttermin aus. Es war nicht viel Zeit, um das zu hinterfragen. Deshalb war meine Arbeit heute Artikel zu sichten, Verbesserungsvorschläge zu machen und alles rund darzustellen. Da ich keine eigenen Termine am Wochenende hatte, war es nur logisch, dass mir die Aufgabe der Vorsortierung zufiel. Tatsächlich machte es mir auch Spaß zu korrigieren – auf jeden Fall mehr als sinnlose Kommentare zu lesen.
Das Beste war, dass ich durch die viele Arbeit keine Zeit hatte, um mich groß zu verkopfen oder mir über meine privaten Problemen Gedanken zu machen.
Freitags wurden bereits die besten Veranstaltungen verteilt. Dennoch warf ich einen Blick auf den Terminplan. Es gab keine Überraschung – übrig waren ein paar Krümel in Form von kleinen Parteien, die einen Direktkandidaten in unseren Wahlkreis stellten. Ob es sich überhaupt lohnte, dafür die Zeit zu verschwenden? Seufzend beschloss ich, dass ich keine Wahl hatte. Kurz zögerte ich, als ich die Termine der PENU analysierte. Ich gab es nur ungern zu, doch die reizten mich am meisten.
Das hing nicht mit dem Programm zusammen, wie ich mir selbst eingestehen musste. Doch seit Freitag Abend hatte sich Arvid ab und zu in meine Gedanken gestohlen. Immer wieder stellte ich mir vor, wie es mit ihm wäre. Jan und er waren zwei grundsätzlich verschiedene Charaktere. Das fing beim Äußeren bereits an. Mein Ehemann war eher hell und weich – der andere dunkel und kantig. Dazu kam, dass mein Selbstbewusstsein nach Aufmerksamkeit lechzte.
Die Sprache unterschied sich ebenfalls. So hitzig und direkt Arvid war, merkte man bei Jan immer mehr den Politiker. Er sprach ohne Zusagen, versuchte sich alle Optionen immer offen zu lassen. Mit den Jahren hatte er es perfektioniert alles so auszulegen, dass es für ihn passte.
„Tamara, kann ich dich kurz sprechen?" Die Stimme des Vorgesetzten von Jana riss mich aus meinen Gedanken. Peinlich berührt merkte ich, dass sich meine Wangen röteten. In einer schlechteren Situation hätte er mich nicht erwischen können. Abgelenkt und mit den Gedanken nicht bei der Arbeit. Meine Hand wanderte zu meinem Hals und ich versuchte mich zu beruhigen. Er war ein Mann, mit Sicherheit hatte er meine geistige Abwesenheit nicht wahrgenommen.
Mit dem Mantra folgte ich ihm in sein Büro. Er gab mir eine Liste mit Terminen „ich habe hier eine Zeitplan zusammen gestellt. Es ist wichtig, dass wir alle Parteien abdecken – wenn auch die großen etwas intensiver. Trotzdem erwarten alle zu recht, dass über sie berichtet wird." Ich konnte nur stumm nicken und überflog kurz den Zettel. Als ich den Kopf hob blickte ich in die stechenden Augen von meinen Gegenüber. Ich unterdrückte ein Schauer, der mir meinen Rücken herunterlief. Es fühlte sich an, als würde er ganz tief in mich hinein blicken.
Unbehaglich räusperte ich mich „die Veranstaltungen kann ich gerne übernehmen. Tatsächlich habe ich mir vorhin etwas ähnliches gedacht."
Das brachte mir ein zufriedenes Nicken ein „vielen Dank. Ich kann mir gut vorstellen, dass die aktuelle Situation nicht einfach ist. Deshalb ist es besser, wenn Sie nicht zu den Spitzenparteien gehen."
Ungläubig sah ich ihn an. In meinen Kopf ratterte es. Woher wusste er? Es konnte doch nicht sein – oder doch? „Es ist ganz klar, dass Ihre Unterstützung Ihrem Mann gilt." Fast hätte ich vor Erleichterung laut aufgelacht. Natürlich, für ihn war es wichtig die Unabhängigkeit unserer Redaktion zu festigen.
„Hatten Sie den Eindruck, dass ich den letzten Wochen zu sehr Partei ergriffen hatte?" Bei dem Gedanken, dass das sein Eindruck wurde es mir kurz kalt. Das war die schlimmste Kritik, die ich bekommen konnte. Gleichzeitig der Todesstoß für meine Karriere.
Erst als mein Gegenüber den Kopf schüttelte, merkte ich, dass ich den Atem angehalten hatte. „Ihre journalistische Arbeit bietet wenig Anlass zur Kritik" beruhigte er meine Gedanken. Damit war ich entlassen und ging wieder zurück in mein Büro. Also keine freie Auswahl, wo ich hingehen würde. Mir sollte es nur recht sein – so war ich nicht gefangen zwischen dem was ich wollte und dem was sinnvoll war.
Da nur noch wenige Kollegen hier waren, beschloss ich Feierabend zu machen. Meinen Laptop nahm ich wie üblich mit – falls ich zu Hause noch etwas Ablenkung benötigte, würde ich sie in meiner Arbeit finden.
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Zwischen Mann und Mate
RomanceTamara war mit ihrem Leben zufrieden. Sie liebte ihren Job und hatte einen guten Ehemann. Doch dann tauchte Arvid auf. Und sie begann sich zu fragen, ob es noch etwas besseres als "zufrieden" gab. Triggerwarnung: Das Buch enthält Ehebruch, Gewalt un...