Auf der Arbeit wurde die Stimmung merklich angespannter. Jeder suchte das perfekte Zitat eines Politikers als Überschrift für seinen Artikel. Einen Erfolg haben hieß Sichtbarkeit – und damit die Möglichkeit meine Chefin während ihrer Elternzeit in der Ressortleitung zu vertreten. Das wäre dann keine dauerhafte Stelle, aber wenn man erst einmal Führungserfahrung hat, wird man schneller auf eine höher dotierte Tätigkeit versetzt.
Dementsprechend gingen alle mit herausgestreckten Ellenbogen im Büro umher. Ich war dafür nicht der Typ und verstand nicht, warum man die Leute nicht nach der Leistung der letzten Jahre beurteilte und entsprechend beförderte. Die Stimmung und Kollegialität zwischen den Konkurrenten wurde immer eisiger und angespannter. Mittlerweile wünschte ich mir nur noch, dass endlich die Nachfolge geklärt wird, damit alles wieder seinen normalen Gang ging.
Mit entsprechend schlechter Laune verließ ich das Büro. Arvid wartete bereits vor der Tür. Verdammt, unser Treffen hatte ich ganz vergessen. Mit einem Blick auf die Uhr vergewisserte ich mich, dass ich noch in der akademischen Viertelstunde war und lächelte ihn entschuldigend an. Er kommentierte meine Verspätung nicht, sondern ging stumm voran in eine kleine Chocolaterie.
Wir nahmen an einen Tisch in der Ecke Platz. Mein Begleiter schien zu spüren, dass ich noch einen Moment für mich brauchte und schwieg bis wir unsere Bestellung aufgegeben hatten. „Möchtest du darüber sprechen?" Ich schüttelte nur meinen Kopf und sah zum Boden. Es ärgerte mich, dass mich die Arbeit bis hierher verfolgte.
Plötzlich spürte ich Finger auf meine Wange und zuckte zurück. Die Berührung hatte sich angefühlt wie ein Stromstoß. Doch Arvid ließ sich nicht beirren und drehte meinen Kopf so lange, bis ich ihm in die Augen sehen musste. „Wen soll ich für dich verprügeln?" Humorlos lachte ich. Er wusste nicht, wie gerne ich sein Angebot annehmen würde. Aber wir waren nicht im Kindergarten.
„Ich kann meine Schlachten selbst schlagen" erwiderte ich.
„Das musst du aber nicht. Wenn ich helfen kann, dann brauchst du es nur sagen."
Ich blickte in seine blau-grauen Augen. Durch die gedämmte Beleuchtung wirkten sie fast schwarz. Seltsamerweise vertraute ich ihm, obwohl wir uns erst seit wenigen Wochen kannten. Und kennen würde ich das noch nicht mal nennen. Ein warmes Gefühl breitete sich in meinen Bauch aus und ich konnte ein Lächeln nicht unterdrücken. „Brichst du ihm dann die Nase?"
Nonchalant zuckte mein Gegenüber mit den Achseln „wenn es hilft, klar." Da entwich mir ein Kichern. Das Bild von Sven mit gebrochener Nase erheiterte mich. Aber Gewalt war nie eine gute Lösung. Doch er hatte sein Ziel erreicht und mich aus meinen trüben Gedankengängen hervorgeholt.
In dem Moment kam die Bedienung mit unseren Bestellungen. Ich rührte in meinem Kaffee und musterte den schwarzhaarigen Mann. „Du wolltest etwas von dir erzählen" forderte ich ihn auf. Ergeben seufzte Arvid auf und betrachtete meine entschlossene Miene.
„Ich bin Vorsitzender einer kleinen Gemeinschaft. Mein Geld verdiene ich zum Großteil mit Finanzgeschäften. In den letzten Jahren bin ich häufiger umgezogen, doch hier gefällt es mir und ich könnte mir vorstellen mit meinen Leuten hierzubleiben." Die Informationen musste ich erst einmal verarbeiten. Immerhin hatte ich endlich etwas über ihn erfahren.
Ich kniff die Augen zusammen „was ist das für eine Gemeinschaft? So etwas wie eine Sekte?", hakte ich misstrauisch nach.
Mein Begleiter lachte nur und strich sich mit der Hand über den Bart. „Nein, keiner muss Geld zahlen und wird gezwungen bei uns zu bleiben. Wir sind freiwillig in einem Verbund, der sich gegenseitig unterstützt wenn nötig. Wir sind immer füreinander da und können einander blind vertrauen." Ungläubig sah ich ihn an. Das hörte sich an wie ein Traum, so etwas gab es in der Realität nicht.
Er schien meine Zweifel zu fühlen „komm uns doch einmal besuchen. Ich würde dich gerne den anderen vorstellen." Damit nahm er mir den Wind aus den Segeln. Wenn er etwas zu verbergen hätte, dann würde er das wohl kaum anbieten, oder? Wobei, das wäre dann ein weiteres Treffen. Oder wollte er mich davon überzeugen, dieser Gemeinschaft beizutreten? Und wenn ja, wozu? Eigentlich sollte ich ihn nicht mehr sehen. Unsicher griff ich mir an den Hals.
„Du musst dich nicht gleich entscheiden" fügte Arvid hinzu, als hätte er meine Gedanken gelesen. Langsam wurde mir das Ganze hier unheimlich. Wie konnte er meine Stimmung so gut lesen?
Einen Moment nahm ich mir Zeit, um mich zu sammeln. „Warum bist du umgezogen? Ist das nicht anstrengend so als Gruppe?", wechselte ich das Thema.
Mein Gesprächspartner schien da nichts dagegen zu haben. „Wenn es gute Gründe gibt, dann ist es selbstverständlich, dass wir weiter ziehen. Das macht keinen der Gemeinschaft etwas aus. Ich habe mich nirgends so richtig zu Hause gefühlt. Es hat immer etwas gefehlt – oder jemand." Dabei sah er mir so tief in die Augen, dass sich am ganzen Körper eine Gänsehaut bildete.
Dann löste ich mich aus meiner Starre „du täuschst dich. Ich bin verheiratet. Du musst dir jemand anderes suchen."
Ich dachte fast etwas wie Verzweiflung in seinen Augen zu sehen „es gibt keine andere. Bitte Tamara, du musst es doch auch spüren. Diese tiefe Verbindung zwischen uns beiden."
Geschockt sah ich ihn an. Er musste sich täuschen, wir passten nicht zusammen. Unsere Ansichten waren zu verschieden. Und überhaupt hatte ich nicht vor irgendetwas an meiner privaten Situation zu ändern.
„Ich glaube, es ist besser, wenn wir uns nicht mehr sehen. Bitte halte dich von mir fern" mit den Worten erhob ich mich, um die Chocolaterie zu verlassen.
Als ich an ihn vorbei wollte, griff er nach meinen Handgelenk. Nicht fest, aber er zwang mich dazu sich im noch einmal zuzuwenden. „Dein Mann passt nicht zu dir. Ich werde da sein, wenn du das begreifst."
Da riss ich mich los „du hast keine Ahnung. Lass mich einfach in Ruhe" fuhr ich in wütend an.
Als ich raus stürmte glaubte ich einen gedämpften Schrei aus der Richtung unseres Tisches zu hören.
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Zwischen Mann und Mate
RomansaTamara war mit ihrem Leben zufrieden. Sie liebte ihren Job und hatte einen guten Ehemann. Doch dann tauchte Arvid auf. Und sie begann sich zu fragen, ob es noch etwas besseres als "zufrieden" gab. Triggerwarnung: Das Buch enthält Ehebruch, Gewalt un...