16. Kapitel

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An einem Abend zwei Tage später fand eine Podiumsdiskussion mit den Direktkandidaten aus unseren Wahlkreis statt. Neben Jan saß unter anderem auch die Anwärterin von der PENU auf der Bühne. Als ich das gelesen hatte, konnte ich nicht verhindern, dass mein Herz einen kleinen Hüpfer machte. Sofort verfluchte ich das verräterische Ding. Jetzt machte es das schon, wenn die Möglichkeit bestand, dass ich Arvid irgendwo begegnete.

Es war nicht so, dass ich besonders auf mein Äußeres achtete, als ich mich fertig machte. Also nicht wegen einen gewissen dunkelhaarigen, mir immer noch recht fremden, Mann. Aber ich musste mich natürlich dem Anlass entsprechend kleiden. Als Partnerin eines zukünftigen Bundestagsabgeordneten. Deshalb überlegte ich sorgfältig, was angemessen sein könnte. Schließlich entschied ich mich für einen Bleistiftrock und einer Bluse, die nicht zu viel Einblick gewährte.

Damit war ich zufrieden. Deutlicher konnte ich es nicht machen, dass ich nicht zu den neuartigen Ansichten der PENU passte. Wobei das natürlich vollkommen nebensächlich war – lediglich ein positiver Nebeneffekt von meinem Outfit.

Aber jetzt wollte ich, dass mich Arvid so sah. Dann konnte er sehen, dass wir in keinem Punkt gut zueinander passten und sein Werben um mich aufgeben. Einen kleinen Stich spürte ich, wenn ich daran dachte. Ich genoss unsere Zusammentreffen und sogar die Dispute viel zu sehr. Nicht zum ersten Mal beschlich mich ein mulmiges Gefühl, wenn ich daran dachte, dass Jan nach Berlin gehen würde. Und ich hier alleine zurück bliebe. Würde Arvid dann die Begegnungen mit mir intensivieren? Wollte ich das überhaupt?

„Hallo Süße, hast du mich vermisst?", die raue Stimme ließ einen wohligen Schauer meinen Rücken hinunter gleiten. Ich schloss die Augen und sog den Duft ein. Wie Waldboden nach einem frischen Regenguss. Dazu der typisch, herbe Mann Geruch mit einer Spur Gefährlichkeit.

Das brachte mich mit einem Schlag wieder zur Besinnung „nach unserem Kaffee war die Abmachung, dass du mich in der Öffentlichkeit mit Respekt ansprichst" zischte ich ihm zu.

Mein Gegenüber wippte mit den Kopf von einer Seite auf die anderen „nur wenn du dich mit mir triffst. Das was wir hatten war rein geschäftlich. Zwischen einem Vertreter der PENU und einer Journalistin."

Wütend funkelte ich ihn an. Es hätte mir klar sein sollen, dass er das wieder so hin drehen würde, dass es ihn passte. Doch ich war froh, dass der das machte. So konnte ich mich wieder in meine Wut flüchten. Und das war so viel besser als die anderen Gefühle, die in mir zu brodeln schienen. Mit jedem Treffen arbeiteten sie sich weiter nach oben und kratzten an allen, was ich mir so mühsam in den letzten Jahren aufgebaut hatte. Mein schönes, geordnetes Leben.

Doch trotz der Wut, kam ich nicht umhin Arvid näher zu mustern. Wie erhofft, war sein Kleidungsstil eher schick-leger mit einer dunklen Jeans und einem Freizeithemd, bei dem er die Ärmel hochgekrempelt hatte. Langsam hatte ich das Gefühl, dass er das absichtlich machte. Als ob man nicht sogar mit Kleidung seine wohl definierten Muskeln sah, die dazu einluden die Ränder abzufahren. Was nicht hieß, dass ich nich immer noch sauer war wegen der dreisten Anrede.

Arvid schien das Gefühlschaos in mir wahrzunehmen und sich darin zu sonnen. „Du merkst es auch, nicht wahr? Trotz allen Versuchen zu widerstehen, fühlst du es ebenfalls in dir drinnen. Wahrscheinlich nicht ganz so stark wie üblich, aber immerhin merklich." Die Verwirrung musste mir ins Gesicht geschrieben worden sein. „Die Anziehung zwischen uns beiden" fügte mein Gegenüber hinzu.

Anziehung? Nein, bestimmt nicht. Ich fand ihn attraktiv – welche Frau würde das nicht tun. Doch mehr war da nicht. Eine ganz normale Reaktion auf seinen Körper. Dazu kam noch die Aufmerksamkeit und wie er sich mehr und mehr in mein Leben drängte. Das war so ungewohnt für mich, dass ich es nur genießen konnte. Aber mehr war da nicht.

Ich schüttelte den Kopf „in deinen Träumen vielleicht."

Da lachte er auf „wenn du wüsstest, von was ich träume." Sein Blick wurde glühend und schien sich in meine Kleidung zu brennen. Ich überprüfte unsicher, ob noch alle Knöpfe an meiner Bluse zu sind. Was sie natürlich waren. Ich ärgerte mich über mich selbst. Wie schaffte es Arvid nur immer wieder mich aus dem Konzept zu bringen?

„Bitte triff dich noch einmal mit mir. Auf einen Kaffee, ganz privat." Bildete ich mir das nur ein oder klang er fast verzweifelt?

„Erzählst du dann auch mal etwas über dich?" forderte ich ihn heraus. Ob zum Guten oder zum Schlechten, ich musste mehr über ihn herausfinden.

„Wenn du das möchtest, ich bin für dich wie ein offenes Buch."

Das war eine dreiste Lüge und wir wussten es beide. Amüsiert sah ich ihn in die Augen.

„Das reicht mir als Zustimmung." Überrascht sah ich Arvid an. „Dein Blick verrät dich. Du möchtest mehr wissen, ich gebe dir das. Passt dir Dienstag?"

Ich griff mir unsicher an den Hals. Da war dann schon der Endspurt, die letzten zwei Wochen vor der Wahl. Doch ich sah, dass ich um einen zeitnahen Termin nicht herum kam. Die Züge um seinen Mund begannen sich schon zu verhärten. Ich seufzte ergeben „machen wir vier Uhr. Ab sechs bin ich dann gebucht, davor würde ich gerne noch einmal nach Hause."

Das schien meinen Gegenüber zufrieden zu stellen und er entspannte sich sichtlich. „Vielen Dank. Ich hole dich beim Haupteingang von deiner Arbeit ab. Jetzt lasse ich dich mal alleine und gehe zu meinen Leuten." Damit verschwand er in der Menge, um sich Richtung PENU-Anhänger vorzuarbeiten. Gerade noch rechtzeitig, bevor die Podiumsdiskussion startete.

Zwischen Mann und MateWo Geschichten leben. Entdecke jetzt