Tamaras PoV
An dem kommenden Freitag und noch eine gute Woche bis zur Wahl war es auf der Arbeit besonders schlimm. Ich hatte meine Aufzeichnungen nicht mehr gefunden. Das hieß, dass ich alles aus dem Gedächtnis niederschreiben musste. Das hasste ich, weil ich immer das Gefühl hatte das Wichtigste zu vergessen oder nicht richtig darzustellen. Insgesamt wurde ich den Verdacht nicht los, dass sich in letzter Zeit die Zufälle etwas häuften. Letztens hatte ich keinen einzigen Stift mehr in meiner Tasche und das, obwohl ich sonst mehrere bei mir trage.
Meinen Bauchgefühl folgend hatte ich Sven zur Rede gestellt, um herauszufinden, ob er hinter den „Unfällen" steckte. Er sah mich mit so einem überheblichen Grinsen an, dass ich mir fast sicher war, dass ich den Schuldigen vor mir hatte. „Wie war das noch einmal mit der Schwangerschaftsdemenz? Die merken manche von Beginn an, oder?", kam es höhnisch von ihm.
Wütend stieß ich gegen seine Brust. „Lass mich einfach in Ruhe meine Arbeit machen!"
Gespielt geschockt legte er die Hand auf die Stelle. „Da hat wohl einer seine Emotionen nicht im Griff. Pass gut auf, das fällt am Ende alles auf dich zurück!" Mit den Worten ließ er mich stehen, innerlich kochend. Die ganze Zeit reizte er mich mit Kleinigkeiten. Doch heute waren meine Nerven aus irgendeinem Grund angespannter als sonst. Irgendetwas lag in der Luft, ich konnte es nur nicht greifen.
Um mich zu beruhigen, beschloss ich erst einmal meine Mittagspause zu machen. Düster vor mich hin starrend fanden mich Anja und Nadja. Meine Stimmung ignorierend, setzten sie sich zu mir. Eine Weile lenkten sie mich mit amüsanten Geschichten von der aktuellen Situation ab und ich tankte neue Energie für den Rest des Tages.
Gerade war ich zurück in mein Büro, als ich einen stechenden Schmerz im Unterleib bemerkte. Verdammt, das hatte mir gerade noch gefehlt. Kurz rechnete ich nach, aber eigentlich wusste ich die Antwort bereits vorher – meine Periode hatte sich angekündigt. Mein Körper reagierte sensibel auf den Stress und natürlich hieß das, dass die Krämpfe dieses Mal noch stärker waren als sonst.
Hastig wühlte ich in meiner Handtasche herum. Für den Fall hatte ich immer Schmerztabletten dabei, ansonsten würde ich das nicht überstehen. Doch wo waren sie.
Siedend heiß fiel es mir wieder ein: ich wollte mir neue verschreiben lassen. Die letzte hatte ich ziemlich genau vor vier Wochen aufgebraucht. Das hatte mir jetzt gerade gefehlt. Ich ging auf die Toilette, um wenigstens etwas gegen die Blutung zu machen. Im Spiegel sah ich sogar durch das make-up, dass meine Haut blasser war als heute morgen. Doch später war noch unsere Teambesprechung, die wollte ich nicht verpassen.
Auf den Gang begegnete ich meiner Vorgesetzten, Jana. „Tamara, was ist denn mit Ihnen los? Sind Sie krank?" Ich schaute unschlüssig zu Boden. Ich wollte nicht sagen, dass ich bei dem fraulichen Problem so große Schmerzen hatte. Das würde mich nur schwach aussehen lassen. Doch so schnell fiel mir auch nichts anderes ein. Dazu kam, dass mir etwas schlecht war.
„Ich glaube es ist besser, wenn Sie für heute nach Hause gehen. Wir können uns es nicht leisten, dass Sie Kollegen anstecken." Geschockt sah ich Jana an. Ich konnte ihre Aufforderung voll und ganz nachvollziehen, ich an ihrer Stelle hätte auch so gehandelt. Aber am Wochenende gab es so viele Veranstaltungen, die mussten noch aufgeteilt werden. Als hätte sie meine Gedanken gelesen fügte sie hinzu „schauen Sie heute Abend in Ihre E-Mails. Ich werde Ihnen die Aufgaben für das Wochenende schriftlich geben."
Als mich eine neue Schmerzwelle überrollte, biss ich die Zähne zusammen und nickte. „Ich packe direkt meine Sachen zusammen." So ungern ich nach Hause gehen wollte, mein Körper schrie nach einer Wärmflasche und einer Schmerztablette.
Von der Arbeit ging ich in die Apotheke, um mir die erforderlichen Tabletten zu besorgen. Die verschreibungspflichtigen bekam ich zwar nicht, aber andere. Davon nahm ich direkt zwei, bevor ich mich in den Bus nach Hause setzte.
Dort angekommen merkte ich bereits, wie der Schmerz etwas nachgelassen hatte und ich mich leichter fühlte. Vielleicht konnte ich nachher auch online an der Teambesprechung teilnehmen – das wäre besser als überhaupt nicht.
Im Gedanken versunken schloss ich die Haustür auf und zog mir Hausschuhe an. Automatisch führte mein Weg direkt die Treppe hoch ins Schlafzimmer, um mir bequemere Sachen anzuziehen. Oben angekommen wunderte ich mich, dass scheinbar jemand im Bett war. Ich hörte das charakteristische Knarzen des Lattenrostes.
Ich öffnete die Tür und erstarrte. Meine Augen weiteten sich und Herz und Lunge stellten ihre Tätigkeit ein. Das Bild, das sich mir bot, brannte sich unauslöschlich in mein Gedächtnis ein. Und doch konnte ich es nicht glauben. Das durfte, nein, das konnte nicht sein, was ich hier sah.
Scheinbar hatte ich ein Geräusch gemacht, vielleicht war mein Schnappen nach Luft zu laut gewesen. Auf jeden Fall sah Jan in meine Richtung und hielt inne. Er schien genauso eingefroren zu sein wie ich. Ganz im Gegensatz zu seinem Partner, der mich noch nicht bemerkt hatte.
„Bitte, mach weiter. Nicht aufhören!", bettelte er. Als ich ihn ansah, erkannte ich den Wahlkampfleiter von meinem Mann. Wie Jan war er komplett nackt und gemeinsam lagen sie in unseren Bett.
Wie konnte das sein? Jan wollte doch erst heute Abend zurück kommen. Und dann packen, weil er am Sonntag zum Parteitag vor der Wahl wollte. Waren die beiden müde und wollten sich ausruhen? Aber warum zusammen in unseren Ehebett? Und warum waren beide nackt?
„Tamara, lass es mich erklären. Es ist nicht so, wie es aussieht." Die Worte von meinem Mann rissen mich aus meinen tranceähnlichen Zustand. Am Rande registrierte ich, dass der Wahlkampfleiter mich jetzt auch gesehen hatte und versuchte seine Blöße zu verbergen.
„Raus hier!", wollte ich schreien, doch es kam nicht mehr als ein Hauchen heraus. „Ich will dich hier nicht mehr sehen." Dann ging ich ins Bad, schloss mich ein und übergab mich in die Toilette.
Vom Nebenzimmer hörte ich Flüstern und Türen, die gingen. Dann klopfte es. „Tamara, bitte mach nichts unüberlegtes. Lass uns über alles sprechen, okay?" Ich unterdrückte mir ein Schluchzen. „Ich komme Montag morgens hierher, dann reden wir."
Ich versuchte einen neuen Schwall Übelkeit zu unterdrücken. Dann, endlich, hörte ich wie die Haustür ins Schloss fiel und kurz darauf wie das Auto wegfuhr. Ich war alleine. Da brach ich im Bad, auf den Boden sitzend, in Tränen aus. Wie konnte das nur passieren?
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Zwischen Mann und Mate
RomansaTamara war mit ihrem Leben zufrieden. Sie liebte ihren Job und hatte einen guten Ehemann. Doch dann tauchte Arvid auf. Und sie begann sich zu fragen, ob es noch etwas besseres als "zufrieden" gab. Triggerwarnung: Das Buch enthält Ehebruch, Gewalt un...