Tamaras PoV
Die Kopfschmerzen am nächsten Tag waren unvermeidbar. Ich wäre froh gewesen, wenn ich sie nur auf den Alkohol hätte schieben können. Doch die Ursache war vielseitiger.
Rückblickend konnte ich mein Verhalten nur als dumm und blauäugig bezeichnen. Meine Freundinnen weg zu schicken und sich selbst für unverwundbar zu halten, war eine Fehleinschätzung. Das hätte sehr schief gehen können.
Mir selbst gestand ich ein, dass ich die Aufmerksamkeit der Männer in der Disco genossen hatte. Es hat meinen Selbstbewusstsein gut getan. Das war der Beweis, dass Jans Neigung nicht an mir lag. Tief im Inneren wusste ich, dass seine sexuelle Orientierung nichts mit mir zu tun hatte. Ich glaubte ihm, dass er es bei der Hochzeit selbst nicht wusste. Doch ständig war diese Stimme im Kopf die mir zuflüsterte, dass ich mich nicht genug bemüht hatte. So sehr ich versuchte, das rational zu bewerten, es gelang mir nicht immer. Das war meine Erklärung für einige leichtsinnige Aktionen, die ich gestern getan hatte.
Ohne Arvids Eingreifen hätte ich heute wahrscheinlich mehr und tiefer gehende Verletzungen als die paar blaue Flecken an den Armen. Er war mein Retter in der Not. So dankbar ich ihm war, so beunruhigte er mich dennoch. Er verfolgte und beobachtete mich noch immer. Eigentlich sollte mich das erschrecken – vor allem nach den gestrigen Erlebnissen. Doch in Wirklichkeit fühlte ich mich merkwürdig beschützt.
Seine Sorge gestern, seine sichere Art hatte eine beruhigende Wirkung. Als er mich in den Armen hielt und ich tief seinen Duft nach Wald und etwas Moschus roch, fühlte ich mich so geborgen wie schon lange nicht mehr. Die Autofahrt verlief zwar schweigend, aber es war nicht unangenehm, sondern seltsam vertraut.
Auf den Weg zur Haustür stützte ich mich etwas mehr auf meinen Begleiter als nötig war. Über meine plötzliche Sehnsucht nach Nähe zu einem Mann war ich selbst überrascht. Zum Glück hatte sich das Gefühl schnell wieder gelegt, als er anfing mir Vorträge zu halten. Was bildete sich der arrogante Schnösel ein?
Als ich an meinem starken Kaffee nippte, ging ich unsere Auseinandersetzung noch einmal im Kopf durch. Wenn ich ehrlich zu mir selbst war, hatte ich wie ein bockiges Kind reagiert. Eigentlich müsste ich mich bei ihm für mein Verhalten entschuldigen. Doch soweit war ich noch nicht – vielleicht irgendwann im Laufe der nächsten Woche. Immerhin hatte ich jetzt seine Nummer.
***
Mittwoch war endlich der Tag der Entscheidung da. Es sollte verkündet werden, wer Jana während ihrer Elternzeit in der Ressortleitung Politik vertrat. Nervös war ich 5 Minuten früher als nötig bei der Besprechung. Bis vor ein paar Wochen hatte ich mir gute Chancen ausgerechnet, jetzt war ich mir nicht mehr so sicher.
Tatsächlich hatte mein schlechtes Gefühl mich nicht getäuscht. Ausgerechnet Sven hatte mich ausgestochen. Die Wut und Enttäuschung konnte ich gerade noch lange genug runter schlucken, um ihn mit einem falschen Lächeln zu gratulieren. Dann floh ich für einige Minuten auf die Damentoilette, um mich wieder zu fangen.
Wieder einigermaßen salonfähig machte ich mich auf den Weg zum Chefredakteur, dem Vorgesetzten von meiner Chefin. Ich wollte wenigstens wissen, was bei mir gefehlt hatte und was ich in Zukunft besser machen sollte. Das Ergebnis war ernüchternd.
„Wir mussten den nehmen, der am besten für die Gruppe ist. Es war uns wichtig, dass es nicht kurz danach einen erneuten Wechsel gibt, aus welchem Grund auch immer." Fassungslos starrte ich ihn an. Hieß das, sie trauten mir nicht zu bei der Sache zu bleiben? Mein Verdacht sollte sich bestätigen. „Unter uns gesagt, Sie haben privat gerade viel zu leisten. Seien Sie froh, dass zumindest beruflich keine großen Veränderungen auf Sie zukommen."
Gönnerhaft lächelte er mir zu – als wäre es eine Hilfe, dass ich nicht befördert worden war. Nur mit Mühe hielt ich meine Emotionen in Zaum. „Heißt das, Sie dachten, dass ich sowieso nicht mehr lange hier bin und dass ich die Belastung nicht aushalte?"
Mein Gegenüber räusperte sich unbehaglich und schaute angestrengt auf ein Blatt vor ihm auf den Tisch, als er mir antwortete. „So würde ich das nicht sagen. Natürlich haben wir auch in Betracht gezogen, dass Ihr Kollege bereits mehr Berufserfahrung hat."
Am liebsten hätte ich geschrien aber ich mache meinen Job trotzdem besser als er. Doch was hätte das gebracht? Die Entscheidung war gefallen. Und so unfair ich es auch fand, bestimmt würde keiner vor Zeugen zugeben, dass ich die fachlich bessere Wahl gewesen wäre. Nur aufgrund meiner unklaren Verhältnisse, war Sven der Vorzug gegeben worden.
Um nichts falsches zu sagen, beeilte ich mich mit einem kurzen Dank das Büro zu verlassen. Jetzt brauchte ich erst einmal etwas Zeit, um darüber hinweg zu kommen.
Ratlos packte ich meinen Laptop zusammen und beschloss nach Hause zu gehen. In meinem Kopf war zu viel los, um noch produktiv zu sein. Außerdem hatte ich in den Wochen vor der Wahl viel mehr gearbeitet als auf meinen Vertrag stand. Zusätzlich auch noch an Wochenenden und Feiertagen.
Daheim wurde mein Gedankenkarussell nicht besser. Immer wieder gab es da diese kleine Stimme, dass ich für nichts gut genug war. Die musste ich zum Verstummen bringen, aber wie? Ohne weiter zu überlegen nahm ich mein Handy und schrieb eine kurze Nachricht: Wenn du noch interessiert bist, dann sei heute um 19:00 Uhr hier. Ein Klick auf senden und sie ging raus. Mal sehen, ob Arvid das Angebot annehmen würde.
Keine Minute später kam die Antwort Ich werde da sein.
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Zwischen Mann und Mate
RomanceTamara war mit ihrem Leben zufrieden. Sie liebte ihren Job und hatte einen guten Ehemann. Doch dann tauchte Arvid auf. Und sie begann sich zu fragen, ob es noch etwas besseres als "zufrieden" gab. Triggerwarnung: Das Buch enthält Ehebruch, Gewalt un...