Kapitel 4

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Mit einem Mal blendete sie ein helles Licht. Anna hielt sich schützend die Hände vor ihre Augen, doch als das Licht schwächer wurde und sie wieder etwas sehen konnte, befand sie sich wieder in der Gasse hinter dem Club in dem sie arbeitete. Hatte sie das alles nur geträumt?

War sie so geschafft von der Arbeit, dass sie einen Tagtraum gehabt hatte? Anna fuhr sich mit der Hand übers Gesicht. Sie dachte über diesen furchtbaren Traum nach, den sie soeben gehabt hatte.

Plötzlich spürte sie eine Hand auf ihrer Schulter und sie schreckte hoch. Vor ihr stand ein Mann. Sein Gesicht war Blutüberströmt, aber sie konnte ihn genau erkennen.

Es war der Mann, den der Boss umgebracht hatte. Erschrocken taumelte Anna einen Schritt zurück, doch der Mann trat wieder an sie heran: „Du musst mir helfen!!! Sie bringen mich um!!!"

Der Mann schrie sie an und klammerte sich mit seinen blutigen Händen an sie. Anna war wie versteinert. Sie wusste nicht was sie tun sollte. Sie konnte nichts tun!

Sie konnte ihm nicht helfen und musste zusehen, wie er vor ihren Füßen zusammenbrach, doch sie konnte immer noch nichts machen.

Tränen strömten aus ihren Augen und vernebelten ihr die Sicht: „Es tut mir leid! Es tut mir leid. Es tut mir leid..." Anna wiederholte es immer und immer wieder, bis ihre Stimme verstummte.

Mit einem Mal riss sie ihre Augen wieder auf. Sie überflog ihre Umgebung und stellte fest, dass sie sich in dem dunklen Keller, auf dem Stuhl gefesselt, befand. Anna atmete so schnell als wäre sie gerade einen Marathon gelaufen.

Was für ein schrecklicher Traum. „Na, Süße, auch schon wach?" Anna schreckte hoch und sah, dass der Brünette neben ihr lässig an der Wand lehnte.

Schnell versuchte sie wieder Sicherheit zu finden und entgegnete: „Hast du mir etwa beim Schlafen zu gesehen?" Sie hatte sich zwar Mühe gegeben, so ruhig wie möglich zu klingen, aber ihre schnelle, hastige Atmung blieb nicht unerkannt: „Hattest du einen Albtraum?"

Anna wurde von dieser Frage etwas überrumpelt: „Ich ähm Naja ich werde nun mal nicht jeden Tag in einen dreckigen Keller gesperrt und gefesselt!" Der Boss musste lachen: „Das kann ich mir denken. Wer möchte schon eine kleine Kellnerin wie dich in seinem Keller haben?" Er grinste Anna provozierend an.

„Du, ganz offensichtlich." Der gutaussehende Mann stellte sich direkt vor sie und bückte sich, um mit Anna auf einer Höhe zu sein: „Du bist ganz schön frech, du Göre. Ein wenig zu frech..." Es war eine Drohung, dass konnte man nur schwerlich überhören, doch Anna interessierte das nicht.

Sie blickte ihn ohne mit der Wimper zu zucken an: „Was jetzt? Willst du mich in einen Keller einsperren?" Für den Bruchteil einer Sekunde huschte über die smaragdgrünen des Bosses ein überraschter Schimmer, doch so schnell wie er gekommen war, war er auch wieder verschwunden:

„Weißt du ich habe auch noch ganz andere Möglichkeiten, als dich nur in einen Keller zu sperren." „Hättest du mich umbringen wollen, hättest du schon mehrere Möglichkeiten dazu gehabt." „Du bist ja sehr von dir überzeugt, Göre." „Das gebe ich gerne zurück."

Es folgte ein kurzes Schweigen, in dem sich die beiden intensiv in die Augen schauten. Anna dachte gar nicht daran ihren Blick abzuwenden. Das wäre ein Zeichen von Schwäche.

Schließlich ging der Mann wieder ein Stück von ihr weg. „Du hast recht, Göre. Ich hätte dich schon längst umbringen können, aber ich habe etwas anderes mit dir vor." Anna schaute ihn verwundert an, doch er sprach nicht weiter.

Er lief hinter sie und löste die Fesseln. Anna rieb sich die Handgelenke, die ganz rot waren und schmerzten. Der Brünette ging in Richtung Tür: „Brauchst du eine extra Einladung?! Komm schon!"

Anna sah ihn genervt an, aber sie wusste auch, dass es nichts bringen würde, jetzt ein Widerwort zu geben. Sie stand also vom Stuhl auf und wollte ihm hinterher, doch ihre Beine knickten schon beim ersten Schritt ein.

Der Brünette musste lachen: „Was denn, hast du etwa verlernt wie man läuft, Süße?" Anna stand langsam wieder auf. Ihre Beine kribbelten immer noch, aber sie konnte zumindest stehen:

„Sehr witzig, du Vollidiot! Meine Beine sind eingeschlafen. Das ist nichts Verwunderliches, wenn man bedenkt wie fest diese blöden Fesseln waren!" „Die Fesseln habe nicht ich dir umgelegt. Beschwere dich lieber bei Paul.", antwortete er lässig.

Anna ging ihm hinterher und kam schließlich in einem großen Raum an, der wohl das Wohnzimmer war. Auch dieser Raum war modern, aber schlicht eingerichtet. Ein riesiger Fernseher zierte die eine Wand. So einen großen hatte Anna noch nie gesehen.

Sie schaute aus dem Fenster und bemerkte, dass es bereits Tag war. Wie lange hatte sie geschlafen? „Boss, es ist alles bereit.", Jason kam gerade ins Zimmer herein und verstaute dabei eine Knarre in seiner Jacke.

Als er Anna sah, grüßte er sie: „Guten Morgen, Kleine." Anna war zunächst etwas verdutzt über die Freundlichkeit, die er an den Tag legte, doch antwortete: „Guten Morgen, Jason?" Anna war selbst darüber verwundert ihn mit seinem Namen anzusprechen. Jason musste lachen und nickte zustimmend mit dem Kopf: „Du hast anscheinend ein gutes Gedächtnis, Kleine." Anna senkte ihren Blick.

Das war auch eine Sache, die ihr Bruder immer zu ihr gesagt hat. Sie konnte sich schon von klein auf gut Dinge merken und ihr Bruder hat dies noch intensiviert. „Ist Max auch schon fertig?", fragte der Boss. „Ja, er sitzt schon im Wagen.", berichtete Jason.

Der Boss nickte: „Gut. Wir können gleich los." Er wollte gerade aus dem Zimmer gehen, als Anna ihn zurückhielt: „Warte! Wo geht ihr hin?" Der Boss drehte sich zu ihr um: „Wieso fragst du?" „Lasst ihr mich hier alleine?" „Ach ja, da war ja was.", er ging in Richtung Küche und zeigte Anna mit einer Kinnbewegung an, dass sie ihm folgen soll.

Verwundert folgte sie ihm zu einer Abstellkammer, dessen Tür der Boss gerade aufmachte. Sie war vollgestellt mit Putzzeug. Anna schaute ihren attraktiven Entführer an: „Warum zeigst du mir das?" „Du wirst das Haus putzen.", erwiderte der Boss.

Anna riss die Augen auf. Doch der Mann sagte nichts weiter und ging einfach wieder ins Wohnzimmer. Wütend lief Anna ihm hinterher: „Wie jetzt ich soll das Haus putzen? Ich bin doch keine Putzfrau!" Der Boss schenkte ihr keine weitere Beachtung: „Jetzt schon."

Er lief gemeinsam mit Jason zur Haustür, doch Anna dachte nicht daran, es ihm so leicht zu machen: „Hast du mal dein verdammtes Haus gesehen?! Es ist riesig! Ich bräuchte Tage bis ich es geputzt habe." „Du hast sieben Stunden. Vielleicht auch nur sechs. Je nachdem wie schnell der Job über die Bühne geht.", antwortete der Brünette in einem harten Ton, der keinen Raum für Verhandlungen ließ.

Anna klappte die Kinnlade runter und sie war außerstande etwas zu erwidern. „Ach ja, noch etwas", fuhr er fort, „Versuch gar nicht erst abzuhauen. Das Haus ist gut gesichert und alles ist verschlossen. Außerdem finden wir dich sowieso überall."

Mit diesen Worten verließ er das Haus und ließ Anna einfach stehen. Für ein paar Minuten bewegte sie sich nicht. Sie war zwar nicht mehr gefesselt und frieren tat sie auch nicht mehr so, aber ihre Lage hatte sich keines Wegs verbessert.

Kurz spielte sie mit dem Gedanken, einen Ausbruch zu versuchen, aber ihr wurde schnell klar, dass das nichts helfen würde. Denn der Mann hatte recht: Selbst, wenn sie entkommt, sie würde sich nicht vor ihm verstecken können.

Plötzlich kam ihr ein Gedanke: Was, wenn sie genau das tun würde, was der Boss verlangt hat? Er würde mit Sicherheit nicht damit rechnen und hätte obendrein noch nicht mal einen Grund sie zu bestrafen. Gut eines ist klar, wenn er sie bestrafen wollen würde, dann würde er einfach einen Grund erfinden, aber einen Versuch war es wert. Sie hatte in jedem Fall keine Lust mehr im Keller eingesperrt zu sein.

Außerdem mochte Anna Herausforderungen und ein derart großes Haus, in weniger als sieben Stunden gründlich zu putzen, war definitiv eine riesige. Entschlossenen Schrittes lief Anna zurück in die Küche und nahm sich alles, was sie zum Putzen brauchte.

Gefährliche LiebeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt