Kapitel 36

244 8 0
                                    

Als sich der Fernseher wieder abschaltete und Finn nicht mehr zu sehen war, zog sich Annas Herz ein Stück mehr zusammen. Ihre blutende Lippe spürte sie nicht. Ihre schmerzende Wange hatte keine Bedeutung.

Gerade jetzt hatte sie einzig und allein furchtbare Angst, Finn nie wieder zu sehen. „Können wir sie töten?", fragte Larissa aufgeregt.

Zu Annas Erleichterung schüttelte Tarik den Kopf: „Wir warten ab, wie sich Finn entscheidet." „Aber wieso? Wir können sie töten und Finn trotzdem das Geld abnehmen."

„Nein! Das würde einen Bandenkrieg auslösen, das weißt du und es ist völlig unnötig. Finn ist doch nicht unser Feind. Er hat mir nur Geld gestohlen, das ich wiederhaben will. Es bringt nichts sie zu töten, wenn wir das Geld bekommen.", erklärte Tarik erstaunlich ruhig.

Er schien nicht so verrückt und blind boshaft zu sein, wie Anna gedacht hatte. Klar, er war ein Mafioso, aber das war Finn auch. Was sie meinte war, dass er keineswegs so war wie Josh. Er hatte nicht diesen psychopathischen Gesichtsausdruck und handelte offensichtlich überlegter als Josh es tat.

Schon wieder merkte Anna, wie sie schlimme Dinge oder gemeine Menschen schönredete, aber so war es halt. Jetzt stellte sich für Anna allerdings eine neue Frage: Wer hatte das Geld genommen?

Es war nicht Finn gewesen. Davon war sie mittlerweile mehr als überzeugt. Zunächst hatte Anna Tarik verdächtigt es vorgetäuscht zu haben, um mehr Geld zu bekommen, aber das ergab keinen Sinn.

Tarik hätte auch nicht auf irgendeine Anschuldigung hin Finn verdächtigt, also musste es Beweise geben – gefälschte Beweise. In Annas Kopf ratterte es und sie bekam zu erst gar nicht mit, dass sie wieder in den Raum zurückgebracht wurde.

Von einem der Männer, die sie festgehalten hatten, wurden ihr wieder die Beine gefesselt und erneut fand sie sich auf dem Boden sitzend wieder. Schwer seufzend lehnte sie sich gegen die Wand.

Anna hatte ein wenig neuen Mut geschöpft, denn Tarik hatte versichert, dass er sie nicht umbringen würde, wenn Finn das Geld rechtzeitig brachte und das würde er tun. Er musste es tun!

Mit geschlossenen Augen dachte sie an ihren Freund und ihre Gedanken sprudelten. Sie dachte an seine Hände auf ihrer Haut, an seine Lippen auf ihren und wie es sich wohl anfühlen würde von ihm ausgefüllt zu sein.

Es durfte nicht wahr sein, dass sie es noch nie getan hatten und sie jetzt sterben würde! Normalerweise liefen die Dinge bei ihr schneller – und bei Finn bestimmt auch – doch diesmal war es anders.

Es klang furchtbar kitschig, wie in einem Märchen und Anna fühlte sich in der Rolle der Prinzessin alles andere als wohl, dennoch war es ein schönes Gefühl. Sie fühlte sich von ihm verstanden und gewollt. Ob das zu dem Spielchen der Fake-Freundin gehörte oder echt war traute sich Anna nicht zu fragen. Sie hatte zu große Angst vor der Antwort.

Nachdem Finn und die anderen gemeinsam einen Plan ausgearbeitet hatten, fasste er diesen kurz zusammen: „Wir gehen heute Nacht los und steigen in dem verlassenen Nebengebäude in einen Tunnel, der direkt zum Keller des Hauses führt.

Von dort aus teilen wir uns auf und suchen Anna. Sollte sich uns jemand in den Weg stellen, wird er mit Chloes Kreation, der Elektroknarre, einen Elektroschock bekommen.

Dieser tötet ihn nicht, aber er wird ihn für ca. eine halbe Stunde außer Gefecht setzten. Deshalb müssen wir schnell sein.", einen kurzen Moment pausierte er und schaute Chloe prüfend an.

Diese nickte, um zu bestätigen, dass das was Finn sagte stimmte. „Wenn einer von uns Anna gefunden hat, teilt er es über den Ohrstecker mit. Ohne weitere Umwege verschwinden wir dann aus dem Haus!"

Alle nickten. „Nun... wir werden damit jedoch wohl oder übel einen Bandenkrieg beginnen.", gab Max zu bedenken. Finn seufzte: „Das ist die einzige Möglichkeit Anna da raus zu holen.

Ich mache das auch nicht gerne, die Diablos sind nicht unsere Feinde, aber niemand nimmt mir ungestraft mein Mädchen weg!" Mit diesen Worten verschwand er in seinem Zimmer.

Die anderen schauten ihm hinterher und schauten sich wissend und schelmisch grinsend an: „Sein Mädchen..."

Erneut öffnete sich die Tür zu dem Raum in dem Anna gefangen war. Es war Tarik. „Was willst du?!", fragte sie aggressiv, aber kraftlos.

Seit langem hatte sie nichts mehr getrunken und ihr Kopf tat immer doller weh. Auch ihre Lippe war angeschwollen. Widerwillig kam Tarik näher und reichte ihr ein Glas Wasser.

Anna sah ihn fragend an. „Ich will nicht, dass du verdurstest bevor ich mein Geld habe! Also trink!" „Und wie? Meine Hände sind gefesselt, du Vogel!" Fest packte Tarik Anna an den Haaren und hob ihren Kopf an.

Dann führte er das Glas zu ihren Lippen und ließ sie trinken. Er schüttete ein wenig zu schnell, weshalb etwas von dem Wasser an Annas Mund vorbeilief. Als das Glas leer war, drehte sich Tarik um und wollte wieder gehen, doch Anna hielt ihn zurück: „Warte!"

Genervt drehte er sich um: „Was?!" „Warum glaubst du, dass wir dir dein Geld gestohlen haben?" Tarik lachte hämisch: „Es ist dämlich von euch, es abzustreiten!

Ihr habt mir doch einen Brief hinterlassen in dem ihr euch darüber lustig gemacht habt, wie einfach es war mein Geld zu stehlen!" Verwundert riss Anna die Augen auf: „Hältst du Finn wirklich für so blöd?

Wenn wir dir Geld klauen würden, würden wir es dir doch nicht freiwillig sagen!" „Was weiß ich. Vielleicht hat er den Brief ja in einem Vollrausch geschrieben. Es ist mir auch egal.

Es geht mir nicht um dich oder um Finn. Ich mache gerne mit ihm Geschäfte, aber ich lasse mich nicht verarschen! Das sollte er wissen, aber wenn er noch mal eine Erinnerung braucht, kann er die haben!"

Bevor Anna antworten konnte, hatte Tarik schon wieder den Raum verlassen. Verdammt!
Aber von was für einem Brief hat Tarik gesprochen?

Nun hatte Anna auch die letzten Zweifel daran verloren, dass Finn das Geld vielleicht doch genommen hatte. Einen Brief? Sowas bescheuertes hätte er nicht einmal besoffen getan!

Wieder ratterte es in Annas Kopf. Wer, der etwas gegen Finn hatte, hätte den Brief so fälschen können, dass Tarik es glaubt? Als wäre es ein Wink des Schicksals öffnete sich die Tür erneut und... Larissa!!!

Na klar! Auf einmal ergab alles Sinn. Natürlich war es Larissa! „Du warst das!", platze es aus Anna heraus. Larissa schien sofort zu wissen, auf was sie hinauswollte: „Mein Bruder hat dir wohl von dem Brief erzählt. Tja trauriger Weise bist du wohl schlauer als er."

„Wieso? Ich dachte du liebst Finn?" Bedrohlich kam Larissa näher: „Das tue ich, aber du stehst mir im Weg. Finn wird es niemals schaffen das Geld bis morgen zusammenzubekommen und dann werden wir dich umbringen."

Plötzlich zog sie ein Messer aus der Tasche: „Und es wird mir ein Vergnügen sein..." Mit der Klinge zog sie eine Linie an Annas Hals, aber nur mit gerade so viel Druck, dass es keine Schramme hinterließ.

Dennoch wurde Annas Atem schneller und in ihrer Kehle bildete sich ein Kloß. Sie traute sich nicht ihn runterzuschlucken, solange das Messer ihren Hals zierte. „Es ist dein Glück, dass ich noch woanders hin muss, sonst würde es mir tierischen Spaß machen, das hier zu benutzen..."

Gott sei Dank nahm sie das Messer tatsächlich weg und Anna atmete auf. „Wie gerne würde ich dich schlagen, aber ich will mir an dir nicht die Hände schmutzig machen.", sagte Larissa mit einem provozierenden Grinsen auf dem Gesicht. Sie war widerlich. In jeder erdenklichen Hinsicht.

„Pah! Du bist einfach nur nicht mutig genug, Barbie.", Anna hätte wahrscheinlich einfach ihre Klappe halten sollen, denn sie hatte Larissa ganz offensichtlich wütend gemacht.

Mit der flachen Hand schlug sie ihr ins Gesicht und Anna knallte heftig mit dem Kopf an die Wand. Leicht benommen lag sie nun auf dem Boden, was die Barbie schamlos ausnutze. Mit ihren High Heels trat sie ihr mehrmals in den Bauch, so oft, bis Anna schwarz vor Augen wurde.

Erst als Larissa den Raum verließ, kam sie wieder langsam zu sich. Ihr ganzer Körper tat weh und ihr war furchtbar schlecht. Nur mit Mühe konnte Anna ihre Augen offenhalten: „Finn... bitte beeile dich..."

Gefährliche LiebeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt