Am nächsten Morgen wache ich ziemlich spät auf. Als ich die Augen aufschlage, ist der Raum schon lichtdurchflutet. Ich setze mich auf und blicke auf die Uhr. Es ist schon zwei Uhr nachmittags. Seufzend lasse ich mich wieder in die weichen Kissen sinken. Am liebsten würde ich einfach liegen bleiben.
Genau in diesem Moment fängt neben mir etwas an zu piepen und jemand klopft gegen die Tür. Na toll, jetzt überwachen sie auch noch meinen Schlaf.
Genervt rapple ich mich auf und taumele zur Tür. "Wer ist da?", frage ich leise. Man muss merken, dass ich noch komplett verschlafen bin.
"Ich bins Schätzchen", flötet mir die Stimme von Cecilia entgegen. Ich brumme. "Komme schon."
"Es gibt jetzt eine Kleinigkeit zu Essen, dann werdet ihr für die Parade fertig gemacht und dann geht es heute Abend auf eine kleine Feier. Also hopp hopp, raus aus den Federn, du brauchst was im Magen bevor du mir noch umkippst."
Ich verdrehe die Augen, was sie zum Glück nicht sehen kann. Mir ist überhaupt nicht nach feiern zumute. Es fällt mir schwer, mich an die Ereignisse der vergangenen Nacht zu erinnern. Ich weiß, dass die kleine Memory tot ist, ich auch tot sein sollte und dass ich Katniss ein paar Dinge an den Kopf geknallt habe, während eine Dosis Beruhigungsmittel meine Psyche komplett durcheinander gebracht hatte. Der Rest ist alles verschwommen oder komplett schwarz. Was auch immer mir da gespritzt wurde: Das Zeug hat es echt in sich.
Ich schlüpfe schnell in eine weite und bequeme Hose und ein schlichtes T-Shirt und schrubbe mir die Zähne. Dann bürste ich mir einmal kurz durch die Haare und mache mich auf den Weg ins Speisezimmer. Es ist egal, wie ich momentan aussehe. Sie werden mich so oder so gleich zu einem Stylisten schicken, der dann mein Äußeres komplett auf den Kopf stellen wird. Die anderen, also Wisdom, Cecilia und Annie, der es anscheinend wieder gut geht, haben schon mit dem Essen angefangen und bemerken nicht, wie ich durch die Tür in den Raum schlüpfe. Erst als ich mich auf den erstbesten Stuhl, den neben Wisdom und ausgerechnet gegenüber von Cecilia, fallen gelassen habe, schauen mich 3 Augenpaare an. "Was ist?", frage ich und lade mir einen Teller Suppe auf. Ich spüre ihre Blicke, doch ich konzentriere mich darauf, mich nicht zu bekleckern. Irgendwann halte ich es nicht mehr aus und werde laut. "Was ist?"
Annie zuckt zusammen, Wisdom tut so, als wäre er sehr beschäftigt mit seinem Braten und Cecilie beugt sich über den Tisch. "Ist alles in Ordnung mit dir?"
Ich zucke mit den Schultern. "Klar."
Sie will wissen, warum ich noch lebe. Sie wollen es alle wissen. Aber ich werde es ihnen nicht verraten.
Ich habe Cecilia klar signalisiert, dass ich nicht mit ihr reden möchte und sie gibt es auf. Sie lässt sich wieder zurück sinken und wartet darauf, dass wir anderen mit dem essen fertig sind. Ich lasse mir extra Zeit. Doch irgendwann reißt mir Cecilia einfach den Löffel aus der Hand. "Wir müssen jetzt los, du hast genug gegessen."
Beleidigt verschränke ich die Arme vor der Brust, folge ihr dann aber trotzdem aus dem Raum.
Trällernd läuft sie vor mir her in Richtung Aufzug und Wisdom taucht an meiner Seite auf. Unwillkürlich greife ich nach seiner Hand. Er nimmt sie und gibt mir ein Gefühl der Sicherheit. Auch wenn ich so tue, die Ereignisse der Nacht machen mir immer noch Angst.
"Das Erneuerungsstudio befindet sich nun am anderen Ende der Straße. Dort werden wir jetzt mit dem Wagen hinfahren, dann werdet ihr dort hübsch gemacht und dann mit der Parade wieder zurück zum Trainingscenter fahren. In der Zwischenzeit wird hier die Bühne für die Präsidentin aufgebaut."
Cecilia kichert. Zumindest hat eine hier Spaß.
Wir fahren mit dem Fahrstuhl nach unten in eine Tiefgarage und werden dort von einem Wagen mit getönten Scheiben erwartet. Wir steigen auf die Rückbank und ich quetsche mich in die Mitte zwischen Cecilia und Wisdom. Wisdom hält immer noch meine Hand, doch als Cecilias Blick darauf fällt, lässt er mich abrupt los und starrt aus dem Fenster. Ich weiß nicht, ob ich belustigt oder eher beleidigt sein sollte.
Auch ich hänge meinen Gedanken nach, während wir die Straße entlang fahren und denke an die anderen Tribute. Ich sehe sie alle vor mir. Erst die Kinder aus meiner Klasse, dann die, die ich aus der Schule kenne. Dann die anderen Waisenkinder, die mit mir geflüchtet sind. Dann meine Freunde. Aber der Gedanke an Memory lässt mich nicht los. Ich habe schon ihr Leben auf dem Gewissen. Wie viele weitere werden noch folgen?
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Die Tribute von Panem - Die Rache der Distrikte
FanfictionVor der Bombardierung von Distrikt 12 floh Madge in die Wälder Panems. Dort wurde sie von dem Kapitol aufgelesen und durch verschiedene Experimente geführt. Die Folge: Unsterblichkeit. Mit dem festen Willen, eine Möglichkeit zu finden, sich das gra...