Heaven - Teil 18

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Noch bevor ich den Startraum erreiche, fließen die Tränen und als ich Jasper im Raum sehe und sich die Tür hinter uns schließt, sacken meine Knie ein und ich lande auf den kalten Fliesen. Jasper eilt auf mich zu und hilft mir behutsam auf. Dann stützt er mich und bringt mich zu einer Bank. Ich setzte mich wie betäubt hin und starre auf einen kleinen dunklen Fleck auf der gegenüberliegenden Wand. Nach ein paar Sekunden lasse ich meinen Blick schweifen. Es ist ein winziger Raum. Eine Bank, ein Tisch, eine Röhre. Die Röhre, durch die ich in die Arena gebracht werde. Ich schließe meine Augen. Was wird mich erwarten? Wüste? Wald? Ruinen Landschaften? Oder etwas, das es noch nie gegeben hat? Was für Waffen werden da sein? Hoffentlich ein Degen.. der wäre jetzt neben Wasser, etwas zu essen und vielleicht einem warmen Schlafsack das Wichtigste. „Heaven... du musst dich umziehen." Jasper reißt mich damit aus meinen Gedanken. „Geh am besten vorher noch einmal duschen." Ich nicke, stehe auf, weiß aber nicht, wohin ich gehen soll. Er drückt auf einen Knopf und eine unsichtbare Tür schiebt sich beiseite. Ich gehe in den Duschraum, stelle das Wasser an und versuche, einfach die Gedanken aus meinem Kopf zu verbannen. Es gelingt mir nicht, also trockne ich mich schnell ab und gehe dann zurück zu Jasper. Er reich mir ein Bündel Kleider. Nacheinander ziehe ich erst ein kurzes Shirt, darüber eine Sweatshirtjacke an. Außerdem eine dicke Daunenjacke, die ich offen lasse, da es zu warm ist. Die Hose ist aus dünnem Stoff und ziemlich lang. Allerdings entdecke ich am Knie einen Reißverschluss, mit dem ich die Hose kürzen kann. Über dieser Hose ziehe ich eine warme Skihose an. Die Schuhe sind gefüttert und haben eine rutschfeste Sohle. Ich begutachte die Schuhe etwas genauer und entdecke ein paar Klettverschlusse und einen Reißverschluss. „Du kannst sie so in Sandalen verwandeln.", erklärt Jasper und demonstriert es mir. Ich muss zugeben, ich bin beeindruckt. Als letztes hängt er mir noch einen Schal um, gibt mir Handschuhe und Ohrenschützer. Meine Haare sind zu einem kurzen Pferdeschwanz zusammen gebunden. „Noch 30 Sekunden.", ertönt die monotone Stimme und erinnert mich wieder an die Arena. Ich umklammere Jasper und in dieser Umarmung stehen wir einen Moment nur so da. „Noch 20 Sekunden." Ich drehe mich gerade zur Röhre, als mein Stylist mir einen leeren Rucksack in die Hand drückt. „Hier. Das ist für die Kleidung, die ihr ausziehen könnt, wenn ihr möchtet." Ich starre auf den Rucksack. Den Klamotten nach, in denen ich stecke, habe ich auf eine Eiswüste getippt, aber nun... dieser Rucksack heißt, dass es sowohl heiß, als auch kalt sein kann. Und das passt mir gar nicht. „Noch 10 Sekunden." Jasper nickt mir zu, dann drückt er mir einen leichten Kuss auf den Mund. „Ich glaube an dich." Überrascht schaue ich ihn an, doch er schiebt mich mit entschuldigendem Blick auf die Röhre zu und ich stelle mich auf das Podest. Sobald ich auf der Platte stehe, schiebt sich eine Wand zwischen mich und den Raum und ich bin gefangen. Ich drehe mich nicht um. Ich warte, dass es losgeht. Dann hebt sich die Platte. Mein Herz pocht wie wild, als ich nach oben in die Arena fahre. Ich schaffe es nicht, auch nur einen einzigen klaren Gedanken zu fassen. Die Platte kommt zum Stehen und ich bin zunächst verwirrt. Ich stehe hier komplett alleine in einem von Hecken eingeschlossenen Raum. Wo sind die anderen Tribute? Wo ist das Füllhorn? Wie komme ich hier weg? Ich strecke langsam die Finger aus, doch zucke augenblicklich zurück, als es vor mir zu knistern beginnt. Ein Kraftfeld. Ich drehe mich auf dem Absatz um und entdecke einen kleinen Gang, der hier herausführt.

Aus dieser Position heraus kann ich sogar etwas erkennen, das über die Hecken hinausragt. Das Füllhorn. Dorthin muss ich also laufen, wenn ich nicht unbewaffnet und ohne jegliche Vorräte durch die Arena irren möchte. Erst jetzt wird mir klar, woran mich die Hecken erinnern. Ich befinde mich in einem riesigen Irrgarten. Die Sekunden verstreichen, während ich darüber nachdenke, was ich als nächstes tun werde. Mir bleibt nicht mehr lange Zeit, denn die Minute muss bald vorbei sein. Zuerst werde ich dem Gang folgen, schließlich habe ich keine andere Wahl. Da ich ungefähr weiß, wo sich das Füllhorn befindet, kann ich einfach in diese Richtung gehen, sofern das Labyrinth mich lässt. Ich brauche einen Degen, so viel ist klar. Wenn es keinen gibt, würde es auch ein Schwert machen. Ich weiß, dass ich lieber schnell hier sterben würde, wenn ich könnte, als ohne Waffe die Spiele zu bestreiten. Jetzt, am Anfangsgemetzel, sind die Meisten viel zu aufgeregt und nervös, als dass sie jemanden quälen könnten, bevor sie ihn töten. Doch wenn ich es mir so überlege... möchte ich denn nicht überleben? Erst jetzt wird mir klar, dass ich nicht alleine bin. Es gibt Menschen, für die es sich zu kämpfen lohnt. Ja, ich möchte leben. Ich möchte etwas verändern. Und ich will verdammt noch mal nicht zum Experiment werden. Sobald ich meine Waffe habe, werde ich schleunigst verschwinden. Ich werde mich nicht unnötigerweise in Gefahr bringen. Werde ich überhaupt schnell genug fort kommen? Besteht die gesamte Arena nur aus diesen Hecken? Das ist wohl kaum...

Ich habe keine Möglichkeit mehr, diesen Gedanken zu beenden. In diesem Moment ertönt ein Knall, der Startschuss. Ich taste mich langsam nach vorne. Das Kraftfeld ist verschwunden.

Dann taumle ich benommen von meiner Platte und renne los.


Die Tribute von Panem - Die Rache der DistrikteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt