"Nicht mehr alle Tassen im Schrank? NICHT MEHR ALLE TASSEN IM SCHRANK? IST DAS DEIN ERNST?"
Ich habe Cecilia zurück in den Flur gezogen und drücke sie jetzt gegen die Wand. Ich schreie vor Wut. Wie kann sie das nur sagen? Wie kann sie sich nur über Annie lustig machen?
Jeder kennt ihre Geschichte. Die Geschichte des Mädchens, das alles verloren hat. Ich möchte mal sehen, wie Cecilia reagieren würde, wenn alle die von ihr geliebten Menschen tot wären. Ach ich vergaß, Cecilia ist ja nicht im stande zu lieben oder überhaupt etwas zu fühlen.
Ich spüre, wie mich zwei starke Arme zurückreißen und ich wehre mich nicht. Ich funkle meine Betreuerin nur noch einmal böse an, dann lasse ich mich von Wisdom in den Wohnraum führen. Annie schaut uns mit großen Augen an und ich weiß nicht so recht, was ich tun soll. Ich setze mich unbeholfen ihr gegenüber.
"Hallo Annie."
Ich lächle sie an, doch ihre Augen werden nur noch größer.
Ich beiße mir auf die Unterlippe. "Ich bin Heav..."
Ich kann meinen Satz nicht beenden, denn plötzlich hält sich Annie die Ohren zu, fängt fürchterlich an zu schreien und bricht zusammen.
Ich springe auf und hocke mich neben sie und tätschle ihr unbeholfen den Rücken.
"Finnick. Nein. FINNICK. Bitte komm zurück. Finnick. Bitte. BITTE"
Ihr Geschrei wird immer lauter, immer verzweifelter. Ich will ihr helfen, doch ich weiß einfach nicht wie.
Plötzlich hört sie so abrupt auf, wie sie damit angefangen hat. Sie vergräbt ihr Gesicht in ihren Händen und ich höre sie schluchzen. Ich lege ihr einen Arm um die Schulter und sie lehnt sich an mich.
Nach einer Weile steht sie auf, setzt sich aufs Sofa und starrt die Wand an.
Ich spüre Wisdoms Hand auf meiner Schulter.
"Komm, wir lassen sie erst einmal alleine", flüstert er mir ins Ohr. Ich nicke abwesend und stehe langsam auf. Wisdom nimmt meine Hand und zieht mich aus dem Raum. Wir durchqueren den Flur und er stößt mit dem Fuß die Tür zu seinem Zimmer auf. Am Bett lässt er meine Hand los, ich setze mich hin, Wisdom zieht einen Stuhl heran und setzt sich mir gegenüber. Meine Augen füllen sich mit Tränen. Das ist einfach nur schrecklich. Was Annie alles durchmachen musste... und Cecilia macht sich noch darüber lustig.
Wisdom nimmt meine Hände in seine und schaut mich an.
"Heaven... beruhige dich. Es ist alles gut."
Die Tränen rinnen mir nun über die Wangen und meine Stimme bricht, als ich etwas sagen will.
"Ich... ich... ich kann das nicht. Ich will nicht... ich..."
Wisdom nimmt mich in seine Arme und nun fange ich endgültig an zu schluchzen. Das war einfach viel zu viel heute. Ich will nur noch schlafen und am liebsten nie wieder aufwachen.
"Ich verspreche dir, du wirst nicht sterben und du wirst auch nicht so werden wie Annie, kapiert?"
Ich entziehe mich seiner Umarmung und blicke ihn erschrocken an. "Wie meinst du das?"
"Ich meine, dass du nicht sterben kannst. Ganz einfach."
Ich schnappe nach Luft. Kann es sein, dass er von meinem Geheimnis weiß? Nein, das ist unmöglich... oder?
Plötzlich fängt Wisdom an zu grinsen. "Ja was denn? Mach doch nicht so große Augen. Du bist mutig, das merke ich. Und du bist stark. Wir werden dich da lebend rausholen. Ich werde dich beschützen, okay? Du brauchst keine Angst zu haben."
Beim Abendessen kann ich an nichts anderes mehr denken. Ich bin erleichtert, dass er nicht weiß, dass man mich nicht töten kann, denn kann ich ihm sicher vertrauen? Andererseits hat er mir gesagt, dass er mich beschützen will, was wiederum bedeutet, dass er dem Tod in die offenen Arme läuft.
Ich stochere nachdenklich in meinem Essen herum, als sich plötzlich die Tür öffnet und Annie herein kommt. Unsicher durchquert sie den Raum und setzt sich zu uns an den Tisch. Ich spüre Wisdoms Blick, doch ich vermeide es ihn anzusehen. Stattdessen schaue ich hinüber zu Cecilia, die nun ein künstliches Lächeln in Richtung Annie aufgesetzt hat. "Schön, dass eure Mentorin nun auch den Weg hierher gefunden hat."
Ich knurre, doch außer Wisdom scheint es keiner gehört zu haben. Er stupst mich von der Seite an, doch ich ignoriere ihn.
Da nun niemand mehr etwas sagt, fahre ich damit fort, in meinem Essen herumzustochern. Ich blicke erst auf, als ich Annies zierliche Stimme höre.
"Tut mir leid wegen vorhin. Ich wollte nicht, dass ihr mich so kennenlernen müsst."
Sie lächelt uns an und auch ich lächle jetzt. Nur noch ihre traurigen Augen verraten, dass ihr etwas schreckliches passiert sein muss.
Cecilia murmelt etwas, allerdings so laut, dass es jeder hier am Tisch hören kann.
"Du bist halt geistesgestört. Du bist immer so, also solltest du dich jetzt schonmal für jede Sekunde entschuldigen, die wir mit dir verbringen müssen."
Ich starre sie entgeistert an. Ist das ihr ernst?
Mein Blick wandert zurück zu Annie, die Wisdom und mich immer noch seelenruhig anblickt und Cecilia vollkommen ignoriert.
"Also ihr seid wohl Wisdom und Heaven. Ich denke ihr kennt mich, ich bin Annie und ab sofort eure Mentorin. Wenn ihr euch euren Mentor aussuchen könntet, wäre ich wahrscheinlich nicht eure erste Wahl, aber ich werde euch trotzdem so gut es geht helfen. Ich hoffe ihr verzeiht, dass ihr mich ertragen müsst."
Jetzt grinst sie und ich schaue ratlos zu Wisdom hinüber.
Er sagt: "Wir freuen uns sehr darüber, dass du uns unterstützen wirst."
Ich nicke und höre noch, wie Cecilia schnaubt. Sie verlässt den Raum und schlägt die Tür hinter sich zu.
"Wollt ihr die Zusammenfassung der Ernten sehen?", fragt Annie, doch ich schüttle den Kopf.
"Ich habe das alles heute schon erlebt, da muss ich mir das nicht noch einmal ansehen."
Wisdom hingegen sagt, er möchte es sich gerne ansehen. Er verlässt den Speiseraum in Richtung des Wohnraumes. Annie wartet, bis er außer Hörweite ist, dann dreht sie sich zu mir. "Danke, dass du vorhin da geblieben bist, als ich zusammengebrochen bin."
Ich nicke und dann geht auch Annie, um sich die Zusammenfassung anzusehen. Ich nehme mir einen Apfel vom Tisch und gehe in den Flur, um mein Zimmer zu suchen. Cecilia hat es mir zwar gezeigt, doch bei den vielen Räumen hier habe ich es schon wieder vergessen. Ich öffne eine der Türen und schrecke zurück, als ich direkt in das Gesicht meiner Betreuerin blicke. Wie nicht anders zu erwarten, schreit sie sofort los und brüllt mich an, ich solle mich gefälligst fortscheren und in mein eigenes Zimmer gehen. Dabei zeigt sie auf die gegenüberliegende Tür und ohne noch irgendetwas zu erwidern, reiße ich meine Tür auf und stürme in mein Zimmer. Ich springe schnell unter die Dusche, jedoch befasse ich mich nicht mit den hundert verschiedenen Knöpfen. Ich will einfach nur noch schlafen. Als ich fertig bin, kämme ich schnell meine Haare durch und suche in dem Schrank nach einem Nachthemd. Ich brauche nicht lange zu suchen, allerdings finde ich nicht EINES sondern HUNDERTE. Ich ziehe das erste heraus, was mir ins Auge sticht. Es ist hellgrün und bildet somit einen perfekten Kontrast zu meiner rosa-schimmernden Haut.
Ich ziehe es schnell über und kuschle mich dann in das riesige Bett. Morgen ist die Parade. Eigentlich total blödsinnig, dass diese trotzdem stattfinden wird, obwohl wir doch schon längst im Kapitol sind und alle zusammen bei der Ernte waren. Nach diesem harten Tag schlafe ich sofort ein, mit den Gedanken bei meiner besten Freundin Story und der kleinen Memory, die nun zu meiner Feindin geworden ist. Ich habe nicht den blassesten Schimmer, wie ich mich retten kann.
DU LIEST GERADE
Die Tribute von Panem - Die Rache der Distrikte
FanfictionVor der Bombardierung von Distrikt 12 floh Madge in die Wälder Panems. Dort wurde sie von dem Kapitol aufgelesen und durch verschiedene Experimente geführt. Die Folge: Unsterblichkeit. Mit dem festen Willen, eine Möglichkeit zu finden, sich das gra...