Heaven - Teil 25

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"Ich denke", sage ich immer noch nach Atem ringend. "Das war's dann. Schnell weg hier." Ich gehe langsam zu dem Tisch und nehme mir den Rucksack mit der großen "5". Jetzt merke ich die volle Auswirkung meiner Verletzung. Meine Bewegungen sind mehr ein Humpeln als ein Gehen. Ich weiß, dass ich trotzdem hier weg muss. Und nun ist die Zeit des Abschiedes gekommen. Ein weiterer Tribut ist tot, nur noch zwei weitere leben. Während ich zurück zum Labyrinth gehe, um meinen Degen zu holen, merke ich, dass Joe immer noch an der selben Stelle steht, wie zuvor und sich den Bauch hält, als würde er sich gleich übergeben. "Alles okay?", frage ich ihn, leicht irritiert, schließlich bin ich diejenige, die gerade getötet hat und nicht er. Anstatt zu antworten, nimmt er die Hände hoch und ich sehe wie übermäßig viel Blut aus einer riesigen Wunde quillt. Ich denke an meine eigene Wunde und fasse den Entschluss, erst noch dafür zu sorgen, dass unsere Wunden versorgt sind, bevor ich das Bündnis auflöse. Nachdem ich meinen Degen eingesammelt habe, nehme ich noch Joes Rucksack an mich und gehe dann zurück zu meinem Verbündeten, der sich mittlerweile hingesetzt hat. Der Boden erzittert und der Tisch verschwindet, dann ist es ruhig.

Ich helfe Joe dabei aufzustehen und dann laufen wir, uns gegenseitig stützend, in den Irrgarten hinein. Wir sind nicht weit gekommen, da bricht er zusammen und ich gerate ins Schwanken. Ich setze mich hin und krame in meinem Rucksack nach der Verbandrolle, bis mir einfällt, dass ich die ja um Joes Hand gewickelt hatte. Deswegen suche ich in seinem Rucksack nach Verband und werde schnell fündig. Ich wickle den Verband um seinen Bauch, in der Hoffnung, dass es irgendwie die Blutung stoppt und tue dasselbe mit einer zweiten Rolle und meinem Bein, das aber schon bald verheilen müsste. Dann versuche ich ihn in eine bequeme Lage zu bringen, decke ihn zu und lege seinen linken Arm in die Schlaufen seiner beiden Rucksäcke. Neugierig öffne ich meinen eigenen. Ich habe zwei Messer und eine Flasche Wasser erbeutet. Es hätte vielleicht mehr sein können, doch ich habe kein bisschen Wasser mehr übrig und bin deswegen erleichtert über mein Geschenk. Schnell nehme ich einen Schluck, dann stopfe ich den einen Rucksack in meinen anderen, schultere diesen und mache mich auf den Weg. Mein einziges Ziel ist es, so hart es auch klingt, meinen Verbündeten zu verlassen. Ich will nicht gegen ihn kämpfen. Ich kann nicht. Ich kann ihn nicht töten.


Ich irre, wie es mir vorkommt, stundenlang durch das Labyrinth und versuche möglichst weit weg zu kommen. Sicherlich sind die anderen Tribute hier irgendwo. Meine Waffe habe ich fest umklammert. Ich bin geschwächt, ja, aber auch fest entschlossen das hier zu überstehen. Wir sind nur noch zu viert. Meine Chancen stehen gut. Als ich denke, weit genug gewandert zu sein und mein Bein sich wieder schmerzvoll meldet, setze ich mich auf den Boden und lehne mich an meinen Rucksack, das verletze Bein ausgestreckt. Langsam legt sich Dunkelheit über die Arena. Die Hymne von Panem erklingt und das Gesicht des kleinen Mädchens, das ich heute getötet habe, erscheint. Ich seufze und kämpfe gegen die Müdigkeit an, denn wenn mich jetzt ein anderer Tribut findet, bin ich erledigt. Dann kommt mir ein erschreckender Gedanke. Wir sind nur noch zu viert. Ich habe heute am Füllhorn die Gesichter jedes einzelnen gesehen. Doch was ist mit Wisdom? Er ist weder am Leben, noch erschien sein Bild am Himmel. Wie ist das möglich? Noch bevor ich den Gedanken zuende denken kann, fallen mir die Augen zu.


Ich schrecke aus dem Schlaf, als merkwürdige Geräusche ganz aus der Nähe zu hören sind. Schnell rapple ich mich auf und versuche zu fliehen. Doch wohin? Woher kommt das Geräusch? Was ist es überhaupt? Wie...?Noch halb verschlafen renne ich geradewegs gegen eine Hecke, taumle zurück, verliere das Gleichgewicht und falle hin. Kraftlos bleibe ich liegen. Meine Augenlider flackern, bis sie sich letztendlich schließen. Ich spüre nichts mehr, als die Dunkelheit mich verschluckt.

Die Tribute von Panem - Die Rache der DistrikteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt