Heaven - Teil 2

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Ich liege im Bett und lasse die Gedanken kreisen. Nachdem der erste Schock überwunden war und wir wieder im Waisenhaus waren, schlossen Story und ich uns in unserem Zimmer ein und diskutierten. Die ganze Zeit hat sie mich vollgequatscht, dass ich unbedingt in die Spiele gehen sollte, da ich ja so oder so nicht getötet werden kann. Auch jetzt hat sie immer noch nicht verstanden, dass es für mich einfach zu gefährlich ist.

Natürlich würde sich jeder einzelne wundern, wenn ich von einem Speer durchbohrt würde und nach zehn Minuten wieder quicklebendig durch die Arena laufen würde! Jeder einzelne würde dann mein Geheimnis kennen, würde wissen, dass ich nicht sterben kann. Dann werden sie mich in ihre Labors verschleppen und so lange an mir herumexperimentieren, bis sie wissen, was mit mir falsch ist. Dann wissen sie, was sie tun müssen, um auch unsterblich zu werden. Und das darf auf keinen Fall passieren.

Wo lebten wir denn dann hier, wenn keiner mehr stirbt? Wenn jeder auf ewig lebt? Das darf einfach nicht passieren. Hinzu kommt, dass ich auf keinen Fall unschuldige Menschen töten will. Wie könnte ich dann in die Arena gehen gewinnen? Denn verlieren ist gar nicht möglich. Ich darf einfach nicht gezogen werden. Auf gar keinen Fall. Schon morgen soll die Ernte sein. Die Arena ist bereits seit Jahren fertig, hat man uns gesagt. Es ist die Arena der letzten Hungerspiele. Die Bezirke des Kapitols wurden durchnummeriert und mit Kapitolstadt 1, Kapitolstadt 2 usw. bezeichnet. Aus jeder Kapitolstadt werden zwei Namen gezogen. Ich lebe in K5.

Vom vielen Grübeln schmerzt mein Kopf und ich schließe die Augen. Nach einer Weile gleite ich in einen unruhigen Schlaf.

Ich träume von Engeln und Teufeln, von dem Himmel und der Hölle. Ach wie gerne ich jetzt mein neues Leben führen würde! Ich habe nichts Böses verbrochen, ich bin mir fast sicher, dass ich im Himmel leben dürfte. Würde jemand wissen, dass ich fest an ein Leben nach dem Tod, ein Leben im Himmel oder der Hölle glaube, würden sie mich sofort einsperren lassen. Hier in Panem ist es verboten, an etwas zu glauben. Wir wollen auf die Regierung vertrauen. 

Als ich aufwache, wünsche ich mir, weiterträumen zu dürfen. Einen Traum, der niemals Wirklichkeit werden wird, denn ich bin für immer und ewig hier auf der Erde gefangen, umgeben von einem Haufen wahnsinnig gewordener Leute, denen es nur um Geld und Ansehen geht. Ich schrecke zusammen, denn plötzlich steht Story neben meinem Bett und zieht mir die Decke weg. 

„Aufstehen! Heute ist dein großer Tag", trällert sie. Ich brumme nur zurück. Wenn sie es immer noch nicht verstanden hat...  Schnell hüpfe ich unter die Dusche und mache mich fertig. Dann gehe ich hinunter zum Frühstücken. Story ist bereits vorgegangen und ist in ein Gespräch mit unserer Betreuerin Cecilia vertieft. Heute sind die wenigsten erschienen. Mir wurde gesagt, sie fürchten sich vor der Ernte und wollen jetzt so viel Zeit wie möglich alleine sein. Ich kann sie verstehen, denn genau das Bedürfnis habe ich auch. 

Nach dem Essen werden wir zurück auf unsere Zimmer geschickt, um uns für die Ernte schön zu machen. Ich ziehe das einzige Kleid an, das ich besitze: Mein altes weißes Kleid. Wird Katniss mich vielleicht darin wiedererkennen? Vermutlich nicht, doch ich kann es zumindest einmal versuchen. Doch dass ich mein altes Kleid anziehe- dass ich es überhaupt noch besitze, hat eigentlich einen viel bedeutenderen Grund. Es ist das einzige, was mich noch an mein altes Leben erinnert. Das einzige, was mir von meinem alten Leben geblieben ist. Ich betrachte mich im Spiegel. Blicke auf meine pinken Haare, meine pinken Augen, meine rosa Haut. Bin das hier wirklich noch ich, oder habe ich mich zu einem ganz anderen Menschen verändert? Nein, denke ich. Ich bin immer noch ich selbst, auch wenn ich nicht mehr aussehe wie ich und niemand mein wahres Ich kennt. Nur Story und ich kennen meine wahre Geschichte. Auch sie hat schreckliches erlebt, hat sich verändert. Doch im Gegensatz zu mir vermisst sie ihr altes Leben nicht. Sie musste ihr Leben lang hungern. Sie lebte im ärmeren Teil unseres Distriktes. Hier im Kapitol geht es ihr wahrscheinlich wirklich besser als damals. Ich schrecke aus meinen Gedanken hoch, als plötzlich die Tür aufgeht. Ein zwölf Jähriges Mädchen, Memory ist ihr Name, kommt plötzlich herein und klammert sich an mir fest. Dann fängt sie an zu schluchzen und bricht in Tränen aus. Verblüfft schaue ich hinunter auf ihren Kopf. Was hat sie nur? Ich knie mich hin, um mit ihr auf einer Augenhöhe zu sein, denn ich bin in den letzten Wochen ziemlich gewachsen und sie ist sehr klein. Mit großen Augen schaut sie mich an, ich reiche ihr ein Taschentuch. „Ich habe so schreckliche Angst Heaven! Ich will nicht in die Spiele müssen, ich will nicht sterben!" „Oh", antworte ich nur. Deswegen ist sie so aufgebracht. Ich nehme sie in den Arm. „Du wirst nicht gezogen", beruhige ich sie. Natürlich gibt es keine Garantie, doch was könnte ich auch anderes tun? Mein Blick fällt auf die Uhr und ich schrecke hoch. In Zehn Minuten müssen wir wieder unten sein. Ich ziehe sie ins Badezimmer, befehle ihr sich das Gesicht zu waschen und schminke sie dann leicht, damit niemand ihre vergossenen Tränen sieht. Dann flechte ich ihr einen Zopf und stecke mir selbst meine Haare hoch. Cecilia fängt an zu schreien und überall schwingen die Türen auf und wir laufen alle so schnell es geht nach unten.

Die Tribute von Panem - Die Rache der DistrikteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt