Der Schmerz zieht durch meinen ganzen Körper. Ich liege am Boden, kann mich nicht bewegen. Mit weit aufgerissenen Augen sehe ich den Tribut, der über mir steht, das Schwert zum Schlag erhoben. Ich erkenne ihn, den Tribut, doch noch kann ich sein Gesicht keinem Namen zuordnen. Dennoch weiß ich, dass das, was geschieht, völlig falsch ist. Irgendetwas stimmt nicht. Es ist ganz und gar nicht richtig. Jetzt weiß ich auch warum. Wie kann es sein, dass mein Verbündeter kurz davor ist, mich zu töten? Ich habe ihm vertraut. Ich fühlte mich sicher.
Ich spüre, wie mein Gesicht feucht wird. Warum heule ich? Ich kann es nicht sagen. Noch immer starre ich Joe an, dessen Mundwinkel sich nun zu einem fiesen Grinsen verziehen. Einen Moment später saust sein Schwert auf mich herab. Dann ein lauter Knall. Ich schreie.
Schwer atmend schrecke ich hoch. Wo bin ich? Was tue ich hier? Völlig orientierungslos blicke ich mich um und schreie erneut, als ich direkt in die Augen meines Mörders schaue. Ich weiche zurück, immer noch mit wild rasendem Herzen. Seine Lippen bewegen sich, er scheint etwas zu sagen, doch ich höre ihn nicht. Ich kann mich nicht auf seine Worte konzentrieren, mein einziger Gedanke gilt meiner Flucht. Ich muss hier weg. Ich kann ihm nicht vertrauen, das hat mein Traum bewiesen. Oder etwa nicht? Es war nur ein Traum und dennoch...Ich halte inne und versuche mich zu beruhigen. "Alles ok. Tschuldige", nuschle ich, damit er endlich damit aufhört, auf mich einzureden, doch sein Mund bewegt sich immer noch. Bruchteile dringen an mich heran. Er schreit und als ich mich umschaue, weiß ich auch, was er mir zu sagen versucht. Wir müssen hier weg. Auf dem Boden haben sich goldene Pfützen gebildet. Das, was aussieht, wie ganz normaler Regen, scheint nicht echt zu sein. Meine Klamotten sind schon halb durchnässt. Wie lange habe ich den hier draußen gesessen? Benommen versuche ich aufzustehen und schaffe es nur mit Joes Hilfe. "Zurück... in... die Höhle."Er nickt und stützt mich auf dem Weg in unseren Unterschlupf. Dort lasse ich mich sofort auf meinen Schlafsack fallen und greife nach meinem Degen, während Joe in seinem Rucksack herumwühlt. Was soll ich nun tun? Ich weiß, dass ich nicht mehr hier bleiben kann, doch habe ich eine Wahl? Was auch immer mit dem Regen los ist, einen Spaziergang will ich nun nicht unbedingt machen. "Du hast vermutlich eine Gehirnerschütterung", sagt Joe plötzlich und blickt auf. Hier, trink etwas. Er wirft mir eine Thermoskanne zu, die ich verblüfft auffange. Langsam drehe ich die Kappe ab und nehme einen Schluck. "Danke."
Er nickt und zuckt plötzlich zusammen. "Alles okay?", frage ich. "Ja. Nein. Ich hab mir glaube ich das Handgelenk verstaucht, aber sonst ist alles gut. " - "Zeig mal her." Zwar habe ich so gut wie keine Ahnung davon, aber ein Verband schadet sicher nicht. Also lege ich ihm einen Verband an und stelle aus unseren Besitztümern ein kleines Frühstück zusammen. Während ich geschlafen habe, sind zwei Fallschirme angekommen. Joe hat meinen direkt in meinem Rucksack verstaut. Er scheint gar nicht so übel zu sein. Dennoch: Wie kommt dann mein Traum zustande?Wir zucken beide zusammen, als erneut ein Knall ertönt. Ich springe auf, den Degen fest umklammert, als plötzlich jemand anfängt zu sprechen. Die Stimme klingt so nahe und ein eiskalter Schauer läuft mir über den Rücken. „Tribute! Ihr habt es geschafft. Ihr seid die letzten 6 Überlebenden nach dem ersten Tag in der Arena. Wir hoffen ihr verzeiht uns die nächtlichen Überfälle. Wir wollten nur nicht, dass es euch langweilig wird. Noch fröhliche Hungerspiele und möge das Glück stets mit euch sein."Langsam lasse ich den Degen sinken. Wir sind wirklich nur noch zu sechst? Ob Story noch lebt? Es erstaunt mich, wie gleichgültig sich diese Frage in meine Gedanken schleicht.
Ich werfe Joe einen irritierten Blick zu, doch dieser schaut zum Höhleneingang. Ich drehe meinen Kopf und sehe, dass der Regen aufgehört hat und der Nebel ebenso verschwunden ist. "Nichts wie weg hier!"Ich stopfe alles zurück in meinen Rucksack und setze ihn mir auf, während Joe es mir gleichtut. Wir kommen keine zwanzig Meter weit, da setzt der Donner ein und es beginnt erneut zu regnen, diesmal noch stärker. Wenn die Blitze die Arena erhellen, erkennt man auch, dass der Regen golden ist. Ratlos blicken Joe und ich uns an. Ich ziehe meine Jacke über den Kopf und versuche mich so, vor dem Regen zu schützen, dann laufen wir weiter. Zweimal rutsche ich aus, da der Regen den Boden aufweicht und rutschig macht. Irgendwann, als wir fast am Labyrinth angekommen sind, steigt das Wasser sogar an und wir schaffen es nur noch ganz knapp auf festen Boden. Vom Eingang des Labyrinthes aus betrachten wir noch einmal das gesamte Gebiet. Es scheint nun ein goldener Sumpf geworden zu sein und das Wasser steigt immer noch höher. "Und was nun?", frage ich Joe. "Nun, wir haben nur eine Möglichkeit dem Regen zu entkommen. Das Füllhorn." Ich beiße mir auf die Lippe. Er hat recht, aber was, wenn dort schon andere Tribute lauern und nur so auf einen Kampf warten? Dennoch folge ich ihm tiefer in den Irrgarten hinein. Am Füllhorn suchen wir Schutz. Es ist niemand anderes zu sehen.
Ich werde von der Hymne geweckt. Schnell kriechen wir beide aus unserem Versteck heraus, um die Gesichter der gefallenen Tribute zu betrachten. Zehn Gesichter erscheinen. Zehn weitere Kinder sind tot, wurden ermordet, unter anderem von mir. Dann erscheint Storys Gesicht. Ich fange an zu zittern und zu frösteln und kuschle mich zurück in meinen Schlafsack, doch die Tränen fließen nicht. Es ist einfach schon zu viel passiert, rede ich mir ein. Ich bin mir immer noch nicht sicher, ob ich Joe vertrauen kann, doch ich bin so müde, dass ich wohl keine andere Wahl habe. Schon fallen mir erneut die Augen zu...Es ist stockfinster, als Joe mich aus dem Schlaf rüttelt. "Ich würde dich ja noch etwas schlafen lassen, aber ich glaube ich schlafe gleich selber ein. Könntest du...?" Ich nicke verschlafen und setze mich auf, den Blick in Richtung Füllhornöffnung gerichtet. Plötzlich ertönt wieder diese Stimme. Die Stimme, die so nahe ist, dass es mir eiskalt den Rücken hinunter läuft. "Tribute. Ihr habt sehr hart gekämpft. Ihr seid nur noch zu fünft. Als Belohnung für eure Mühe werdet ihr euch gegen Mittag ein Geschenk am Füllhorn abholen können. Möge das Glück weiterhin stets mit euch sein." Ich brauche einen Moment, bis ich realisiere, was das für uns bedeutet. Wir müssen hier weg. Ich stopfe meinen Schlafsack in den Rucksack hinein, nehme meinen Degen und greife nach Joes Hand. "Wo willst du hin?", fragt er mich. "Weg von hier. Wir können in der Nähe bleiben, aber hier können wir uns nicht länger aufhalten."
Verwirrt folgt er mir ins Labyrinth, wo er sich sofort wieder schlafen legt. Ich lehne mich gegen die Hecke, ziehe die Jacke fester zu und versuche, mich zu entspannen, um Kräfte für den nächsten Kampf zu sammeln. Ich spüre das Gewicht der Brosche, die noch immer in meiner Jacke ruht. Neugierig ziehe ich sie hervor und erkenne sogleich eine kleine Gravur auf der Rückseite. Sie wissen es. Halte durch. -J
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Die Tribute von Panem - Die Rache der Distrikte
FanfictionVor der Bombardierung von Distrikt 12 floh Madge in die Wälder Panems. Dort wurde sie von dem Kapitol aufgelesen und durch verschiedene Experimente geführt. Die Folge: Unsterblichkeit. Mit dem festen Willen, eine Möglichkeit zu finden, sich das gra...