Sie werden leiden

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Evianna ist so freundlich und schaltet für unseren Rückweg die Laser aus, warnt uns beide aber zuvor noch, dass das nur für 5 Sekunden anhalten wird und wir beide uns beeilen sollen, wenn wir am Ende kein Hackfleisch sein wollen.
Als wir am Ende des Gangs sind, schnappe ich mir meinen Mantel vom Boden, schwinge ihn mir über die Schultern und eile mit großen Schritten voraus. Zane hält mit seinen langen Beinen problemlos mit. Unsere Schritte schallen durch die kalten Gänge, neben uns schwimmt das dreckige Abflusswasser und allein die Tropfen, die von der Decke fallen mischen sich zu unseren Geräuschen.

Meine Atmung geht mal wieder viel zu schnell und zwar ganz klar nicht wegen meinem Tempo. Wie konnte sie es wagen, so etwas zu behaupten? Ich sei keine Gefangene! Ich wollte da bleiben! In mir staut sich eine solche Wut, dass ich sofort mit meinen nackten Fäusten gegen die kalten Steinwände schlagen könnte. Ich trete einen Stein in die dunkle Ecke, dabei muss ich irgendein Tier getroffen haben, dass sich mit winselnden Geräuschen schnell verkriecht. Wir laufen schon seit ein paar Minuten durch die dunklen unterirdischen Gänge, aber selbst in meinem aufgebrachten Zustand, wage ich es nicht, mich zu verlaufen, was Zane anscheinend in frage stellt.

„Bist du dir sicher-" Ich unterbreche seine Zweifel schon, bevor er seine Frage zu Ende führen könnte. „Halt den Mund, natürlich weiß ich wo lang.", zische ich zurück und biege mit wehendem Mantel um die Ecke. Zane schweigt wieder kurz, was mir sehr gefällt, aber als wir unter dem Gullideckel stehen, durch den wir auch hier rein gekommen sind, erwacht der große Mann wieder zu Leben. Ich will selbst an die Decke kommen, mit einem Sprung krieg ich das schon hin, doch da war ja was. Als ich springe und meine Hand den Deckel nur zum klirren bringt, schießt ein Schmerz durch meinen Arm. Ich gebe keinen Mucks von mir und wenn ich mein Gesicht verziehen sollte, wird der Ausdruck hoffentlich durch die herrschende Dunkelheit und meine Kapuze verdeckt. Ich verschränke die Arme schnell, recke die Nase in die Luft und nicke Zane zu.

„Kannst dich auch mal bewegen.", klage ich mürrisch und Zane betrachtet mich ganz eindringlich, als er einen Schritt auf mich zugeht und somit direkt vor mir und unter dem Gulli steht. Er guckt mich nur an, als würde er genau überlegen, was er tun sollte. Ob er uns hier raus holen wolle. Er öffnet den Mund, kein Muchs kommt heraus. Plötzlich fällt sein Blick von meinem Gesicht herab zu meinem Arm. Ich umschlinge mich sofort fester, warte ab, was er als nächstes tut, aber er senkt nur leicht den Kopf, als würde ihm etwas einfallen, etwas bedrücken. Als er mich wieder anguckt ist sein Blick unerklärlich. Irgendwie klar und irgendwie... mit Mitleid gefüllt. Aber es kommt kein Wort aus seinem Mund. Er streckt sich nur nach oben und schiebt den Gullideckel mit seinen Händen beiseite. Dann beugt er ein Knie. Ohne was sagen zu müssen, steige ich darauf, drücke mich ab und ziehe mich mit seinem Druck wieder auf die Straße hoch.

Als ich wieder auf meinen eigenen Beinen stehe und darauf warte, dass auch er wieder rauf kommt und den Deckel zu schiebt, ist mir klar, was passiert ist. Oder zumindest einen Teil. Er muss es wissen. Er muss meine Verletzungen bemerkt haben, zumindest die an meinem Arm. er hätte was sagen können, als Isaac rechte Hand hätte er das sogar gemusst. Schließlich kann ich mir die Wunden nur in seinem Palast zugezogen haben, aber er schweigt und ich glaube fest daran, dass er nicht nur zu mir schweigsam ist, sondern es so auch mit Isaac handeln wird. Natürlich frag ich mich auch sofort warum, einfaches Mitleid? Warum sollte er das auf einmal für mich haben? Doch dann, als wie schon ein paar Straßen durch die Dunkelheit gelaufen sind, dämmert es mir.

Er hat uns verstanden.

Es war dumm, naiv von mir, zu denken, dass er uns nicht verstehen wird. Dass die russische Sprache sowas wie ein Schutz sei. Ich weiß eigentlich nichts über Zane und doch bin ich mir sicher, dass er mich verstanden hat. Jedes einzelne Wort. Vielleicht war er es sogar, der Isaac die richtige Aussprache meiner Spitznamen gelehrt hat. Ganz vielleicht haben wir noch viel mehr gemeinsam, als ich angenommen habe.
Ich schaue ihn seitlich an, sein blick geht grade nach vorn. Ein kalter, starrer Blick. Seine Haltung so perfekt wie immer. Zum ersten Mal fällt mir etwas auf. Der Anfang einer schmalen Narbe, die in seinem schwarzen Kragen seiner Uniform wieder verschwindet. Aber diese Narbe sieht sauber aus, beinahe schon künstlich. Leider verschwindet der Großteil unterm Stoff und auch das Licht kommt mir nicht zu gute, aber ich nehme mir vor, bei der nächsten Gelegenheit mehr darauf zu achten.

Der Teufel ist eine Frau |✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt